Es war das Jahr, in dem meine Seele, oder was immer man da in sich heranzüchtet, am lebendigsten war. Die mühsame und abwechslungslose Schulzeit war überstanden und etwas vollkommen Neues begann: Arbeit in einem Institut für Menschen mit verschiedenen Behinderungen.
Ich war ein sakkotragender, altkluger, äußerst überheblicher Achtzehnjähriger, der viel zu viel las und auswendig wusste. Ich ging allen auf die Nerven. Einmal steigerte ich mich aufgrund der auffallenden Gesichtszüge eines der behinderten Kinder, für dessen Nachmittagsbetreuung ich zuständig war, in die Überzeugung hinein, das Kind müsse am Williams-Syndrom leiden, was, wie ich in irgendeiner Dokumentation gelernt hatte, in den meisten Fällen mit einer hohen musikalischen Affinität einhergeht. Also nahm ich das Kind kurzerhand mit in den Nebenraum zum Klavier und spielte ihm alle Jazzstücke vor, die ich kannte, während es mit hängendem Kopf am Boden hockte.
Als dann seine Mutter erschien und wissen wollte, warum ihr Kind denn nicht angezogen sei und überdies sein ganzes Essen noch unangetastet im Rucksack liege, hielt ich einen leidenschaftlichen Vortrag über das Williams-Syndrom und die „Wichtigkeit von Musik in der Frühförderung solcher Kinder“! Die Geduld der Frau war außerordentlich. Sie hörte sich alles an, dankte mir leise und beschwerte sich erst in der kommenden Woche, und selbst da eher sanft, bei der Direktion.
Prägende Erinnerungen
Solche Dummheiten gab es viele. Ich glaube, ich verhielt mich beinahe durchgehend peinlich, was vermutlich der Grund ist, weshalb mir gerade dieses eine Jahr meines Lebens am deutlichsten von allen im Gedächtnis geblieben ist. Einmal versuchte ich, eine junge…
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