Keine Angst vor ... der Geburt

In unserer Rubrik „keine Angst vor ...“ erfahren Sie diesmal, wie Andreas Lorenz die Angst vor der Geburt seines Sohnes verlor.

In einem von diesen Zimmern wird es also passieren, dachte ich bei der Kreißsaalbesichtigung. In meine Vorfreude mischte sich ein mulmiges Gefühl – ein bisschen wie früher bei Wackelzähnen: Man freut sich auf den Moment, wenn der Zahn draußen ist. Aber man hat Angst vor dem Rausreißen.

Am schlimmsten war die Ungewissheit: In Filmen kommt bei Geburten der Notarzt und der Mann fällt in Ohnmacht – alles ziemlich überzeichnet. Wie würde es bei uns sein? Würde ich ertragen, dass meine Frau für uns leidet? Würde es hoffentlich keine Komplikationen geben? Würde ich es aushalten, nichts tun zu können?

Meine Frau war viel ruhiger als ich, deshalb wollte ich sie mit meiner Angst nicht kirre machen. Ich las in Ratgebern und fragte Freunde nach ihren Erfahrungen. Sie bestätigten, dass man als Mann nichts tun könne, außer Beistand zu leisten. Das entlastete mich ein wenig.

Letztlich blieb mein Gefühl aber unverändert – bis meine Frau Tage nach dem errechneten Termin endlich Wehen bekam.

Erstaunlicherweise war meine Angst auf einmal wie weggeblasen. Ich befand mich im „Funktioniermodus“ – ruhig und hochkonzentriert. Ich fuhr meine Frau ins Krankenhaus, füllte den Papierkram für sie aus und stieg mit ihr die halbe Nacht Treppen. So hatte ich in den 22 Stunden bis zur Geburt gefühlt immer irgendwas zu tun. Als dann am Ende eine Saugglocke zum Einsatz kommen musste, weil die Geburt schon sehr lange dauerte, bekam ich das kaum mit. Ich atmete einfach weiter mit meiner Frau.

Als unser Sohn endlich da war, war ich überglücklich und sehr stolz auf mei­ne Frau. Aber auch auf uns als Paar.

Andreas Lorenz ist Vater von zwei Kindern.

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 1/2022: Stille Aufträge
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