Diese Einschätzung von Edward Watkins, einem englischen Psychologieprofessor, begegnete mir während einer Zeit, in der ich mich schwerpunktmäßig mit dem Phänomen des depressiven Grübelns beschäftigte. In der Behandlung viel grübelnder Menschen kam immer wieder die Frage auf, was denn produktives Nachdenken von ungünstigem Grübeln unterscheide und wo genau die Trennlinie verlaufe. Die Frage ist absolut berechtigt, aber leider nicht präzise zu beantworten.
In den Therapien haben wir Betroffenen zur…
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ist absolut berechtigt, aber leider nicht präzise zu beantworten.
In den Therapien haben wir Betroffenen zur Differenzierung behelfsmäßig die sogenannte „Zwei-Minuten-Regel“ mitgegeben. Die geht so: „Wenn Sie unsicher sind, ob Sie grübeln oder nachdenken, fahren Sie für zwei Minuten mit dem fort, was Sie tun. Stellen Sie sich danach drei Fragen: 1. Bin ich mit einer Problemlösung vorangekommen? 2. Habe ich etwas verstanden, was mir vorher noch nicht klar war? 3. Bin ich in der Zeit weniger selbstkritisch oder weniger depressiv geworden? Sofern Sie nicht eine der Fragen klar bejahen können, grübeln Sie wahrscheinlich!“ Der Satz von Watkins klingt im Vergleich etwas lapidar, ist zugleich aber prägnant und bringt die Unterscheidung zwischen produktivem Nachdenken und Grübeln gut auf den Punkt. Und dies nicht nur für depressive Menschen, die unter Antriebslosigkeit und Grübeln leiden; letztlich muss auch der grüblerische Philosoph seine Gedanken irgendwann in einen Text und damit in eine Handlung münden lassen.
Tobias Teismann ist außerplanmäßiger Professor an der Ruhr-Universität Bochum. Als Psychologe und Psychotherapeut leitet er dort das Zentrum für Psychotherapie. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Suizid und Suizidprävention, Depression und depressives Grübeln. Er ist Mitherausgeber des dieser Tage bei Hogrefe erscheinenden Buchs Klinische Psychologie und Psychotherapie. Ein verfahrensübergreifendes Lehr- und Lernbuch