Dieter Frey erzählt:
„Ich bin seit mehr als 40 Jahren Professor, habe Preise erhalten, im Ausland geforscht, Gremien geleitet… Trotzdem hatte ich bis vor wenigen Jahren Angst, vor großem Publikum von Fragen überrascht zu werden und keine klugen Antworten parat zu haben, vor allem bei Talksendungen.
Oft lehnte ich Einladungen ab. Wenn ich doch annahm, war ich tagelang unruhig, schlief schlecht und schrieb seitenlange Konzepte, um eine Blamage zu vermeiden.
Während der Sendungen oder auch schon davor hatte ich manchmal Blackouts. Aber selbst wenn es besser lief und meine Umgebung die Zweifel nicht verstand, ärgerte oder schämte ich mich, meinen Leistungsstandards nicht gerecht geworden zu sein. Ganz besonders schlimm war es bei einer scobel-Sendung, in der eine Kollegin und ich überhaupt nicht auf den Punkt kamen. ,Fürchterlich! Peinlich!‘, fanden wir hinterher.
Infolgedessen begann ich, sensitiver fernzusehen, und bemerkte, dass erfolgreiche Talkgäste wenige persönliche Botschaften haben, mit denen sie zur Marke werden.
Für die nächsten Interviews schrieb ich zehn Messages auf, die ich unbedingt rüberbringen wollte, und antwortete damit übungshalber auf fiktive Fragen.
In der eigentlichen Sendung hatte ich dann endlich das Gefühl, Kontrolle über das Geschehen zu haben: Statt spontan reagieren zu müssen, konnte ich agieren und meine Botschaften transportieren. Ich stand für etwas, das Substanz hatte.
Woher meine Angst ursprünglich gekommen war? Vielleicht aus meiner Schulzeit, in der ich bei falschen Antworten als ,Schwab‘ verlacht wurde. Das hat sich mir wohl tief eingeprägt.“
Dieter Frey ist emeritierter Professor für Sozialpsychologie und leitet ein Weiterbildungszentrum für Führungskräfte