Die Stelle ist mir angeboten worden. Der Hauptsitz des Unternehmens lag in einer europäischen Großstadt. Moderne Einrichtung, viel Glas, offene Räume, mobile Arbeitsplätze. Ich fand es total ansprechend. Das Unternehmen – ein Dienstleister – sollte den Geist des New Work zu einem großen deutschen Konzern bringen und helfen, die Arbeit besser zu organisieren und Kosten zu sparen. Ich wollte den Prozess als Personalmanager begleiten und mitgestalten.
Bis dahin ging es in meiner Welt nur nach oben. Mein erstes Unternehmen war ein Internet-Start-up, also eine Neugründung, danach kam ein Unternehmen, dem ich geholfen habe, um den Faktor zehn zu wachsen. Aufbauen, wachsen, gestalten, weiterkommen – so war ich geprägt und das hatte ich auch bei dieser Stelle erwartet. Es sollte um Restrukturierung gehen, und ich wusste, dass es Arbeitsplätze kosten würde. Aber ich dachte auch an neue IT-Lösungen, KI-Einsatz und effizientere Arbeitsplätze.
Allerdings hatten sich der Dienstleister und der Konzern grob missverstanden. Was der eine liefern konnte und was der andere brauchte, passte überhaupt nicht zusammen. Beide waren vertraglich gebunden, aber sie verloren das Interesse daran, die Arbeit besser zu organisieren. Sie wollten nur noch Kosten sparen, und das hieß für den Konzern: Personal abbauen.
Entscheidungen entgegen der eigenen Überzeugung
Wir als Dienstleister sollten Lösungen vorschlagen, um Kosten zu senken. Wir haben unter anderem Programme zum freiwilligen Ausstieg aufgelegt, Altersteilzeit eingeführt, Abfindungen angeboten und Einstellungsstopps verkündet. Trotzdem sollten immer noch mehr Menschen gehen – am Ende ohne Einbindung des Betriebsrats. Das ging gegen meine Überzeugung. Das macht man nicht! Außerdem war es wirtschaftlich kontraproduktiv, denn je weniger Personal es gab, desto mehr Dienstleistungen mussten extern teuer eingekauft werden.
Ich fand es sinnlos, falsch und war komplett fremdbestimmt. Was ich versucht habe anzustoßen, verlief im Sande. Kein Geld, keine Rückendeckung. Es gab viel zu viele Interessen und ich konnte sie nur noch verwalten. Es war, als müsste ich etwa dem Betriebsrat ständig heiße Luft entgegenblasen. Ich fühlte mich wie Don Quijote, der unermüdlich und sinnlos gegen Windmühlen kämpfte – im Kopf irgendwann leer.
Arbeiten, aber „mit der Faust in der Tasche“
Es fiel mir immer schwerer, morgens aufzustehen, zur Arbeit zu gehen und zu wissen, dass es genauso weitergehen würde wie am Tag zuvor. Ich konnte und wollte meine Gefühle – Frustration und das Gefühl der Sinnlosigkeit – nicht verstecken. Meinem Team habe ich offen gesagt: „Wenn das Management es möchte, machen wir es. Aber mit der Faust in der Tasche.“ Wir sind für unsere Arbeit sogar gelobt worden, aber das prallte an mir ab. Es war mir unangenehm, ich wollte es nicht hören.
Ich bin auch Leistungssportler und benötige Ziele, für die ich kämpfen und die ich erreichen kann. Ich dachte, im Beruf ist es wie beim Sport. Wenn ich mich anstrenge, kommt der Erfolg. Natürlich gibt es Situationen in Unternehmen, in denen man Personal abbauen muss, aber doch damit etwas Neues entstehen kann. Ich bin niemand, der den Status quo nur verwaltet. Und ich bin kein Ausquetscher bis zum Letzten!
Eine Rolle, die man spielen muss
Trotzdem blieb ich. Wenn man einen Arbeitgeber schon nach zwei Jahren wieder verlässt, macht das meiner Meinung nach im Personalwesen einen schlechten Eindruck. Mein persönliches Minimum sind drei Jahre. Es wurden dann vier. Ein Jahr folgte auf das nächste, ich war wie im Trott.
Der Job wurde für mich wie eine Rolle, die ich spielen muss. Jeden Tag aufs Neue. Da wir flexible Arbeitszeiten hatten, bin ich manchmal um zehn Uhr ins Büro gefahren und gegen zwölf Uhr wieder zurück. Oder ich habe tagsüber zwei Stunden Sport gemacht, nur um mich abzulenken.
Zynisch und unmotiviert
Alles, was im Beruf 20 Jahre lang für mich selbstverständlich gewesen war – eine Agenda entwickeln, Themen anstoßen und mich am Wochenende auf die neue Woche vorbereiten – habe ich sausen lassen. Stattdessen habe ich Termine vor mir hergeschoben; Verabredungen kurzfristig abgesagt, weil sie mir nicht in den Kram passten; in Meetings nur noch reagiert. Mein Team hat gemerkt, wie ich zynischer wurde und immer mehr ironische Kommentare abgegeben habe. Meiner Familie habe ich ungefähr einmal im Monat einen viertelstündigen Vortrag darüber gehalten, wie sinnlos alles ist.
Und dann kamen die E-Mails: Führungskräfte des Konzerns von verschiedenen Standorten schrieben uns, dass sie nicht mehr genug aktives Personal hätten, um ihre Aufgaben gegenüber dem Auftraggeber zu erfüllen.
Für mich war es der Kipppunkt. Ich fragte mich: Was mache ich hier eigentlich? Ich tue etwas, das ich unternehmerisch sinnlos finde und das jetzt sogar die Leistung des Konzerns gefährdet. Das ist völliger Schwachsinn! Also habe mich nach einem neuen Job umgesehen. Ich hätte bei einer schönen Company anfangen können, aber es sollte wieder um Restrukturierung gehen und das wollte mir nicht mehr in den Kopf. Es hat mich angeekelt.
Verlorene Zeit
Als Sportler würde ich sagen: Ich habe dieses Spiel nicht gewonnen. Vielleicht konnte ich es auch nicht gewinnen, aber das Ergebnis ist: Ich habe es nicht gewonnen. Der Job hat etwas in mir ausgelöst, das ich selbst nicht vollständig erklären kann. Was ich weiß: Ich kann mir nicht mehr vorstellen, mich noch einmal in dieselbe Situation zu begeben. Ich bin nun knapp über 50, das Haar ist grau, ich will nicht mehr auf diesen Platz. Ich habe mich damit auseinandergesetzt, womit ich meinen Tag verbringen möchte, was ich machen will, und wichtig ist mir: Selbstbestimmung. Entscheiden können, was ich tue.
Ich will mir und anderen keinen Vorwurf machen, aber hätte ich gewusst, wohin es führt, hätte ich den Arbeitsvertrag nicht unterschrieben. Aus diesem Job ist nichts geblieben, von dem ich sagen könnte, es war schön oder es hat sich gelohnt. Der Job war unsinnig, komplett unsinnig. Auf persönlicher Ebene sind Freundschaften entstanden, aber was die Arbeit betrifft, war es verlorene Zeit.
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