Verzeihen ist nicht vergnüglich

Probanden fanden die Variante einer Geschichte am vergnüglichsten, in der der Täter die härteste Rache erlebte. Eine neue Studie weiß, warum.

Rache ist süß – aber sinnvoll finden wir sie selten, zeigte eine Studie. 85 Versuchsteilnehmer lasen jeweils 15 kleine Geschichten, in denen es einen Bösewicht gab. Für das Ende der Geschichten gab es drei Varianten: In einer fiel die Rache für den Übeltäter sehr hart aus, in einer zweiten eher mäßig und in einer dritten wurde der bösen Person vollständig verziehen.

Die Probanden fanden die Variante am vergnüglichsten und zugleich am wenigsten sinnvoll, in der der Täter eine ungewöhnlich schwere Rache erlebte. Die Geschichten, in denen dem Täter verziehen wurde, lasen die Probanden am wenigsten gern – betrachteten sie aber als sinnvoll und schätzten sie.

Zum Versuchsaufbau: Die Forscher befragten die Teilnehmer nach dem Lesen der Geschichten und ließen sie außerdem per „like“ oder „dislike“ anklicken, wie sie sie fanden. War die Bestrafung unangemessen hart, brauchten die Probanden mehr Zeit, bis sie einen der beiden Buttons anklickten.

So erklären die Forscher den Genuss an der übertriebenen Rache: Die Probanden konnten sie genießen, weil die Geschichten fiktiv waren. Die Rachefantasien verschafften ihnen einen Moment Erleichterung von den Einschränkungen, die Menschen im Alltag erleben.

Matthew Grizzard u.a.: Narrative retribution and cognitive processing. Communication Research, 2019. DOI: 10.1177/0093650219886512

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 6/2020: An Krisen wachsen
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