Er hieß Boris, hatte lange Haare, breite Schultern, und wenn er mit federndem Schritt über den Schulhof ging, hüpfte mein Herz. Sein Anblick und noch mehr ein Lächeln von ihm versüßten mir den Schulalltag. Im Chemieunterricht malte ich mir aus, wie wir einander näherkommen würden, in Mathe küsste er mich, und in Erdkunde ging es meistens wieder von vorne los. Dabei habe ich nie auch nur einen einzigen Schritt unternommen, meine Tagträume Wirklichkeit werden zu lassen. Ich war nicht schüchtern. Ich habe für Boris geschwärmt.
Das, was ich hier beschreibe, ist kein exklusives Verhalten weiblicher Teenager, für das es oft gehalten wird. Ich schwärme heute noch, mit Ende 40, und ich bin keine Ausnahme. Es gibt nur eine Handvoll Studien zu dem Thema, aber diese lassen den Schluss zu, dass die meisten Menschen – jedenfalls in westlichen Kulturen – einen Schwarm haben. Unabhängig von Geschlecht, Alter, Beziehungsstatus oder sexueller Identität.
Schwärmen, das meint laut Kluges Etymologischem Wörterbuch der deutschen Sprache „‚sich auf wirklichkeitsferne Weise für etwas begeistern‘, im heutigen Sinn etwa seit dem 18. Jahrhundert“. Noch jünger sei die Übertragung dieses Zustands auf Personen („schwärmerisch verehren“). Um diese letzte Bedeutung wird es in diesem Artikel gehen, also nicht um die Vorliebe für einen bestimmten französischen Weichkäse oder ganz generell für Pferde, sondern darum, sich „fern der Wirklichkeit“ für einen Menschen zu begeistern.
Charlene Belu, eine Psychologiedoktorandin an der University of New Brunswick in Kanada, ist ihres Wissens nach die einzige Forschende, die derzeit schwärmende Erwachsene untersucht. In einem Fragebogen hat sie das Schwärmen – auf Englisch have a crush – wie folgt definiert:
„Sie fühlen sich…
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