„Manche Kinder haben schwer erziehbare Eltern“

Es gibt Sätze, die bleiben im Gedächtnis. Für die Neuropsychologin Katja Werheid ist es ein Satz über erwachsene Kinder und deren Eltern.

Ältere Frau steht auf einem Stuhl und wechselt eine Glühbirne
Viele erwachsene Kinder wünschen sich, dass ihre Eltern manchmal etwas vorsichtiger wären. © Sean Murphy/Getty Images

Mein wichtigster Satz: Hier teilt eine Expertin oder ein Experte einen Satz mit uns, der persönlich berührend oder besonders wichtig war. Diesmal: Katja Werheid, Neuropsychologin mit dem Satz „Manche Kinder haben schwer erziehbare Eltern“.

Der Satz  stammt von einer Postkarte, die meine Eltern mir geschickt haben. Ich finde ihn witzig, weil er alles auf den Kopf stellt. Man mag eigentlich ältere Menschen nicht mit Kindern vergleichen. Aber es gibt schon Parallelen, etwa dass es vielleicht mal anders läuft,…

Sie wollen den ganzen Artikel downloaden? Mit der PH+-Flatrate haben Sie unbegrenzten Zugriff auf über 2.000 Artikel. Jetzt bestellen

Menschen nicht mit Kindern vergleichen. Aber es gibt schon Parallelen, etwa dass es vielleicht mal anders läuft, als wir uns das vorstellen, oder dass sie Absprachen wieder umwerfen. Viele erwachsene Töchter und Söhne in mittleren Jahren sind im Zwiespalt: ­Einerseits möchten sie die Bedürfnisse der Eltern respektieren, andererseits sorgen sie sich um deren Sicherheit: Müssen sie die Gardinen noch unbedingt selbst aufhängen? Müssen sie die Kellertreppe jeden Tag dreimal hoch- und runtergehen?

Als Jugendliche fanden wir es lästig, wenn unsere Eltern uns gesagt haben, dass wir mal wieder zu schnell mit dem Mofa gefahren seien. Aber es zeigte doch, dass sie besorgt waren um uns, weil wir ihnen viel wert waren. Im Kontakt mit unseren alten Eltern sollten wir auch eher unseren Sorgen Ausdruck verleihen und fragen, als Regeln aufstellen.

Zu den Angehörigen meiner Patientinnen und Patienten sage ich immer: Regt euch ruhig mal auf, diskutiert ein bisschen, das hält fit im Kopf. Und sagt dann: Ich habe mich geärgert über dich, ich habe mir große Sorgen gemacht, aber jetzt ist es auch wieder gut. Wir sollten unsere Gefühle offen ansprechen – nicht nur in unseren Therapien oder unter Gleichaltrigen, sondern auch gegenüber unseren Eltern.

Prof. Dr. Katja Werheid lehrt klinische Neuropsychologie und Psychotherapie an der Universität Bielefeld und behandelt vorwiegend Patientinnen und Patienten mit Schlaganfall und Demenzsyndromen. Sie ist Expertin für adult aging, den erwachsenen Umgang mit älter werdenden Eltern und mit dem eigenen Altern. Ihr Buch Nicht mehr wie immer. Wie wir unsere Eltern im Alter begleiten können ist 2017 bei Piper erschienen.

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute Compact 71: Familienbande