Im Trend: Runen und Totenköpfe

Warum finden junge Menschen Kleidung mit rechten Symbolen gut? Das untersuchte die US-amerikanische Soziologin Cynthia Miller-Idriss.

Die Illustration zeigt einen jungen Menschen, der vor einem großen Pullover steht, auf dem ein Totenkopf abgebildet ist
Ein Pullover mit Totenkopf: Cynthia Miller-Idriss untersuchte, warum Jugendlichen rechte Symbolik gefällt. © Joni Majer

Bei Demonstrationen sind sie auf schwarzen T-Shirts oder Hoodies zu sehen: Buchstaben- und Zahlenkombinationen, nordische Runen, altdeutsch wirkende Schriften, modifizierte Hakenkreuze, Totenköpfe, oft in Rot oder Weiß. In den vergangenen Jahren hat sich ein eigener Markt gebildet für Kleidung mit Symbolen, die an die NS-Zeit erinnern.

Die Symbole fielen der US-amerikanischen Soziologin Cynthia Miller-Idriss ins Auge, während sie für ein Forschungsprojekt in Deutschland Bilder mit rechtsextremen Symbolen aus…

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sie für ein Forschungsprojekt in Deutschland Bilder mit rechtsextremen Symbolen aus verschiedenen Epochen analysierte und verglich. Miller-Idriss fragte sich, warum junge Menschen nordische Runen oder Totenköpfe auf ihrer Kleidung zeigen: Was genau sind das für Symbole? Drückt sich darin noch mehr oder auch etwas anderes aus als die Zugehörigkeit zur rechten Szene? Wer trägt diese Kleidung?

Cynthia Miller-Idriss erweiterte ihr ursprüngliches Forschungsprojekt und organisierte Tiefeninterviews mit jungen Menschen. Ihre Interviewpartner waren 51 deutsche Schüler aus Berliner Berufsschulen, alle zwischen 25 und 39 Jahre alt. Nur ein Teil gab an, selbst Teil der rechtsextremen Szene zu sein, andere distanzierten sich davon. Nicht alle trugen oder besaßen Kleidung mit rechtsextremistischen Symbolen, aber alle kannten sie.

Vertrautheit mit Rechtsextremismus

Die Befragten waren in Berliner Vierteln mit einem hohen Anteil an Rechtsextremismus aufgewachsen und kannten aus Familie, Freundeskreis, Arbeit oder Schule Personen, die der rechtsextremen Szene angehörten. Die Forscherin fragte die Berufsschüler danach, wie sie rechte Symbole auf der Kleidung einschätzten, wie sie es fanden, dass diese Symbole an bestimmten Orten nicht gezeigt werden dürfen, und was sie über die Symbole wüssten.

Um noch mehr darüber zu erfahren und da nicht alle Teilnehmer selbst Kleidung mit den Symbolen ihr Eigen nannten, ließ die Forscherin ihre Interviewpartner zusätzlich jeweils 34 Bilder von heutigen kommerziell eingesetzten Symbolen einschätzen. Miller-Idriss kommt zu dem Schluss, dass die Symbole für ihre Träger emotional anziehend und bedeutsam sind. Der rechtsextremistische Hintergrund spiele für manche zunächst eine untergeordnete Rolle. Vielmehr böten die Symbole die Möglichkeit, Widerstand und Ärger gegenüber der so erlebten „Mainstreamgesellschaft“ auszudrücken.

Gleichzeitig verstärkten sie das Gefühl der Zugehörigkeit zu „Kameraden“, die für die männlichen Träger besonders wichtig seien. Zugleich erfuhr Miller-Idriss, dass die einzelnen Befragten die Symbole sehr unterschiedlich bewerteten, und zwar abhängig davon, wer auf den vorgelegten Bildern ein T-Shirt oder Hoodie trug – stets wurden der Körperbau, Haarschnitt und die Ausstrahlung der Person mitbeurteilt. Ob es und welchen historischen Bezug es bei einzelnen Symbolen gab, konnten viele nicht beurteilen. 

Anderen Angst machen

Die Symbole bewirkten darüber hinaus auch etwas, schreibt Miller-Idriss: Sie riefen ihre Träger direkt zum Handeln auf. Ausdrücklich bestätigten ihre Gesprächsteilnehmer, dass die Symbole sich eigneten, Außenstehenden Angst zu machen und Gewaltbereitschaft zu demonstrieren. Und sie dienten als Einfallstor in rechtsextreme Bewegungen. Einige Befragte erzählten, dass rechte Symbole auf T-Shirt oder Hoodie den Kauf von Tickets zu den Konzerten rechtsextremistisch orientierter Bands erleichterten.

Anhand dieser Symbole lässt sich laut Miller-Idriss erkennen, wie die Designer der kommerziell vermarkteten rechten Symbole arbeiten: Sie nutzen einschlägige Motive, wandeln sie ab und kombinieren sie bunt durcheinander – zum Teil um Verboten zu entgehen, zum Teil weil so auch Kunden erreicht werden, die nicht dem Kern rechtsextremer Bewegungen angehören, sich aber doch angesprochen fühlen. Die Symbole und Codes bergen mythische, historische, aggressive, gewaltverherrlichende, rassistische oder nationalistische Inhalte. Miller-Idriss nennt eine Anzahl von 150 verschiedenen rechten Symbolen, die zum Zeitpunkt der Entstehung ihres Buches bekannt waren. Die Zahl schwanke jedoch, die Bedeutung wandele sich ebenfalls.

Die Forscherin sah sich auch den kommerziellen Markt genauer an: Angeboten werden neben Kleidung wie Shirts, Hoodies, Schals, Jeans oder Sweatshirts auch Sticker, Tattoos oder Banner – keine Billigware, eher hochwertig, berichtet die Forscherin. So stieß sie bei ihren Recherchen auf eine Jeans namens „Rudolf“ für einen Preis von 80 Euro. Dass diese Kleidung nicht nur getragen wird, wenn Jugendliche oder junge Erwachsene unter sich sind, berichteten Medien schon vor einiger Zeit. So tauchen die jungen Erwachsenen durchaus auch bei der Arbeit in den entsprechenden Markenpullovern und T-Shirts auf. In Schulen sind sie teilweise nicht erlaubt.

Quellen

Cynthia Miller-Idriss: The extreme gone mainstream. Commercialization and far right youth culture in Germany. Princeton University Press, Princeton 2018

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 8/2020: Emotional durchlässig