Frau Akgün, Sie sind Psychotherapeutin und Angehörige der deutsch-türkischen Community. Welche Auswirkungen hatten die NSU-Taten, die vor 20 Jahren begannen?
Ich lebe in Köln, auch hier hatten wir einen Anschlag, der auf das Konto der NSU-Täter geht. 2004 zündeten sie eine Nagelbombe in der Keupstraße. Dabei handelt es sich um eine belebte Einkaufsstraße mit vielen türkischen Geschäften. Bei dem Anschlag wurden über 20 Menschen zum Teil schwer verletzt. Ich habe Freunde in der Keupstraße und bekam sehr schnell mit, wie groß die Wut und die Verzweiflung waren. Zum einen darüber, dass Nachbarn und Bekannte durch den Bombenanschlag verletzt wurden, zum anderen wegen der Verdächtigungen, die dann im Zuge der polizeilichen Ermittlungen aufkamen: dass etwa ein Geschäftsbesitzer in kriminellen Kreisen verkehre oder dass Opfer mit der Mafia zusammengearbeitet hätten.
Mit der Hypothese von einem kriminellen Türkenmilieu lagen die Ermittlungsbehörden nachweislich falsch.
Die Polizei war über Jahre auf der falschen Fährte. Als dann allmählich die Wahrheit herauskam, war die große Frage für mich und die ganze Community: Konnten die Ermittler nicht sehen, was dahintersteckte – oder wollten sie es nicht sehen? Ich bin immer wieder verwundert, wie wenig in rechtsextremen Kreisen ermittelt wurde. Der Staat unterhält polizeiliche und geheimdienstliche Institutionen auf Bundes- und auf Landesebenen, trotzdem bekamen die Ermittler nicht heraus, dass willkürlich Kleinhändler erschossen wurden. Wie kommt es, dass sie nicht das Muster erkannten, den rassistischen Hintergrund?
Die beharrliche Suche nach den Tätern im falschen Milieu, die Verdächtigungen gegenüber Angehörigen welche Auswirkungen hatte das auf türkischstämmige Menschen in Deutschland?
Das kann ich mit drei Schlagworten überschreiben: Misstrauen, Enttäuschung und Entfremdung.
Gegenüber wem?
Gegenübe…
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