Konsumkritik: Anti-Uhren

Wer es sich leisten kann, kauft sich eine zeitlose Luxusarmbanduhr. Im Verzicht auf Zeiger und Zahlen lebt man völlig außerhalb der Zeit.

Eine schwarze Uhr mit schwarzen Ziffernblatt, auf dem man die Zahlen nicht sieht und mit weißen Zeigern
„Wie spät ist es denn?“ Das können manche Armbanduhren nicht beantworten. Aber immerhin sehen sie schick aus. © Neuevector/ Getty Images

Manche Menschen können es sich leisten, aus der profanen Zeit der Normal­sterblichen auszusteigen. Das jedenfalls scheint ein auf den ersten Tick paradoxes Produktsegment für die gehobenen Konsumentenschichten zu signalisieren: Armbanduhren oder besser gesagt Anti-Armbanduhren, die keine Zeit anzeigen.

So sind die Eternity Bracelets des französisch-bahrainischen Unternehmens Qannati etwa mesopotamisch inspirierte Miniaturdioramen voll funkelnder Gemmen statt Zeigern und Zahlen. Das Uhrwerk der Haldimann H9 misst zwar präzise die Zeit, verbirgt aber das Ergebnis – geht es nach dem Schweizer Uhrmacher Beat Haldimann, sollen wir uns auf unsere innere Zeit besinnen.

Eine günstige, aber gegenwartsdiagnostisch hochwertige Alternative zu diesen Luxus-Accessoires ist das Armband Time von Balenciaga. Anstelle des Ziffernblatts prangt das unbewegte Firmenlogo. Wie prophetisch! „Es soll hinfort keine Zeit mehr sein“, heißt es in der Offenbarung des Johannes. Tatsächlich leben wir längst in einer apokalyptischen Zeit ohne Anfang und ohne Ende – der Konsumzeit.

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