Warum habe ich Krebs bekommen?

Eine von Patienten häufig gestellte Frage. Deckt sich die subjektive Antwort mit der wissenschaftlichen?

Menschen haben ihre eigenen Vorstellungen darüber, wie und warum es bei ihnen zu einer Krebserkrankung kam. Diesen „subjektiven Krankheitstheorien“ sind jetzt Forscher der Universitäten Halle, Leipzig und Dresden in einer Fragebogenstudie mit 858 Frauen und Männern nachgegangen, bei denen während der vergangenen 30 Monate ein Brust-, Darm-, Lungen- oder Prostatakrebs diagnostiziert wurde. Unter dem Strich lässt sich festhalten, dass die Ursachen, die das Gros der Patienten ihrer Krebserkrankung zuschreibt, nicht massiv vom Stand der Wissenschaft abweichen.

So gehen 95 Prozent der Befragten davon aus, dass der Krebs nicht auf nur eine, sondern auf ein Geflecht von Ursachen zurückgeht – so sieht das auch die Forschung. In allen vier Diagnosegruppen geben die Patienten dem Faktor „Umwelt“ das größte Gewicht. Tatsächlich haben Umwelteinflüsse wie etwa UV-Strahlung oder Luftbelastung auch laut epidemiologischen Studien hohen Anteil am Krebsrisiko. „Ernährung“ landete bei den subjektiven Krankheitsursachen auf dem zweiten Platz – und auch das deckt sich mit den Befunden einer britischen Studie, wonach vier von zehn Krebserkrankungen auf Risikoverhaltensweisen zurückzuführen sind.

Dazu zählen ein unausgewogener Speiseplan und Übergewicht. Rauchen allerdings wird laut der neuen Studie von den meisten Patienten als Krebsrisiko unterschätzt. Nur bei der Mehrheit der Lungenkrebskranken landet es auf Platz eins, was laut den Autoren um Julia Roick zeigt, dass diese Patienten „sich über ihr Risikoverhalten bewusst“ sind.

Verantwortlich für Krebs

Auf Platz drei der subjektiven Ursachen finden sich die Gene (und werden damit eher unterschätzt), gefolgt vom Faktor Zufall. Wer hingegen nicht erkrankt ist, misst dem Zufall bei der Krebsentstehung eine viel geringere Bedeutung bei, wie man aus anderen Studien weiß. „Gesunde tendieren dazu, den Krebspatienten für die Erkrankung verantwortlich zu sehen“, so Roick und ihre Kollegen, „was eine Bedrohungsabwehr darstellt und die eigene Sicherheit erhöht.“ Für Krebserkrankte sind solche Vorurteile natürlich stigmatisierend – vor allem wenn sie selbst diese übernehmen.

Brustkrebspatientinnen etwa machen laut der neuen Studie ziemlich häufig eigene seelische Probleme, Konflikte in der Familie oder „Unterdrückung von Gefühlen“ für ihr Krebsleiden verantwortlich. Aus Sicht der Forschung ist das längst widerlegt. Doch für die betroffenen Frauen – auch das ergab die Studie – geht diese selbstbezichtigende Krankheitstheorie mit Scham und dem Gefühl von Zurückweisung und Isolation einher.

DOI: 10.1055/a-0851-6758

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 6/2020: An Krisen wachsen
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