Zigaretten sind gesundheitsschädlich. Das ist unbestritten. Die Hälfte aller Raucher stirbt vorzeitig. Ihre Sucht treibt sie in den Tod. In Deutschland sind es 110 000 bis 140 000 Tabaktote pro Jahr. Weltweit zählte man 2009 fünf Millionen Menschen, die an den Folgen des Rauchens gestorben sind – mehr als an Tuberkulose, Aids und Malaria zusammen. Häufig sind Krebserkrankungen der Lunge, des Kehlkopfs, der Luftröhre oder des Bronchialsystems. Aber auch Herzinfarkte, Schlaganfälle und Emphyseme sind typische…
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Schlaganfälle und Emphyseme sind typische Raucherkrankheiten.
Vom Rauchen profitieren allein die Tabakkonzerne. Nicht die Volkswirtschaften, wie oft vermutet wird. Die Staaten erheben zwar Steuern auf alle Tabakprodukte, doch die Folgekosten des Rauchens seien weit höher, sagt Martina Pötschke-Langer. „In den Zahlen sind nicht nur die reinen Krankheitskosten enthalten“, erläutert die Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention und des WHO-Kollaborationszentrums für Tabakkontrolle im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, „sondern auch die Kosten für Fehlzeiten am Arbeitsplatz, Raucherpausen, Invalidität, frühzeitige Sterblichkeit und das Leid mit all seinen Folgen, was über die Angehörigen gebracht wird. Alles in allem sind dies Kosten von 33 Milliarden Euro jährlich. Rein steuertechnisch nimmt der deutsche Staat dagegen 14 Milliarden Euro ein.“
Verpackung von Zigaretten: Werbeträger oder Warnung?
Um Markenattraktivität zu schaffen und Raucher an ein bestimmtes Produkt zu binden, ist die Verpackung für die Industrie ein wichtiger Informations- und Werbeträger, bei dem alle Designelemente gemeinsam wirken: Farbe, Schrift, Grafik, Proportionen, Oberflächenstruktur und die eingesetzten Materialien. Je mehr die Werbung im öffentlichen Raum eingeschränkt oder verboten wurde, desto wichtiger wurde die Imagefunktion der Verpackungsgestaltung. Sie soll die Marke von anderen Anbietern abheben und zum Kauf animieren.
Damit macht sich die Tabakindustrie die Wirkung von Bildern zunutze, die auf das Unterbewusstsein des Betrachters zielen. Sie transportieren Assoziationen von Genuss, Freiheit, Abenteuerlust oder Entspannung.
Und genau diese sensible Werbefläche nutzt die Gesundheitsaufklärung inzwischen für ihre Gegenkampagnen. In den Staaten der Europäischen Union und in der Schweiz sind seit zehn Jahren Warnhinweise auf beiden Breitseiten der Zigarettenpackungen verbindlich vorgeschrieben. „Rauchen verursacht Lungenkrebs“ steht dort in dicken Lettern, oder „Rauchen kann zu einem langsamen und schmerzhaften Tod führen“. So wird die enge Verbindung, die zwischen Raucher und Produkt besteht, umgedreht. Nicht Abenteuer werden dem Konsumenten vorgegaukelt, sondern die Schädlichkeit seines Tuns wird ihm ein übers andere Mal vor Augen geführt.
„Immer wenn Raucher eine Zigarette anzünden, werden sie mit diesen Hinweisen auf den Verpackungen konfrontiert und informiert. Aufs Jahr verteilt, kann dies bis zu 7000-mal geschehen“, so David Hammond von der University of Waterloo in Ontario. Der kanadische Präventionsforscher betreibt eine Website, die über die nationalen Bestimmungen zu solchen Warnhinweisen informiert und das Design aller Verpackungen präsentiert, die es gegenwärtig gibt: www.tobaccolabels.ca. Dort erfährt man etwa, dass Kanada 2001 das erste Land war, das abschreckende Fotos auf Zigarettenpackungen eingeführt hat.
In einem Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakgebrauchs, das 2005 in Kraft trat und inzwischen von 168 Ländern unterschrieben wurde, verpflichteten sich die Staaten zu verbindlichen Maßnahmen gegen das Rauchen. Darunter fällt auch die Kennzeichnung von Zigarettenpackungen. Die WHO empfiehlt nach kanadischem Vorbild abschreckende Fotos statt bloßer Textmahnungen.
Dieser Trend ist inzwischen auch in Europa angekommen. Am 19. Dezember 2012 hat die Europäische Kommission einen entsprechenden Vorschlag an den Rat und das Europäische Parlament geschickt. Wenn beide zustimmen, werden in absehbarer Zeit, frühestens jedoch 2015 in allen EU-Staaten Zigarettenpackungen warnende Fotos zeigen. Dies geschieht schon in einigen europäischen Ländern, aber in Deutschland gibt es noch keine derartigen Warnkombinationen.
Die Fotos sollen abschrecken und abstoßen. Sie stellen die Leiden und das Leid von Rauchern dar. Zu sehen sind Großaufnahmen von Karzinomen, wie man sie bisher allenfalls in medizinischen Fachbüchern fand. Abgebildet sind Raucherlungen, zerfallene Zähne, Operationen am offenen Brustkorb, vorzeitig alternde Haut, tote Konsumenten, fahl und eingefallen.
Sind die Fotos nur eklig oder auch wirksam?
Die ersten Erfahrungen mit der Wirkungsweise dieser Fotos hat man, in Kanada gemacht. Befragungen zeigten sechs Jahre nach der Einführung, dass 90 Prozent der Jugendlichen sich durch die Fotohinweise informiert fühlten. Gleichzeitig hätten die Schockfotos für sie die Attraktivität des Rauchens geschmälert. Eine Beobachtung, die Britta Renner, Professorin für Gesundheitspsychologie an der Universität Konstanz, bestätigt: „Jugendliche fanden es früher cool zu rauchen. Mit diesen Fotos wird das soziale Image des Rauchens torpediert. Solche Bilder finden Jugendliche ohne Zweifel uncool. Auch weil sie mittelfristig zu erwartende ästhetische Folgen wie Hautalterung nicht wollen.“
Eine gelungene Abschreckung junger Leute wäre ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Rauchfreiheit. Denn die Mehrheit der Raucher hat, wie Statistiken belegen, mit 17 oder 18 Jahren angefangen. Noch 1973 haben in Deutschland 63 Prozent der 18- bis 25-Jährigen mit dem Rauchen begonnen. 2011 waren es nur noch 36,8 Prozent. „Der Rückgang“, so Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum, „fand vor allem im letzten Jahrzehnt statt. Ganz maßgebliche Gründe waren dabei die Steuererhöhungen für Tabak, denn je teurer ein Produkt ist, desto mehr geht der Konsum zurück.“ Daneben gab es weitere Maßnahmen wie den Schutz für Passivraucher, Regelungen zu den Inhaltsstoffen, umfassende Werbeverbote für Tabak – und eben die Warntexte auf den Verpackungen.
Wen erreichen Bilder auf Zigarettenschachteln? Seit 2006 läuft eine Langzeitstudie mit australischen Schülern. Erste Ergebnisse besagen, dass diese heftigen Fotos den Jugendlichen Impulse gaben, nicht nur über die Gefahren des Rauchens nachzudenken, sondern auch darüber mit anderen zu sprechen. Ähnliche Angaben machten ehemalige Raucher. In Kanada erklärten 40 Prozent, dass ihnen die optischen Hinweise geholfen hätten aufzuhören. In Australien waren es 62 Prozent. Und 34 Prozent sahen die Mahnbilder als Hilfe an, es mit dem Aufhören wenigstens zu versuchen.
Auch die Tabakindustrie selbst scheint von der Wirksamkeit der drastischen Mahnbilder auszugehen. Jedenfalls haben ihre Vertreter gegen die neuen Gestaltungsmaßnahmen in Australien geklagt. Ohne Erfolg. Das höchste Gericht in Canberra hat die Klage Ende 2012 abgeschmettert. Seitdem sind triste schlammfarbene Einheitsverpackungen in Down Under Pflicht, auf denen großflächige Bilder mit Krebsgeschwüren und Raucherlungen zu sehen sind. „Mit diesen Fotos hat Australien neben Brasilien, Uruguay, Kanada und den skandinavischen Ländern eines der schärfsten Antitabakgesetze der Welt“, erläutert Pötschke-Langer.
Ganz so weit ist man in den Vereinigten Staaten noch nicht: Seit September 2012 hätten Zigarettenschachteln eigentlich eine Warnkombination aus Text und Foto tragen sollen, wie sie die Food and Drug Administration (FDA), die amerikanische Verbraucherschutzbehörde, vorbereitet hatte. Eine im American Journal of Preventive Medicine veröffentlichte Studie hatte belegt, dass vor allem erwachsene Raucher gut auf diese Fotohinweise zur Schädlichkeit des Rauchens reagierten. Besonders erfolgreich waren die Mahnungen bei Probanden aus bildungsfernen Unterschichten mit niedrigem Einkommen und möglichen Sprachbarrieren. Menschen also, die normalerweise besonders schwer mit Gesundheitsmaßnahmen zu erreichen sind, so James F. Thrasher von der University of South Carolina in Columbia. „Für viele sind die Bilder der Schlüssel, um die Texte zu verstehen.“
Doch die amerikanische Tabakindustrie hat die Einführung mit einer Klage gegen die FDA verzögert. Ihre Begründung: Die geplanten Fotowarnungen verstießen vehement gegen das Recht der Industrie auf freie Meinungsäußerung.
Trotzdem gibt es Bedenken
Wirken die Bilder nur für den Moment abschreckend, oder verändern sie auch tatsächlich das Verhalten? „Inwieweit Gesundheitswarnungen mit Fotos, die in über 40 Ländern bereits auf dem Markt sind, tatsächlich das Verhalten der Raucher beeinflussen und sie zum Aufhören bringen, ist anhand von Bevölkerungsdaten nur schwer festzustellen“, sagt David Hammond.
Und es ist je nach Land auch unterschiedlich. Ein Fünftel der Raucher, die in einer EU-Untersuchung befragt wurden, gaben zwar an, dass ihnen Warnungen auf den Verpackungen geholfen hätten, weniger zu rauchen oder das Rauchen ganz einzustellen. „Aber trotz der über 90 Studien, die zur Wirkung von Gesundheitswarnungen auf Verpackungen gemacht worden sind, gibt es recht wenig Forschung zu deren tatsächlicher Wirkung“, so der kanadische Experte.
Wer im Rahmen einer Studie befragt wird, erklärt angesichts dieses Fotoelends vermutlich, dass er über sein Rauchverhalten nachdenken wolle. Insgeheim aber überlegt er sich womöglich, die Fotos entweder zu ignorieren oder ganz einfach abzudecken. Martina Pötschke-Langer hält diese Strategie allerdings für wenig praktikabel: „Derartig angekündigte Abdeckungen haben schon bei den reinen Warnhinweisen nicht stattgefunden. Die meisten Menschen sind da einfach zu bequem. Und selbst, wenn sie es machen sollten, die Raucher werden trotzdem von den emotionalen Folgen eingeholt und ziehen im besten Fall den richtigen Schluss. Ein Bild sagt eben mehr als 1000 Worte.“
Britta Renner ist da skeptischer. „Die allermeisten Raucher wissen um ihr Risiko“, sagt sie. „Sie fühlen sich durch die Zigaretten gefährdet, aber es dominiert die physiologische Abhängigkeit. Ein Zug an der Zigarette wirkt schon beruhigend auf sie. Und auf diese Erfahrung wollen viele nicht verzichten.“ Die Gesundheitspsychologin glaubt deshalb nicht, dass Fotos allein helfen, Raucher vom Rauchen abzubringen.
Ein Moment des Schreckens, der Wissen vermittelt
Anders bei Nichtrauchern. „Solche Fotos können sie sicherlich davon abhalten, mit dem Rauchen anzufangen. Raucher selbst haben eine erhöhte Risikowahrnehmung, aber eine mangelnde Kompetenzwahrnehmung. Das heißt: Viele Raucher wünschen sich, damit aufzuhören. Auf der anderen Seite sind sie aber davon überzeugt, dass sie es nicht schaffen. Jedoch: Wer entschlossen ist, dem gelingt es trotz aller Schwierigkeiten. Entsprechend sind Raucherentwöhnungen konzipiert, die Schritt für Schritt vorgehen. Durch kleine Erfolge werden die ehemaligen Zweifler so irgendwann zu Nichtrauchern.“
Raucher drängen die Gesundheitsgefahren so gut wie möglich weg. Sie scheinen ihnen fern und irreal. Menschen neigen dazu, in kurzen Zeiträumen zu denken. „Wir sind nicht darauf angelegt, langfristige Konsequenzen einzubeziehen. Die Unmittelbarkeit von einem schlechten Raucheratem ist da bedeutend näher als die mittelfristig mögliche Alterung der Haut, geschweige denn die Spätfolge Lungenkrebs“, konstatiert Renner.
Hans Dam Christensen, Forschungsdekan an der Royal School of Library and Information Science in Kopenhagen, der die Wirkung der Bilder jahrelang untersucht hat, ist hingegen von deren Nutzen überzeugt. „Je schrecklicher die Fotos sind, desto besser ist ihr Effekt.“ Auch deshalb, weil gleichzeitig mit dem Moment des Schreckens Informationen über die negativen Folgen des Rauchens vermittelt würden.
So sieht es auch Martina Pötschke-Langer vom Krebsforschungszentrum. Für sie sind die Fotos in der Kombination mit Warnhinweisen ein wichtiges Instrument im Konzert der Antirauchmaßnahmen. „Dadurch wird die Wirkung verbessert. Dass diese Information länger im Gedächtnis haftet, ist belegt. Die Warnungen schrecken Jugendliche davon ab, überhaupt mit dem Rauchen anzufangen. Andere können auf diese Weise zum Rauchstopp motiviert werden. Und ehemaligen Rauchern helfen sie, Rückfälle zu vermeiden. Unter dem Strich kann man sagen, dass von den 94 weltweiten Studien, die dazu gemacht worden sind, nur drei Zweifel an der Wirkung der Fotos gehabt haben. Aus meiner Sicht sind die zu vernachlässigen.“
Bilder sollten groß und deutlich sein
David Hammond zieht als Quintessenz aus allen Studien folgenden Schluss: „Die positive Wirkung hängt von der Größe und dem Design der Fotos ab. Die besten Fotos sind solche, die möglichst viel Fläche einnehmen und damit das große Gesundheitsrisiko widerspiegeln, das Raucher eingehen.“
WHO-Empfehlungen zur Gestaltung von Warnungen auf Zigarettenpackungen:
Warnhinweise sollten groß und deutlich sicht- und lesbar sein. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass diese oben auf der Verpackungsvorderseite besser lesbar sind als unten oder auf der Rückseite.
Der Einsatz von Farbe im Gegensatz zu einer Schwarz-Weiß-Gestaltung steigert die Wahrnehmung. Dies gilt umso mehr, wenn Kontrastfarben eingesetzt werden, die den Texthintergrund hervorheben.
Die WHO empfiehlt, mehrere Serien zu entwickeln und miteinander abzuwechseln. Neue Hinweise erzielen eine erhöhte Aufmerksamkeit.
Warnhinweise sollten verschieden sein, weil Personen unterschiedlich reagieren. Neben den schädlichen Folgen des Tabakrauchs sollten sie folgende Aspekte behandeln: Beratung zur Tabakentwöhnung, Suchtgefahr von Tabak, wirtschaftliche und soziale Folgen, Auswirkungen auf nahestehende Personen (Leid der Angehörigen, Folgen des Passivrauchens).
Hinweise sind wirksamer, wenn sie den Raucher persönlich ansprechen und dabei negative emotionale Assoziationen mit dem Tabakgebrauch hervorrufen. Gerade wenn die Warnhinweise Angst wecken und zusätzlich auf Hotlines verweisen, die Hilfestellungen geben, können sie die Motivation der Konsumenten steigern, mit dem Rauchen aufzuhören.
Quelle: DKFZ Heidelberg