Siri, was stimmt mit mir nicht?

​Was wir auf Facebook, Twitter und Instagram tun, verrät eine Menge über uns. Zum Beispiel über eine heranziehende psychische Krise.

Die Illustration zeigt die Hände einer Person, die ein Smartphone in der Hand halten in Form eines Gesichtes und zu viel in Social Media ist
Algorithmen können mittlerweile geistige Krankheiten diagnostizieren. © Francesco Ciccolella

„Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern!“ Dieser Satz stammt von Konrad Adenauer, dem ersten Kanzler der Bundesrepublik. Was er sagte, stand anderntags oft in der Zeitung. Die Leute wussten also, wie er tickt, obwohl sie ihn eigentlich gar nicht kannten. Andererseits konnte man Adenauers Zitate aber auch ausschneiden, sammeln – und später gegen ihn verwenden. Dem Kanzler ging das bis­weilen auf die Nerven.

So manches hat sich seither verändert. Man braucht nun keinen Zeitungsverleger mehr, um seine…

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mehr, um seine Ideen zu veröffentlichen. Auf Facebook, Twitter, Instagram, da geht das ganz leicht und deshalb machen es auch viele. Heute sind wir sozusagen alle Adenauer. Wir schreiben, wir publizieren, wir posten. Diese Sätze und Bilder kann man aufheben und sammeln. Wir gehen über die Straßen der digitalen Welt wie über frisch gegossenen Beton. Er härtet aus; un­sere Fußspuren bleiben sichtbar für eine lange Zeit. Und vielleicht noch deutlicher als einst bei Adenauer kann jeder erkennen, wie wir ticken, obwohl man uns gar nicht kennt.

Stimmt das auch wirklich? Einen ersten Selbstversuch unternahm ich im Jahr 2014. Damals machte ein kalifornisches Startup namens Five ein großes Versprechen: Man sei in der Lage, sekundenschnell ein Charakterprofil zu erstellen – nur durch einen Blick auf das bisherige Facebookverhalten der betreffenden Person.

Drück auf „Start

Five stütze sich dabei auf die Arbeiten des US-Psychologen Andrew Schwartz. Schwartz hatte zusammen mit Forschern der Universität Cambridge Sprache, Alter, Geschlecht und Persönlichkeit von mehr als 75000 englischsprachigen Facebook-Nutzern analysiert. Die Wortwahl, so behauptete er, sei besonders verräterisch. Frauen erkenne man etwa an den Begriffen „Shopping“, „aufgeregt“ und „love you“, Männer dagegen an „Weltmeisterschaft“, „YouTube“ und „Fuck“. Jugendliche schrieben gerne „ich“, „genervt“ und „Scheiße“ – Erwachsene hielten es eher mit „wir“, „dankbar“ und „Familie“. Extrovertierte Nutzer erzählten von „Party“ und „Wochenende“, Introvertierte von „Computer“, „Internet“ und „Pokemon“.

Das klang abgefahren, die App war kostenlos, die Macher von Five gelobten, entsprechende Daten nicht zu speichern, sie wollten vielmehr davor warnen, wie viel wir durch unsere scheinbar harmlosen Likes und Klicks von uns preisgaben. Sie gehörten vermutlich zu den Guten – also drückte ich beherzt auf „Start“.

Die App Five gibt es längst nicht mehr. Die durch sie gelieferte Auswertung lagert hingegen noch immer auf meiner Fest­platte. Sie liegt in vielen Teilen himmelweit daneben. Schlimmstes Beispiel ist die Persönlichkeitsdimension „Verträglichkeit“: Auf einer 100er-Skala tippte Five auf eine dürre 15 – mein tatsächlicher Wert liegt jedoch bei etwa 60, wie ich aus echten, wissenschaftlich erprobten Tests weiß. Laut diesen Tests bin ich ein überdurchschnittlich geselliger, durchaus freundlicher Mensch. Five jedoch sah in mir eher einen griesgrämigen Stinkstiefel. Auch in Sachen Ordentlichkeit und Schüchternheit wirkten die rückgemeldeten Werte, als habe man sie bei Five einfach ausgewürfelt. Immerhin: Bei „Offenheit für neue Erfahrungen“ (sehr hoch) und der „emotionalen Stabilität“ (durchschnittlich) hatte das Programm ins Schwarze getroffen. Waren diese Treffer reiner Zufall? Schwer zu sagen.

„Besser als der eigene Ehepartner“

Im November 2016 – zweieinhalb Jahre nach meinem Five-Experiment – gewann Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl. Wie sich bald zeigte, hatte ihm eine Firma namens Cambridge Analytica dabei Hilfestellung gegeben. Nach eigenen Angaben hatte man dort – im Stile von Andrew Schwartz und vermutlich auch mithilfe seiner Daten – die Persönlichkeiten von Millionen von Wählern ermittelt und diesen Menschen dann speziell auf sie zugeschnittene Propaganda zugespielt. Smartphone und Laptop, so die Botschaft der Anbieter, seien die neuen Fenster zur Seele. Unter anderem dies habe Donald Trump ins Weiße Haus gebracht.

Ob die Geschichte genau so stimmt, ist zwar bislang ungeklärt, wissenschaftliche Studien zeigen jedoch zweierlei. Erstens: Unsere Persönlichkeit lässt sich aus unserem Social-Media-Verhalten heute deutlich genauer ableiten als noch vor einigen Jahren – einige Forscher behaupten, das besser zu können „als der jeweilige Ehepartner“. Nur 300 Facebook-Klicks würden dafür genügen. Klicks scheinen, wenn man den Studien glaubt, aussagekräftiger zu sein als das Vokabular, das wir in unseren Beiträgen und Kommentaren verwenden. Wenn es um unsere Persönlichkeit geht, dann sagen Taten in der digitalen Welt offenbar mehr als Worte.

Zweitens: Onlinewerbung verführt uns deutlich stärker, wenn man sie auf unser Persönlichkeitsprofil abstimmt. Man zeigt einem eher introvertierten Nutzer eine andere Reklame als einem extravertierten – schon diese eher schlichte Unterscheidung verdoppelt die Wirkung, wie jüngst eine Studie der deutschen Psychologin Sandra Matz von der Columbia University und ihrer Kollegen zeigte. Persönlichkeitsforschung per Social Media ist – zumindest theoretisch – eine Goldgrube für Werber, Wirtschaft und Stimmenfänger.

Signale der Depression

Nach der Trump-Wahl sprach jedenfalls die ganze Welt über Cambridge Analytica. Die Firma wurde unter dem Druck der Öffentlichkeit aufgelöst. Die EU erließ strengere Datenschutzgesetze. Facebook änderte seine Regeln. Viele Nutzer posten heute im „Privat“-Modus: Likes und Kommentare sind dann nicht mehr öffentlich – nur noch die eigenen Freunde können sehen, was man postet. Insgesamt haben es viele Datensammler heute nicht mehr ganz so leicht, heimlich Informationen über unsere Persönlichkeit abzugreifen.

In den vergangenen Jahren hat sich parallel zu der Big-Data-Persönlichkeitsforschung ein weiteres Feld etabliert. Dort fahnden die Wissenschaftler nicht nach unserem Charakter, sondern nach Hinweisen auf psychische Erkrankungen, etwa nach den digitalen Spuren von Depression oder posttraumatischem Stress, von Essstörungen, Schizophrenie oder Selbstmordgefährdung. Wäre es nicht segensreich, diese Zeichen entziffern und therapeutisch nutzen zu können?

Mit diesen Fragen befasst sich Munmun De Choudhury vom Georgia Institute of Technology in Atlanta. Wie so oft in der Wissenschaft begann auch ihre Forschung mit einem großen Zufall: Eigentlich wollte die aus Indien stammende Informatikerin nur herausfinden, wie sich das Twitterverhalten von Frauen ändert, die gerade ein Baby bekommen haben. Sie erwartete ein Feuerwerk der Freude, in Worte geronnene Euphorie, Mutterglück zum Nachlesen. „Doch bei etwa einem Fünftel der Frauen sahen die Daten vollkommen anders aus“, sagt Munmun De Choudhury im Gespräch mit Psychologie Heute.

Zufallstreffer?

Was sie da entdeckt hatte, war eine Fährte der Wochenbettdepression. Sie sammelte weitere Daten – und erstellte durch computergestützte Sprachanalysen so etwas wie ein Vorhersagewerkzeug. Das Ergebnis war eine Sensation: Munmun De Choudhury konnte Anzeichen für die postnatale Depression in den Twitter- und Facebook­nachrichten ihrer Studienteilnehmerinnen schon Monate vor der Niederkunft nachweisen. Und das mit einer Treffergenauigkeit von immerhin 70 Prozent.

Wiederum stellt sich die Frage: War der Befund nur ein Zufallstreffer? Munmun De Choudhury wollte es genau wissen. Sie unternahm ähnliche Versuche mit anderen psychischen Krankheiten und auf anderen sozialen Plattformen. Bis heute hat sie mit dieser Methode eine ganze Liste wissenschaftlicher Studien publiziert. Oft geht sie dabei so vor: Zunächst sucht sie nach Freiwilligen, die bereit sind, ihre Social-Media-Daten zur Verfügung zu stellen. Einige davon leiden an einer bestimmten psychischen Krankheit, andere nicht. Danach füttert Munmun De Choudhury ihren Computer mit einem Ausschnitt der gesammelten Daten und lässt das Programm gezielt nach bestimmten Sprachmerkmalen suchen.

So hat man zum Beispiel herausgefunden, dass sich Schizophreniekranke kurz vor einem Rückfall auf einmal häufiger unflätiger Ausdrücke bedienen, dass sie vermehrt über Wut sprechen und über Themen, die mit Tod und Sterben zu tun haben. Umgekehrt sprechen sie in diesen Phasen signifikant seltener als andere Nutzer über ihre Arbeit, über Freunde oder über ihre Gesundheit.

90% Trefferquote

„Die Sprache ist ein unglaublich wertvolles Signal“, sagt Munmun De Choudhury. „Das sehen wir wieder und wieder. Einzelne Wörter verraten eine Menge. Aber auch Wortfolgen, die Art, wie wir Sätze aufbauen.“ Personalpronomen scheinen dabei eine besonders ergiebige Quelle zu sein. So ist der Gebrauch von „ich“, „mir“, „mein“, „mich“ für die Forscherin ein Warnsignal. „Vereinfacht gesagt: Wenn jemand sehr häufig die erste Person Singular gebraucht, dann kann das darauf hinweisen, dass diese Person eben sehr viel über sich selbst nachdenkt, dass diese Person von ihrem sozialen Umfeld stärker getrennt lebt als jemand, der häufig in der zweiten und dritten Person redet.“

Nachdem solche Sprachmarker ermittelt und programmiert sind, folgt die Nagelprobe: Munmun De Choudhury zeigt ihrem Computerprogramm ein Nutzerprofil und fragt: Ist dieser Mensch an Schizophrenie erkrankt oder nicht? Die Forscherin kennt die Lösung, der Computer aber nicht. Wie oft wird er die richtige Antwort liefern? Lagen die Trefferquoten anfangs noch bei 70 Prozent, so sind es inzwischen um die 90 Prozent. Die Algorithmen scheinen die Signale unserer Psyche sogar manchmal besser lesen zu können als wir selbst. De Choudhury behauptet: Ihr Modell entdeckt im Social-Media-Verhalten Hinweise auf eine klinische Depression schon ein komplettes Jahr, ehe Patienten sich erstmals professionelle Hilfe suchen.

Ist die Trauer blau?

Nicht nur für die Texte, die wir im Netz hinterlassen, interessieren sich die Forscher, sondern auch für die Fotos, die wir etwa auf Instagram hochladen. Kann die Sättigung, die Helligkeit oder der Farbton der Bilder Hinweise auf psychische Probleme geben? Forscher aus Harvard und von der University of Vermont stellten in einer – allerdings kleinen – Studie fest: Die Bilder depressiver Nutzer seien blauer, dunkler und mit mehr Grautönen durchsetzt als andere. Anhand solcher Merkmale könne der Algorithmus eine Depression „genauer als ein Hausarzt“ ermitteln – wobei die Erfolgsmeldung dadurch relativiert wird, dass Hausärzte mit einer Trefferquote von nur 42 Prozent ziemlich schlecht im Erkennen von Depressionen sind.

Andere Forscher nutzen die Bewegungs­daten, die unser Smartphone liefert. Wie sehr variieren die Orte, die ein Mensch aufsucht? Bleibt er viel im Haus? Was verraten die Daten über Schlafgewohnheiten? Kommt der ehemalige Frühaufsteher auf einmal morgens nicht aus dem Bett? Angeblich lässt sich mit dieser Methode eine Depression zehn Wochen im Voraus erahnen.

Selbst eine Sucht hinterlässt digitale Spuren. In einer aktuellen Studie untersuchten Forscher dazu die Bilder und Texte auf mehr als 2000 Instagram-Accounts. Parallel bat man die Nutzer, ausführliche Fragebögen zu Alkohol- und Drogenkonsum auszufüllen. Dann verwendeten die Wissenschaftler eine Form der künstlichen Intelligenz, die man als deep learning bezeichnet. Das heißt: Man füttert ein neuronales Netzwerk mit allen möglichen Daten, ohne dem Computer zu sagen, worauf er achten soll. Man lässt ihn die Zusammenhänge selbst ausknobeln. Alles, was man von ihm wissen will, ist: „Wenn ich dir jetzt neue Profile liefere – kannst du mir verraten, welche Person trinkt und welche nicht?“ In diesem Verfahren konnte die künstliche Intelligenz Alkoholiker und Nichtalkoholiker mit immerhin fast 70-prozentiger Trefferquote unterscheiden.

Den digitalen Fußabdruck nutzen

Doch wozu soll all diese Forschung gut sein, wenn nicht wieder zu Werbung und politischer Propaganda? Für Munmun De Choudhury manifestieren die Social-Media-Daten eine Art „Gedankenstrom“ der Patienten. Längst arbeitet sie mit psychiatrischen Einrichtungen zusammen. Sie träumt davon, ihre Studien für zwei Ziele nutzbar zu machen: für eine genauere und schnellere Diagnose – und für eine wirksamere Therapie. „Der Arzt sieht die Patienten ja oft nur für zehn Minuten in seiner Sprechstunde. Mit unseren Erkenntnissen könnten die Mediziner besser wissen, wonach sie suchen sollten. Sie könnten zum Beispiel sagen: Ich teste den Patienten speziell in Richtung Depression oder Persönlichkeitsstörung.“

Für die Therapie arbeiten Munmun De Choudhury und ihre Kollegen derzeit an einer Art „digitalem Armaturenbrett“, also an einer Anzeige, wie man sie aus dem Auto kennt – mit Tacho, Drehzahlmesser, Ölstand und Tankanzeige. Die Vision: Therapeuten könnten in Echtzeit sehen, wie es ihren Patienten gerade geht. Erleben sie gerade ein emotionales Tief? Besteht akute Selbstmordgefahr? Droht ein Rückfall – etwa bei einer Psychose? „Arzt und Patient würden diese Anzeige gemeinsam einsehen und könnten in der Therapie darüber reden. Der Arzt könnte sagen: Ich sehe anhand deiner Facebook-Posts, dass du dich in der vergangenen Woche sehr hoffnungslos gefühlt hast. Was genau war da los?“, sagt De Choudhury.

„Für viele psychische Krankheiten gibt es ja keine objektiven körperlichen Marker. Man kann nicht einfach den Blutzuckerspiegel messen und sagen: Aha, das ist eine Depression!“ Ihre computergestützten Daten könnten genau diese Lücke schließen – und konkretere Hinweise auf eine Krankheit liefern, als das bisher möglich ist. Auch der Faktor Zeit ist dabei wichtig: Viele psychische Krankheiten lassen sich umso besser und erfolgreicher behandeln, je früher man therapeutisch eingreift. Jede gewonnene Woche kann das Leiden verringern. Die hohe Vorhersagekraft neuer Algorithmen könnte, so die Hoffnung, das Leben vieler Menschen zum Besseren wenden.

Was weiß Facebook über mich?

Ich möchte einen neuen Selbstversuch wagen: Könnten die Algorithmen auch mich durchleuchten? Munmun De Choudhury schüttelt den Kopf. Auf solche Spielereien wolle sie sich lieber nicht einlassen. Seit Cambridge Analytica sorgen sich manche Wissenschaftler, dass Presseberichte – auch über wohlmeinende Forschung – einen falschen Zungenschlag bekommen könnten. Und noch etwas anderes könnte eine Rolle spielen: Fast alle derzeit gebräuchlichen Algorithmen wurden allein in englischer Sprache getestet. „Im Prinzip würde es auch auf Deutsch funktionieren“, sagt Munmun De Choudhury. Aber dafür müsste man den Computer eben noch gezielt und aufwendig trainieren.

Wie wichtig solch ein Training ist, zeigt eine von der Universität Cambridge betriebene Seite namens Apply Magic Sauce. „Finde heraus, was dein digitaler Fußabdruck über dein psychologisches Profil verrät“, heißt es dort. Man füttert die Seite mit einem selbstgeschriebenen Text oder diversen Facebookdaten – und bekommt danach sein Persönlichkeitsprofil. Auf Englisch funktioniert das, so hört man aus Cambridge, ganz hervorragend. Wenn man allerdings so wie ich stets nur auf Deutsch gepostet hat, sind die Ergebnisse jedoch kaum mehr als ein schlechter Scherz. Apply Magic Sauce vermutet hinter mir (einem sehr extravertierten 50-jährigen Mann) eine überaus introvertierte Frau von Anfang 20. Big Brother mag zuhören. Aber seine Deutschkenntnisse sind bislang eher mangelhaft.

Doch kann es sein, dass Firmen wie Twitter oder Facebook längst viel mehr über uns wissen als die gesamte akademische Forschung? Munmun De Choudhury zögert. „Darauf gibt es zwei Antworten. Die eine lautet: Ja, die Facebooks dieser Welt könnten im Prinzip viel mehr über uns wissen als jeder externe Wissenschaftler.“ Schließlich stünden den Technologieunternehmen irrwitzige Datenmengen zur Verfügung.

Kaum Profit aus Depression

Auch die hauseigenen Forschungsabteilungen wären groß genug, um derlei Untersuchungen zu stemmen. „Doch die andere Frage ist, wie viel davon dann auch tatsächlich gemacht wird“, sagt Munmun De Choudhury. Das einzig ihr bekannte Beispiel: Facebook investiere seit einigen Jahren in die Suizidprävention. „Ansonsten habe ich von keinem anderen Projekt gehört“, sagt die Forscherin.

Woran das liegt? Zum einen daran, dass psychische Krankheiten „eine knifflige Angelegenheit“ seien. „Die Leute bei Face­book sind keine Psychiater. Selbst wenn sie mit ihren Algorithmen ernste Suizidgedanken aufspüren – sie selbst können kaum etwas für die Prävention unternehmen. Gleichzeitig wird man sie aber sehr schnell dafür verantwortlich machen, wenn da etwas schiefgeht.

Das ist eine Verantwortung, die Facebook und andere Firmen bislang noch scheuen.“ Noch etwas anderes kommt hinzu: Mit Suizid, Depression und Schizophrenie lässt sich als Technologieunternehmen kaum Profit machen. Warum sollte man also Ressourcen in diese Dinge investieren?

Bei anderen Branchen sieht die Sache allerdings anders aus. Es gibt durchaus Firmen, die sich brennend für das Wissen der Forscher interessieren. „Als wir mit unserer Arbeit begonnen haben, ist sehr schnell eine große Versicherungsgesellschaft an uns herangetreten und wollte mit uns zusammenarbeiten. Wir haben natürlich abgelehnt.“

Literatur (Website)

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 7/2020: Persönlichkeit: Histrionisch