Ängste überwinden

Drei Bücher unterstützen dabei, sich von Ängsten zu befreien – oder besser mit ihnen leben zu lernen

Gefühle von Angst und Panik waren seit Kriegsende wohl kaum je kollektiv so präsent wie in den zurückliegenden 20 Monaten: Covid-19 hat verschüttete Ängste hochgespült und neue geweckt. Und die Angst wird uns weiter begleiten, weil nicht nur das Virus, sondern mit ihm auch das Bewusstsein unserer elementaren Verwundbarkeit überdauern wird.

Bücher, die von Angst gequälte Menschen dabei unterstützen, ihre Ängste zu bewältigen beziehungsweise besser damit leben zu können, kommen also genau richtig. Dabei thematisieren die im Folgenden vorgestellten Bücher unterschiedliche Störungen: Martina Fischer-Klepschs Selbsthilfebuch wendet sich an Menschen mit sozialen Angststörungen, Dietmar Hansch formuliert ein Unterstützungsprogramm für von Panik und Platzangst Betroffene, und Daniel Voigts Thema sind Ängste, Panik und Sorgen allgemein.

Zwar ist das letztgenannte Lehr- und Arbeitsbuch des Diplompsychologen Voigt ausdrücklich an Kollegen adressiert, wenn er den systemischen Blick auf Angststörungen umreißt, die Konzepte anderer psychotherapeutischer Schulen vorstellt, die für die systemische Arbeit produktiv sind, und neurobiologisch erklärt, was bei Angst in Kopf und Körper geschieht.

Ressourcen im Mittelpunkt

Doch es gelingt dem Autor, die komplexen Inhalte einerseits streng forschungsbasiert und zugleich anschaulich, behutsam, geradezu bescheiden zu präsentieren. Laien, die Fachtermini und die gelegentlich kompakten Literaturreferate nicht fürchten, sei das Buch daher ausdrücklich empfohlen. Zumal der ausgiebige Praxisteil, der fast die Hälfte des Buches einnimmt, eine Fundgrube an Tipps ist, wie wir auch alltäglichen Ängsten und Panik­erfahrungen begegnen können.

Voigts Fokussierung auf die Ressourcen und Kompetenzen der Patientinnen und Patienten korrespondiert mit der Haltung der beiden weiteren Werke von Martina Fischer-Klepsch und Dietmar Hansch. Gemeinsam ist den drei Büchern zudem der grundsätzliche Ansatz, dass es bei Angststörungen nicht darum geht, diese zu vertreiben oder zu tilgen, sondern dass die Betroffenen lernen, die Mechanismen zu erkennen, durch die sie selbst ihre Ängste befeuern, und diese Dynamik zu korrigieren.

Veränderung von Fehlinterpretationen

Wie solche Teufelskreise durchbrochen werden können, ist eine zentrale Problemstellung bei Dietmar Hansch. Der Autor mehrerer Sachbücher zum Themenbereich Angst bietet eine kundige Beschreibung und Herleitung von Panik und Platzangst und erläutert verschiedene Bewältigungsmethoden, die sich in wissenschaftlichen Studien als hilfreich erwiesen haben. Auch ihm geht es primär darum, Verhaltensweisen und Interpretationen, die die Angst verstärken, zu entkräften – etwa durch eine Korrektur von Denkfehlern und Vorstellungen wie: „Es wird Schreck­liches geschehen, wenn …“

Hansch erläutert mögliche Selbsthilfeschritte und vermittelt nachdrücklich: Sie können es schaffen! Nicht zuletzt weil viele Befürchtungen und Katastrophen nur Kopfgeburten sind. Der forsch-ermutigende Gestus des Autors verlangt allerdings Humor und Selbstdistanz sowie die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Wer auf dieser Basis Dietmar Hanschs Ausführungen zu den verschiedenen Symptomen und Dynamiken folgt, die Behandlungstipps anwendet und sich von den eingängigen Beispielen und Zitaten inspirieren lässt, wird wichtige Erfahrungen sammeln.

Konfrontation mit Angstauslösern aushalten lernen

Eine der von Hansch vorgestellten Übungen, die sogenannte „Exposition“ – das heißt, sich bewusst den angstmachenden Situationen auszusetzen –, ist auch bei Martina Fischer-Klepsch zentral. Die erfahrene Therapeutin wendet sich an Menschen mit sozialen Phobien. Diese betreffen – im Gegensatz zu vielen anderen Angststörungen, unter denen Frauen zwei- bis dreimal häufiger leiden als Männer – beide Geschlechter nahezu gleich.

Das Buch ist wie eine Art Therapie aufgebaut: Fischer-Klepsch begleitet die Lesenden als fiktive Klientinnen und Klienten durch ihr detailgenau erläutertes Übungsprogramm, in der Sache präzis und zugleich ausgesprochen fürsorglich.

Wichtige Botschaften

Das Spektrum der Symptome reicht von bloßer sozialer Schüchternheit über (punktuelle) soziale Phobien bis hin zu einer strukturellen Persönlichkeitsstörung. Schon in deren Erläuterung werden die hilfesuchenden Leserinnen und Leser aufgerufen, die eigene Erfahrung selbst einzuordnen, ihre Hintergründe zu beleuchten und neben den Denkfehlern auch das eigene Vermeidungsverhalten zu identifizieren.

Nicht zuletzt weil bei sozialen Ängsten ebenso wie bei Panikstörungen der Verlust von Selbstwertgefühl und eine zunehmende Lebenseinengung den Leidensdruck erhöhen. Auch hier geht es also darum, die vertrauten, angstverstärkenden Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen durch beharrliches Üben zu entmachten. Nicht kämpfend, sondern geduldig und mit steter Selbstakzeptanz.

Es wäre zu wünschen, dass solche grundlegenden Botschaften viele Menschen erreichen. Damit die Angst der Einzelnen sich nicht ein Ventil sucht in gemeinschaftlich-lautem Hass, der seinerseits gesellschaftliche Konflikte erzeugt, bei denen einem wirklich angst und bange werden kann.

Literatur

Martina Fischer-Klepsch: Soziale Phobie – die heimliche Angst. Selbsthilfeprogramm mit Übungen. Junfermann, Paderborn 2021. 239 S., € 26,–

Dietmar Hansch: Panik & Platzangst selbst bewältigen. Das Praxisbuch. Knaur, München 2021, 264 S., € 18,

Daniel Voigt: Ängste, Panik, Sorgen. Carl Auer, Heidelberg 2021. 239 S., € 39,95

Berichtigung:

In der Doppelrezension zum Thema Verschickungskinder in Heft 8/2021 ist uns bedauerlicherweise ein Fehler unterlaufen: Die „neun sehr erhellenden Ursachenstränge“ hat Anja Röhl in ihrem Buch Das Elend der Verschickungskinder entwickelt, nicht Hilke Lorenz, wie im Text behauptet wurde.

Artikel zum Thema
Leben
Schüchtern zu sein wird zunehmend pathologisiert. Warum? Wann führt es tatsächlich zu Leid – und was lässt sich dagegen tun?
Gesundheit
In der Interview-Reihe „Sagen Sie mal“ äußert sich Hans Morschitzky zu Phobien, Angst und Furcht. In seinem Buch beschreibt er ein Selbsthilfeprogramm.
Beziehung
Auch bindungsängstliche Menschen gehen feste Partnerschaften ein. Eine Studie fand heraus, was es braucht, damit diese gelingen kann.
Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 10/2021: Zeit finden
Anzeige
Psychologie Heute Compact 76: Menschen lesen