Würde Frau S. den Mund aufmachen? Das war die entscheidende Frage. Wenn sie den Mund aufmachen würde, dann könnte alles gut werden. Tat sie es nicht, gab es in der Behandlung kein Fortkommen, dann war ihr nicht zu helfen. Und sie brauchte doch Hilfe.
Als ich noch in meiner Ausbildung war, hörte ich einmal den Vortrag eines renommierten Kollegen an, der von einer Therapie berichtete, in der über viele Sitzungen hinweg kein einziges Wort gefallen war. Patient und Therapeut hatten sich 50 Minuten lang angeschwiegen. Ich kann mich noch an meine damaligen Gedanken erinnern: Würde ich die Geduld für ein solches Vorgehen aufbringen? Und war das wirklich hilfreich für die Patientinnen und Patienten?
Und jetzt saß Frau S. vor mir und ihr Mund war ein schmaler Strich aus fest zusammengekniffenen Lippen. Sie zeigte nicht das geringste Anzeichen einer Bereitschaft, daran etwas zu ändern. Allerdings befanden wir uns nicht im Therapieraum meiner Praxis, sondern im Behandlungszimmer eines Zahnarztes. Frau S. war seit vielen Jahren nicht beim Zahnarzt gewesen, ihr Gebiss war in einem desolaten Zustand und sie hatte schier unerträgliche Zahnschmerzen. Frau S. musste den Mund aufmachen, damit der Zahnarzt seine Arbeit tun konnte, und meine Aufgabe war, sie darin zu unterstützen, sich trotz der Panik, die ihr jetzt ins Gesicht geschrieben stand, behandeln zu lassen.
Angst vor allem
In den Therapiesitzungen, die diesem gemeinsamen Zahnarztbesuch vorausgegangen waren, hatte Frau S. durchaus den Mund aufgemacht, auch wenn sie oft die Hand davorgehalten hatte, um das, was von ihren Zähnen übrig war, zu verbergen. Sie hatte den Mund aufgemacht und…
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