Meine Brücke in die Zukunft

Haben Sie heute schon geplant? Tun sie es! Denn Planen ist nicht bloß zweckdienlich. Es entlastet die Psyche.

Die Illustration zeigt einen Mann mit Brückenpfeilern im Kopf, die sich zu einer Brücke in die Zukunft aus seinem Kopf herausformen
Indem wir beim Planen eine Brücke in die Zukunft bauen, können wir die Gegenwart sorgenfrei genießen. © Jens Bonnke

Wer die Kunst des Planens versteht, so versprechen einschlägige Ratgeber, wird seine Zeit effektiver nutzen und Ziele schneller erreichen. Viele Menschen machen sich Pläne in dieser Hinsicht zunutze. Ein Student mag eine detaillierte Übersicht über die noch zu wiederholenden Themen entwerfen, um zum Examenstermin optimal vorbereitet zu sein. Eine IT-Entwicklerin legt die Schritte fest, die notwendig sind, bevor die neue Software einsatzbereit sein wird. Und ein Pensionär, der in eine Seniorenwohnanlage…

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Pensionär, der in eine Seniorenwohnanlage umziehen will, schreibt eine Liste von Aufgaben nieder, die er bis zum Umzug noch erledigen muss.

Ohne Zweifel helfen uns Pläne dabei, produktiver zu sein. Doch wer sie allein unter Effizienzgesichtspunkten betrachtet, übersieht, wie förderlich sie für das Wohlbefinden sind. Eine Reihe teils sehr umfangreicher empirischer Untersuchungen aus verschiedenen Ländern belegt, wie gut das Plänemachen unserer Psyche tut: Es wirkt stimmungsaufhellend, vertreibt Ängste und reduziert das Gefühl, gestresst zu sein. Pläne zu machen ist so wirkungsvoll, dass es sogar Menschen, die Symptome einer Depression zeigen, in einen helleren Gemütszustand führen kann.

Diese Studien sind Ausdruck eines neuen Forschungstrends in der Psychologie, bei dem das menschliche Zukunftsdenken im Fokus steht. ­Bislang, so die beteiligten Wissenschaftler, habe sich die Psychologie vor allem mit Vergangenheit und Gegenwart befasst, etwa mit Erinnerungen und Sinneswahrnehmungen. Aber gerade die Fähigkeit, vorausschauend zu denken, sei in der Menschheitsgeschichte außerordentlich wichtig gewesen und habe die Evolution des Homo sapiens vorangetrieben.

Homo prospectus

Martin Seligman von der University of Pennsylvania sieht in der Fähigkeit zum Zukunftsdenken sogar das zentrale Merkmal des Menschen. Der Blick auf das Morgen sei so charakteristisch für unsere Spezies, dass man sie am besten von Homo sapiens in Homo prospectus umbenennen sollte, schreibt er.

Auch Andrew MacLeod, Professor an der University of London und Autor des Buches Prospection, Well-Being, and Mental Health, sieht den Menschen als von Natur aus zukunftsorientiert. Er räumt ein, dass die Auseinandersetzung mit Gegenwart und Vergangenheit für uns ebenfalls wichtig sei. „Aber viel von dem, was uns beschäftigt“, erläutert er im Gespräch mit Psychologie Heute, „hat mit Dingen zu tun, die in die Zukunft reichen.“

Nun nehmen Gedanken über die Zukunft in ganz unterschiedlicher Gestalt von uns Besitz – und keineswegs alle von ihnen sind dem Wohlbefinden förderlich. Ständiges Grübeln über zukünftige Ereignisse beispielsweise kann zu mangelnder Konzentration, Nervosität und Angespanntheit führen und die Lebensfreude empfindlich hemmen (siehe Heft 10/2017: Schluss mit dem Dauergrübeln!). Auf der anderen Seite können uns positive Fantasien darüber, dass sich Träume bald schon irgendwie erfüllen werden, vor lauter Zuversicht so handlungsfaul machen, dass wir es versäumen, unsere Wünsche auch tatsächlich in der Realität zu verfolgen (siehe Heft 9/2015: Träume machen träge). Pläne zu machen dagegen setzt eine positive Dynamik in Gang.

Die Zukunft unter Kontrolle

Zu planen sei ohne Zweifel eine der förderlichsten Arten des Zukunftsdenkens, betont der amerikanische Psychologe Roy Baumeister gegenüber Psychologie Heute, denn es bereite uns darauf vor, was wir tun müssen, um unsere Ziele zu erreichen. „Ein gutes Leben zu führen“, so Baumeister, „ist viel einfacher, wenn man ein Portfolio von Plänen hat. Und in der Tat wissen wir, dass Personen, die nicht mehr so viele Pläne machen, beispielsweise alte und depressive Menschen, einen großen Teil der Kontrolle darüber verlieren, wie sich ihr Leben gestaltet.“

In den letzten Jahren hat Baumeister, der zurzeit an der University of Queensland im australischen Brisbane lehrt, unter dem Stichwort pragmatisches Zukunftsdenken verschiedene Aspekte des Plänemachens erforscht. In einer Studie von 2015 untersuchte er zusammen mit Kollegen den Zeitbezug von Gedanken, die sich Menschen im Laufe des Tages so machen. Dazu stattete das Forscherteam rund 500 Versuchsteilnehmer in Chicago mit Handys aus, die sie drei Tage lang mit sich herumtrugen. Wenn das Gerät einen bestimmten Ton von sich gab, was an sechs zufälligen Zeitpunkten pro Tag passierte, sollten sich die Teilnehmer vergegenwärtigen, was sie gerade dachten, und einige Fragen dazu beantworten. (Sie waren dabei recht diszipliniert, mussten aber auch manchmal passen, etwa weil jemand gerade in einer Besprechung mit dem Chef saß oder nicht recht einsah, für die Forschung sein Liebesspiel zu unterbrechen.)

Die akribische Datensammlung lieferte Baumeister und seinem Team eine Reihe aufschlussreicher Erkenntnisse über die Gedankenwelt von Menschen. Erstens: Das Denken kreist viel mehr um die Zukunft als um die Vergangenheit. Zwar waren in der Studie gegenwartsbezogene Gedanken am zahlreichsten. Doch dann folgte die Zukunft – mit deutlichem Vorsprung vor der Vergangenheit. Die Teilnehmer dachten dreimal häufiger über kommende Ereignisse nach als über zurückliegende. Zweitens: Ein Großteil des zukunftsorientierten Denkens, 75 Prozent, beinhaltete Planung. 47 Prozent der Zukunftsgedanken umfassten Hoffnungen und nur 22 Prozent Sorgen (Mehrfachnennungen waren möglich).

Planen macht glücklich

Am wichtigsten aber war die dritte Erkenntnis: Zu planen scheint sich gut anzufühlen. Wenn die Gedanken der Teilnehmer um Pläne kreisten, verspürten sie stärkere Glücksgefühle als bei anderen Arten von Zukunftsgedanken. Gleichzeitig traten negative Emotionen wie Angst, Ärger und Enttäuschung in den Hintergrund. Auch fühlten sich die Teilnehmer während des Planens weniger gestresst, als wenn ihnen andere Arten von Gedanken im Kopf herumgingen. Mehr noch: Während sie planten, empfanden sie auch eher ein Gefühl von Sinnhaftigkeit. „Gedanken, die sich ums Plänemachen drehen“, so Baumeister, „werden sowohl im Vergleich zu anderen zukunftsorientierten Gedanken als auch im Vergleich zum Denken über Gegenwart und Vergangenheit als viel bedeutungsvoller angesehen.“

Dass Planen der Psyche guttut, wurde inzwischen vielfach bestätigt. In einer 2001 veröffentlichten Studie werteten Kimberly Prenda und Margie Lachman von der Brandeis University Daten einer Befragung von rund 3000 Amerikanern im Alter zwischen 25 und 75 Jahren aus. Die Teilnehmer gaben an, inwieweit Aussagen wie „Ich mache gerne Pläne für die Zukunft“ oder „Ich gehe einen Tag nach dem anderen an“ auf sie zutrafen. Es zeigte sich, dass planungsfreudige Befragte zufriedener mit ihrem Leben waren als die anderen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der European Social Survey, eine große fortlaufende Studie. In der Erhebungsrunde von 2006 wurden dabei mehr als 42 000 Teilnehmer in 25 Ländern auch zum Thema Lebensplanung und Wohlbefinden befragt. Das unzweideutige Ergebnis: Eine positive Einstellung zum Planen geht mit einer höheren Lebenszufriedenheit einher.

Aber ist es wirklich so, dass Planen zu mehr Zufriedenheit führt? Könnte es nicht auch andersherum sein, nämlich dass glückliche Menschen mehr planen? Im Prinzip ja. Doch eine Interventionsstudie, die Andrew MacLeod und zwei Kolleginnen vor einigen Jahren durchführten, lässt eine eindeutige Aussage zu Ursache und Wirkung zu. Dabei durchliefen 29 Männer und Frauen ein Zielsetzungs- und Planungstraining: In drei wöchentlichen Gruppensitzungen lernten sie, sich sinnvolle Ziele zu setzen, Schritte dorthin festzulegen und diese umzusetzen. Eine Kontrollgruppe von 35 Personen erhielt keine solche Schulung. Das Ergebnis: Bei den Teilnehmern der Zielsetzungs- und Planungsgruppe waren positive Emotionen und Lebenszufriedenheit nach drei Wochen messbar gestiegen, während sich bei der Kontrollgruppe keine Veränderungen zeigten.

Pläne können sogar Depressionen mildern, wie eine 2012 veröffentlichte Studie von MacLeod und der Psychologin Helen Coote belegt. Mitgliedern einer Selbsthilfeorganisation für Depressionen, die über fünf Wochen ein Zielsetzungs- und Planungshandbuch durcharbeiteten, ging es danach messbar besser: Sie hatten weniger depressive Symptome, fühlten sich positiver gestimmt und waren zufriedener mit ihrem Leben. In einer Kontrollgruppe, die darauf wartete, an der Schulung teilzunehmen, blieben die Symptome dagegen unverändert.

Wohltuender Wegweiser

Was genau macht einen Plan so wohltuend für die Seele? Zu planen ist, wie eine Brücke in die Zukunft zu bauen, erklärt MacLeod: „Es erlaubt einem, den Weg vom jetzigen Standort zu einem Punkt in der Zukunft zu sehen.“ Sein Kollege Baumeister formuliert das ähnlich und vergleicht einen Plan mit einer Karte, „die einem zeigt, wie man dahin kommt, wo man hinkommen will“. Pläne sind also eine Art Wegweiser, und dies hat mehrere positive Effekte.

Ordnung und Sicherheit: Pläne geben eine Struktur und Handlungsschritte vor und verwandeln so, was zunächst wie Chaos aussieht, in ein geordnetes Ganzes. „Wenn Leute mit etwas Probleme haben und sich Sorgen machen, es aber schaffen, zu dieser Sache Pläne zu machen, dann scheint sie das zu beruhigen und ihre Stressgefühle zu mildern“, erläutert Baumeister. „Ängste resultieren oft aus einem Gefühl der Ungewissheit, und Pläne tragen dazu bei, Unwägbarkeiten zu reduzieren.“ In der Tat zeigt die Studie von Prenda und Lachman, dass zu planen mit einem Gefühl von Kontrolle einhergeht.

Engagement und Sinngefühl: Ziele anzustreben und Pläne zu machen bringt einen dazu, täglich aktiv, engagiert und eingebunden zu sein. „Dieses aktive Engagement im Leben“, betont MacLeod, „ist ein wichtiger Faktor für das Wohlergehen. Viele Menschen, die ihr Wohlbefinden als niedrig einstufen, haben sich oft aus Aktivitäten und dem Leben überhaupt ausgeklinkt.“ Außerdem sind Pläne und zukunftsorientierte Gedanken oft mit einem Empfinden von Sinnhaftigkeit verbunden, was ebenfalls das Wohlbefinden fördert.

Zielfortschritt und Zielerreichung: Indem Pläne eine Brücke zwischen Absicht und Tat schlagen, machen sie es wahrscheinlicher, dass man sich einem Ziel nähert und es auch irgendwann erreicht. Ziele umzusetzen wiederum fühlt sich gut an, denn es signalisiert, dass man wirkungsvoll und erfolgreich ist. Doch gute Gefühle setzen bereits vor der Ziellinie ein, wie Studien belegen: Jeder Schritt, den man umsetzt, ist wie ein Minierfolg; dazu kommt die Vorfreude, dass der Endpunkt heranrückt. In einer Metastudie, die 85 Einzeluntersuchungen mit mehr als 20 000 Teilnehmern umfasste, kamen Forscher der Universität Bielefeld 2015 zu dem Schluss, dass es für das Wohlbefinden sogar wichtiger ist, sich Zielen zu nähern, als sie zu erreichen.

Und all die Hürden?

Aber Moment mal, mag jetzt mancher einwenden: Wenn ich an den langen Weg zum Ziel denke, kommen mir all die Herausforderungen in den Sinn und all die Sachen, die schiefgehen können – und das fühlt sich gar nicht gut an. Dies ist ein berechtigter Einwand. Beim Planen können durchaus unangenehme Gefühle wie Zweifel, Mutlosigkeit, Frustration und Ängste auftauchen. Baumeister und seine Kolleginnen Kathleen Vohs und Gabriele Oettingen beschreiben dies in ihrem Zweistufenmodell des Zukunftsdenkens. In Stufe eins malt man sich aus, was man sich wünscht oder was man erreichen will, und dies geht typischerweise mit Optimismus einher. In der zweiten Phase, in der man konkret überlegt, wie man seine Ziele erreicht, setzen dann Gedanken über Hürden und mögliche Probleme ein – und man tendiert eher zu einer pessimistischen Haltung. Das ist die Durststrecke des Pläneschmiedens.

Zudem ist Planen anstrengend. Es nimmt mentale Ressourcen in Anspruch, die man nicht immer zur Verfügung hat. In einer neuen Studie befragten Baumeister und der norwegische Forscher Hallgeir Sjåstad Ikea-Kunden zu ihrer Einstellung zum ­Planen. Es zeigte sich, dass Käufer, die den Parcours durch Ausstellung, Markthalle, Möbel-SB und Kasse bereits absolviert hatten, deutlich weniger bereit waren, eine Viertelstunde zu investieren, um einen Plan für die nächsten Wochen zu schmieden, als Käufer, die den Besuch im Möbelhaus noch vor sich hatten. Das Fazit der Wissenschaftler: Planen greift auf dieselbe begrenzte mentale Energie zu, die ­benötigt wird, um Entscheidungen zu treffen und Selbstkontrolle zu wahren. Und nach einer langen Einkaufstour oder anderen Aktivitäten, die uns nicht nur physisch erschöpfen, mag davon nicht viel übrig sein.

Planen ist also keineswegs ein uneingeschränkt vergnügliches Unterfangen. Dennoch überwiegen aus Baumeisters Sicht die positiven Effekte: „Es stimmt, im Zuge des Plänemachens muss man auch an Schwierigkeiten denken. Aber wenn man keinen Plan macht, wird das wahrscheinlich eine Menge Unsicherheiten erzeugen. Das ist noch schlimmer.“

Ganz verplant im Hier und Jetzt

Zu planen hat einen weiteren, auf den ersten Blick kontraintuitiven Effekt: Es hilft einem, gedanklich in der Gegenwart zu bleiben. Wer schon mal zu ­meditieren versucht hat, weiß, wie leicht man dabei durch Gedanken gestört wird, die darum kreisen, was man zu einem späteren Zeitpunkt machen wird oder machen sollte: Ich muss noch das Ferienhaus in Holland reservieren! Soll ich die Küchenfirma A oder B beauftragen? Was bereite ich zum Abendessen zu? Auch wenn man über einem schwierigen Text oder einer komplizierten Berechnung brütet, können solche vorauseilenden Gedanken eine nervige Ablenkung sein.

Ein Plan aber beantwortet die Frage, was später passiert, erklärt MacLeod: „Die Zukunft ist dadurch stärker festgelegt. Ich vergleiche das gerne mit dem Autofahren. Wenn man irgendwo hin will, aber den Weg nicht kennt, versucht man ständig herauszufinden, wo man ist und wie man zum Ziel kommt. Wenn man aber weiß, welche Straße man nehmen und wo man abbiegen muss, kann man sich aufs eigentliche Fahren konzentrieren oder auch die schöne Landschaft genießen. Ein Plan klärt Dinge, die bislang ungeklärt waren, und es wird viel leichter, im Hier und Jetzt zu bleiben.“ Planen lenkt also nicht, wie man meinen könnte, von der Gegenwart ab. Im Gegenteil: Es schafft erst die Voraussetzungen dafür, den Kopf für den Augenblick frei zu haben.

Diesen Effekt haben E. J. Masicampo (Wake Forest University) und Roy Baumeister sogar experimentell nachgewiesen. Sie teilten Probanden in drei Gruppen ein: Die Teilnehmer der ersten Gruppe sollten über zwei Aufgaben nachdenken, die sie bereits abgeschlossen hatten. Die Probanden der zweiten Gruppe ­hingegen lenkten ihre Aufmerksamkeit auf Aufgaben, die sie noch absolvieren mussten. Eine dritte Gruppe schließlich erhielt ebenfalls die Instruktion, an zwei noch zu erledigende Pflichten zu denken; diese Teilnehmer wurden aber zusätzlich aufgefordert, ­Pläne zu machen, wie sie die Aufgaben angehen würden. Danach lasen alle einen Auszug aus einem Roman und beantworteten Verständnisfragen zum Text.

Es zeigte sich, dass die Teilnehmer aus Gruppe zwei, die über unerledigte Aufgaben nachgedacht hatten, beim Lesen messbar abgelenkter waren als die, die über Erledigtes räsoniert hatten. Ihre Konzentration wurde ständig durch Gedanken an die anstehenden Pflichten gestört. Doch diese Beeinträchtigung trat bei Gruppe drei, also denen, die zusätzlich Pläne gemacht hatten, nicht auf. Die ablenkenden Zukunftsgedanken wurden offenbar durch das Plänemachen überflüssig. „Es ist bemerkenswert“, schreiben die Wissenschaftler, „dass die Teilnehmer keinerlei tatsächliche Aktivitäten unternommen hatten, die anstehenden Aufgaben zu bewältigen.“ Allein schon ein Plan, wie sie mit der Aufgabe vorankommen würden, verscheuchte die Sorgen, so dass sie sich besser konzentrieren konnten.

Ein guter Plan

Wie sollte ein Plan gestaltet sein, damit er uns entlastet? Auf der einen Seite muss ein Plan spezifisch sein, betont Baumeister. Das heißt, er darf nicht nur eine vage Absichtserklärung enthalten wie „Ich will mehr Sport treiben“, sondern sollte konkrete Strategien oder Schritte auflisten, also zum Beispiel: „Morgen Nachmittag werde ich 20 Minuten joggen gehen.“ Auf der anderen Seite darf ein Plan nicht rigide sein, sondern muss dem Planenden Spielraum lassen, um auf unvorhergesehene Schwierigkeiten oder sich ­verändernde Bedingungen zu reagieren. „Wenn ein Plan jedes Detail genau festlegt und eine Kleinigkeit geht schief, dann ist plötzlich das ganze Vorhaben in Gefahr“, warnt Baumeister. „Außerdem sind Leute meist übermäßig optimistisch, was sie alles umsetzen und erreichen werden. Deshalb müssen sie flexibel sein, wenn sich Misserfolge einstellen.“

Auch Andrew MacLeod hält Flexibilität für außerordentlich wichtig: „Manchmal haben Leute das Gefühl, wenn sie nicht jeden einzelnen Schritt wie geplant umsetzten, dann sei der ganze Plan gescheitert. Deshalb versuchen wir ihnen zu vermitteln, dass auch Teilerfolge gut sind und sie sich nicht zum Sklaven ihrer Pläne machen sollen. Planen ist eines jener Dinge, die man sich aneignen, denen gegenüber man aber auch eine gesunde Distanz wahren sollte.“

Wie genau geht das? Für seine Studien hat MacLeod ein Planungsprogramm entwickelt, das auch im Alltag hilfreich sein kann. Es besteht aus einer Abfolge von Schritten.

Das richtige Ziel auswählen: Machen Sie eine Liste von Zielen und wählen Sie dann zwei davon aus. Geeignete Ziele sind erstens intrinsisch motiviert (das heißt, man verfolgt dieses Ziel aus sich heraus und nicht weil man muss oder weil es jemand anderes will). Sie spiegeln zweitens die eigenen Werte wider. Und sie sollen drittens etwas Positives bewirken – sie sind also sogenannte Annäherungsziele, im Gegensatz zu Vermeidungszielen, die etwas Negatives verhindern sollen.

Das Erreichen der Ziele vorstellen: Malen Sie sich aus, wie es sein wird, wenn Sie Ihre ausgewählten Ziele erreicht haben. Dies ist wichtig, um genug Motivation zu mobilisieren, so dass Sie auch dann dranbleiben, wenn Sie auf Probleme stoßen.

Pläne aufstellen und umsetzen: Formulieren Sie für jedes Ziel einen Plan, der spezifische, überprüfbare und realistische Schritte enthält. Fangen Sie an, die ersten Schritte in Ihren Alltag zu überführen.

Den Zielfortschritt begutachten: Überprüfen Sie nach einer Woche, welche Schritte Sie umsetzen konnten oder nicht.

Mit Schwierigkeiten umgehen: Identifizieren Sie Hürden, an die Sie gestoßen sind. Dies können praktische Probleme sein (etwa: zu spät aufgestanden, um vor der Arbeit zu joggen), aber auch hinderliche Gedanken (etwa: „Das klappt sowieso nicht“). Überlegen Sie, wie Sie mit Problemen, die bei den noch umzusetzenden Schritten auftreten könnten, umgehen wollen.

Dranbleiben: Bleiben Sie flexibel, wenn sich Bedingungen ändern oder Sie feststellen, dass Sie in Ihrer Zeitvorgabe zu optimistisch waren. Passen Sie Ihren Plan an. Denken Sie daran: Auch Teilerfolge sind Erfolge.

Und noch ein Tipp: Bevor Sie zum nächsten Yogakurs gehen, machen Sie einen Plan, was Sie zu Abend essen wollen. Dann gibt es einen Gedanken weniger, der Sie beim herabschauenden Hund stört.

So plant Friederike Gatzka

Eine solide Jahres- und Stundenplanung ist sehr wichtig im Lehrerberuf: einerseits, weil Curricula genau vorgeben, welche Kompetenzen die Schüler am Ende von Klasse X haben sollen. Und andererseits weil man ohne Plan schnell untergehen kann. Die 30 quirligen Schüler vor einem merken es nämlich sehr schnell, wenn man nicht genau weiß, was man von ihnen will.

Das bedeutet manchmal aber auch, dass ich gerade nicht nach Plan unterrichten kann und spontan umdisponieren muss: Einmal hatte ich zum Beispiel eine Unterstufenklasse neu übernommen. Wir hatten erst die dritte Stunde miteinander, und schon in den letzten beiden war es sehr unruhig gewesen. Als ein paar Schüler anfingen, Federmäppchen im Waschbecken zu versenken, sagte mir mein Bauchgefühl: Jetzt reicht’s! Vernünftiger Unterricht ist heute eh nicht mehr möglich. Also habe ich die letzte Viertelstunde Zwiebelzelle Zwiebelzelle sein lassen und ein Grund­satzgespräch mit der Klasse darüber geführt, dass dieses Theater alle Mitschüler stört. In der nächsten Unterrichtsstunde lief es dann sehr viel besser.

Aber auch wenn es kein Disziplinproblem gibt, können Stunden manchmal ganz anders laufen als geplant: Vor meinem Referendariat habe ich viel an der Universität unterrichtet. Die Diskussionen im Seminar waren manchmal so spannend, dass ich sie einfach laufen ließ. Das war auch deshalb möglich, weil ich mit der Zeit so viel Erfahrung hatte, dass ich genau wuss­te, wann ich eine Diskussion abbrechen muss, damit ich noch das Wichtigste von dem schaffe, was ich mir vorgenommen habe.

AUFGEZEICHNET VON GABRIELE MEISTER

Friederike Gatzka ist Referendarin an einem Gymnasium in Niedersachsen

So plant Pascal Knobloch

Planung ist alles in meinem Job: Wenn wir innerhalb von fünf Jahren ein Satellitensystem bauen sollen, klingt das vielleicht nach einem langen Zeitraum. Trotzdem benutze ich von Anfang an eine Planungssoftware, die mir sofort zeigt, dass ein Detail alles zu verzögern droht. Wir müssen schließlich bis zum Tag X liefern, sonst hat das immense Kosten zur Folge. Schlampig arbeiten dürfen wir natürlich trotzdem nicht.

Bis wir loslegen können, müssen wir aber erst mal ein Angebot erstellen. Diese Phase ist ziemlich stressig für mich, weil wir dafür nur selten Geld vom potenziellen Kunden bekommen und der Konkurrenzdruck sehr hoch ist. Während der Angebotsphase werden die Projektabläufe vorausgeplant, um den Kunden von der vorhandenen Erfahrung zu überzeugen. Planung bedeutet hier also auch Taktik. Ich suche mir dafür vor allem erfahrene Leute – fünf bis zwanzig Teamplayer, die Prozesse schnell vorantreiben. Trotz allem versuche ich immer, Zeitpuffer einzubauen, auch versteckte, indem ich zum Beispiel eine scheinbar unnötig lange Zeit für hausinterne Analysen einplane.

Nach gewonnenem Angebot erweitere ich das Team bis zur Fertigungsphase auf bis zu 250 Personen. Manchmal setzt mich das ziemlich unter Druck, auch weil wir natürlich immer wieder zum Kunden fahren und unseren Fortschritt präsentieren müssen.

Das alles ist Planung in Extremform. Trotz­dem würde ich mir manchmal auch im Alltag etwas mehr davon wünschen, wenn Handwerker drauflosarbeiten oder Freunde sich bei Verabredungen nicht festlegen wollen. Meine Konsequenz inzwischen: Lieber für mich planen, statt darauf warten, dass sich andere melden.

AUFGEZEICHNET VON GABRIELE MEISTER

Dr. Pascal Knobloch ist Projektleiter bei der OHB System AG

So plant Eva-Maria Vogt

Viele würden mich als „alleinerziehend“ bezeichnen. Ich spreche lieber von „alleinlebend“, denn ich habe ein Netzwerk an Bezugspersonen, die auch mein Kind miterziehen: Einmal im Monat kommt mein Partner für eine Woche aus Südschweden, regelmäßig helfen meine Eltern, meine Schwester, eine Freundin und ein Freund.

Trotz dieses Netzwerks ist die Kinderbetreuung ein großer Aufwand, weil wir alle berufstätig sind und ich natürlich auch auf Ungeplantes wie Krankheit reagieren muss. Mir ist es wichtig, lang­fristige Pläne zu machen, das hilft auch da­bei umzuplanen, wenn etwas schiefgeht.

Der Dreh- und Angel­punkt meiner Planung sind die Kitaferien, an­hand derer ich die Wo­chen­enden und Urlaube mit meinem Partner sowie Berufliches wie etwa Fortbildungen festlege. Auch die Termine bei der Kinderärztin muss ich lang im Voraus planen, da ich als Berufstätige auf Randzeiten in den Praxen angewiesen bin. Wenn das steht, kommt alles andere – Geburtstage, Sport, Haushalt. Ich plane, an welchem Tag ein Supermarkt auf meinem Weg liegt und wann ich längere Fahrradfahrten für Anrufe nutzen kann. Private Verabredungen sind manchmal schwierig. Wenn ich anbiete: „Wir könnten am Montag in drei Wochen Eis essen gehen“, sagen einige: „Da weiß ich noch gar nicht, was ich vorhabe.“ Manchmal klappt es dann mit einem Treffen, manchmal nicht.

Hin und wieder fehlt mir die Leichtigkeit in meinem Leben, weil es so durchgetaktet ist. Andererseits ist es auch schön zu sehen, wie gut die Dinge laufen, wenn ich selbst zuversichtlich bin, dass sie laufen.

AUFGEZEICHNET VON GABRIELE MEISTER

Eva-Maria Vogt ist Juristin und berufstätige Mutter

Literatur

Hallgeir Sjasted, Roy Baumeister: The Future and the Will: Planning requires self-control, and ego depletion leads to planning aversion. In: Journal of Experimental Social Psychology, Vol. 76, 2018, 127-141

Andrew MacLeod: Prospection, Well-Being, and Mental Health. Oxford University Press, Oxford 2017

Roy Baumeister u.a.: Pragmatic Prospection: How and Why People Think About the Future. In: Review of General Psychology, Vol.20.1, 2016, 3-16

Martin Seligman u.a.: Homo Prospectus. Oxford University Press, New York 2016

Roy Baumeister u.a.: Pragmatic Prospection: How and Why People Think About the Future. In: Review of General Psychology, Vol.20.1, 2016, 3-16

Hannah Klug/ Günter Maier: Linking Goal Progress and Subjective Well-Being: A Meta-analysis. In: Journal of Happiness Studies, Vol.16, 2015, 37-65

Helen Coote/ Andrew MacLeod: A Self-help, Positive Goal-focused Intervention to Increase Well-Being in People with Depression. In: Clinical Psychology and Psychotherapy, Vol.19, 2012, 305-315

E.J. Masicamp/ Roy Baumeister: Consider It Done! Plan Making Can Eliminate the Cognitive Effects of Unfulfilled Goals. In: Journal of Personality and Social Psychology, Vol.101.4, 2011, 667-683

Andrew MacLeod u.a.: Increasing well-being through teaching goal-setting and planning skills: results of a brief intervention. In: Journal of Happiness Studies, Vol.9, 2008, 185-196

Kimberly Prenda/ Margie Lachman: Planning for the Future: A Life Management Strategy for Increasing Control and Life Satisfaction in Adulthood. In: Psychology and Aging, Vol.16.2, 2001, 206-216

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 5/2019: Bin ich gut genug?