Als feststand, dass Donald Trump die US-Präsidentenwahl gewonnen hatte, meinte der amerikanische Komiker Stephen Colbert noch in der Wahlnacht, dass Lachen angesichts dieses Ergebnisses die beste Medizin sei. Denn: „Man kann nicht gleichzeitig lachen und Angst haben“, sagte er. Aber ist es wirklich eine gute Idee, den Schrecken der Welt mit Humor zu begegnen? Sollte man nicht ruhig eine Weile lang erschrocken und entsetzt sein, bevor man die Angst weglacht? Verlieren wir nicht unsere Wut und unsere…
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weglacht? Verlieren wir nicht unsere Wut und unsere Widerstandskraft, wenn wir uns darüber amüsieren, wie Putin, Erdogan und Co. ihr satirisches Fett wegbekommen? Andererseits: Lachen befreit und hilft, handlungsfähig zu bleiben. Vertreter der positiven Psychologie sehen im Humor eine wertvolle Charakterstärke mit positiven Folgen für die mentale Gesundheit. Der Volksmund, der schon lange weiß, dass Lachen die beste Medizin ist, hat Rückendeckung aus der Wissenschaft bekommen.
Die Liste der erforschten positiven Auswirkungen von Humor ist eindrucksvoll: Lachen unterstützt körperliche und psychische Genesungsprozesse, stärkt die Abwehrkräfte, gibt Selbstvertrauen, erhöht die Konzentration, fördert Kreativität, Motivation, Neugier und Freude am Leben. Zudem hilft Humor beim Aufbau erfüllender Beziehungen, erhöht die Anziehungskraft auf potenzielle Partner, fördert positive Stimmungen, wirkt negativen entgegen und unterstützt ganz allgemein dabei, Gefühle zu regulieren. Dazu bestätigen Studien, dass heitere Menschen öfter befördert werden und mehr verdienen und Unternehmen, in denen eine humorvolle Atmosphäre herrscht, mehr Umsatz erwirtschaften. Zugleich vermindert Humor Schmerzen und Anspannung, Gefühle der Hilflosigkeit und Verzweiflung, Scham- und Schuldgefühle sowie Angst und Panik.
Die Psychologie hat also im Humor eine Wohlfühlquelle erkannt. Allerdings scheint die Art des Humors eine Rolle für das Ausmaß des positiven Effekts zu spielen. Kanadische Forscher etwa konnten mit Humorübungen das Wohlbefinden ihrer Probanden steigern, dies jedoch weniger erfolgreich, wenn diese einen negativen Humorstil hatten. Unterschieden werden vier Humorarten, die sich mit dem Humor Styles Questionnaire messen lassen, den der Pionier der Humorforschung, Rod Martin, entwickelt hat, um die psychosozialen Funktionen von Humor zu erforschen: Bestimmend für das Wohlbefinden sei nämlich nicht, ob und wie viel Sinn für Humor jemand hat, sondern wann und wie jemand seinen Humor einsetzt.
Positiv ist Humor, der nicht auf Kosten anderer geht
Martins Fragenkatalog umfasst zwei Humorstile mit positiven Auswirkungen auf die psychologische Gesundheit und zwei Stile mit negativen Folgen. Auf der positiven Seite gibt es den verbindenden Humor, der darauf zielt, das gesellschaftliche Miteinander angenehmer zu gestalten. Menschen mit diesem Humorstil wollen andere zum Lachen bringen, Spannungen abbauen und ein Gefühl des Zusammenhalts herstellen, indem sie etwa zeigen, wie komisch unser aller Alltag ist. So zielen die Witze von Mario Barth auf lustige Situationen, die jeder kennt, und Hape Kerkeling bringt uns mit den Absurditäten des täglichen Lebens zum Lachen.
Auch der selbststärkende Humor gehört zu den positiven Humorstilen: Er lässt uns humorvoll mit Stress umgehen, negativen Ereignissen positive Seiten abgewinnen und über uns selbst lachen, wenn wir einen Fehler gemacht haben – allerdings auf gutmütige Weise und ohne uns dabei niederzumachen. Im Humor Style Questionnaire zielen Angaben wie „Wenn ich deprimiert bin, kann ich mich normalerweise mit Humor aufheitern“ oder „Sogar wenn ich allein bin, kann ich mich oft über die Absurditäten des Lebens amüsieren“ auf diesen Humorstil.
Studien haben diese zwei Humorstile mit vielen positiven Folgen in Verbindung gebracht, etwa mit geringerer Neigung zu Depressivität und Ängstlichkeit, mehr Optimismus und emotionaler Stabilität sowie einem stärkeren Selbstbewusstsein. Sie spielen auch eine Rolle bei der Fähigkeit, jemandem zu verzeihen, wie eine US-Studie kürzlich zeigte. Sie wertete die Angaben von Probanden im Alter von 17 bis 57 Jahren zu ihrer Bereitschaft zum Verzeihen, zur Wahrscheinlichkeit einer Vergebung und zu ihrem Humorstil aus und stellte fest, dass die Testpersonen mit selbststärkendem Humor eher bereit waren zu vergeben. Negativer Humor jedoch stand in signifikantem Zusammenhang mit weniger Bereitschaft zum Verzeihen.
Zu den zwei negativen Humorstilen gehören der aggressive und der selbstentwertende Humor. Aggressiver Humor geht auf Kosten anderer und korreliert laut Studien mit psychopathischen Charaktereigenschaften. „Wenn ich jemanden nicht mag, benutze ich oft Humor, um ihn zu ärgern oder niederzumachen“ oder „Wenn ich einen Witz oder lustige Sachen erzähle, kümmere ich mich normalerweise nicht darum, wie das bei anderen ankommt“ sind Aussagen, die auf einen aggressiven Humorstil hinweisen. Man macht sich über andere lustig, stichelt, kritisiert und ist sarkastisch – so wie das etwa Oliver Kalkofe oder Ingo Appelt genüsslich tun. Der selbstentwertende Humor hingegen richtet sich gegen einen selbst und stellt die eigenen Fehler und Schwächen bloß, um Anerkennung von anderen zu erheischen. Menschen, die Humor auf selbstentwertende Weise einsetzen, erlauben anderen, über sie zu lachen: Wer sich selbst heruntermacht, kommt eventuellen Hänseleien zuvor. Laut Studien steht dieser Humorstil mit Depressionen, Ängsten und einem verminderten Selbstwertgefühl in Zusammenhang.
Rod Martin merkt an, dass sich die vier Arten nicht gegenseitig ausschließen und ein Mensch mehrere oder alle Humorstile in verschiedenen Intensitäten nutzen kann. Mit weiteren Konsequenzen für das Wohlbefinden: In einer Studie konnten er und eine Kollegin zeigen, dass Menschen durchaus auch von selbstentwertendem Humor profitieren können, solange sie ihn nicht oft auf diese Weise einsetzen. Auch sei es nicht immer möglich, klare Grenzen zu ziehen: Wann lache ich noch über mich selbst auf wohlwollende Weise, und ab wann putze ich mich respektlos gegenüber mir selbst herunter, um meine Mitmenschen zum Lachen zu bringen? Wo sind die Grenzen, wenn ich jemanden nach Art des verbindenden Humors necke oder ihn, eventuell sogar unterbewusst, mit aggressivem Humor verletzen will?
Die wichtige Frage: Wer macht mit wem welche Witze?
Es ist also nicht alles Gold, was lustig daherkommt. So zeigte eine weitere Studie aus den USA, wie Humor Machtbeziehungen beeinflusst. Raúl Pérez von der University of Denver wollte herausfinden, ob frauenfeindlicher Humor reale Auswirkungen haben kann. „Wir wachsen mit der Annahme auf, dass Witze nur Spaß sind“, sagt Pérez. „Comedy ist heute allgegenwärtig – die Medien sind gesättigt mit Humor, und wir glauben mehrheitlich, dass das nicht nur Spaß macht, sondern auch gut für uns ist. Dabei kann Humor sozialschädliche Auswirkungen haben. Die Frage, wer mit wem welche Witze macht, verstärkt soziale Identitäten und legt fest, wer zur Gruppe gehört, wer überlegen und wer unterlegen ist.“ Rassistische Witze beispielsweise zeichneten ein bestimmtes Bild der Betroffenen, auch wenn die Witzeerzähler sie nicht ernst meinten und sich in der Öffentlichkeit damit zurückhielten. Der Zweck der Witze bleibe Verhöhnung und Verletzung sowie die Bestätigung, dass eine bestimmte Rasse weniger wert ist als eine andere. „Wenn ich andeute, dass eine bestimmte Rasse faul oder kriminell ist, dann macht das uns andere fleißiger und zivilisierter.“ Der Einwand, dass doch alles nur Spaß sei, wird so zu einer rücksichtslosen Annahme über die Macht von Humor, mit der eine Gruppe Dominanz ausdrücken und sich nach innen wie nach außen vom Vorwurf freisprechen kann, Vorurteile zu hegen. Lachen verbindet gegen Dritte und hält einen Status quo der Hierarchien aufrecht.
Ein Witz ist nicht immer nur ein Witz
Ebenso kann sexistischer und frauenfeindlicher Humor eine Kultur sexueller Gewalt gegen Frauen verstärken, vor allem in Kontexten und Institutionen, die historisch eher von Männern geprägt sind. Pérez argumentiert, dass Humor, der Frauen als Objekte und sexuelle Gewalt als lustig darstellt, die Belastung durch sexuelle Gewalt herunterspielt und zu einer ablehnenden Haltung gegenüber Frauen beitragen kann. „Die meisten Studenten, die wir befragt haben, glaubten, dass die Absicht des Comedians wichtiger sei als der Inhalt seiner Witze. Der Unterhaltungsfaktor war ihnen wichtiger als die unbeabsichtigten oder unvorhergesehenen Konsequenzen oder die Frage, inwieweit sie zu einer sexistischen Ideologie beitragen. Ist ja nur Spaß! Die Forschung zeigt aber, dass Absichten nicht so wichtig sind wie die Funktionen und Folgen eines solchen Humors.“
Pérez verweist auf Forschungsarbeiten von Thomas Ford und anderen Sozialpsychologen, die gezeigt hätten, dass Humor die Grenzen des sozial Akzeptablen und die Toleranz gegenüber unangebrachten oder falschen Verhaltensweisen ausdehnen kann. „Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie sich ein solcher Humor besonders in von Männern dominierten Gesellschaften und Institutionen auf die reale Welt auswirken kann. Ein Witz ist nicht immer nur ein Witz, sondern trägt zu einer Kultur bei, die frauenfeindliches Verhalten inklusive sexueller Belästigung und Gewalt toleriert oder entschuldigt.“
Kann man dem Schrecken der Welt mit Humor begegnen?
Für den Humorforscher und Psychotherapeuten Michael Titze ist „Humor ein in jeder Hinsicht schillerndes Phänomen, das sich im Spannungsfeld von Gut und Böse aufbaut“. In negativer Hinsicht könne das Lachen die Funktion einer kommunikativen Waffe, in positiver Hinsicht die eines „sozialen Klebstoffs“ erfüllen. Schweißt uns also etwa das Lachen darüber, dass Trump nicht sicher zu sein scheint, welches Land er gerade bombardiert hat, zu einer starken Gegenkraft zusammen? Ist es legitim, dem Schrecken der Welt mit Humor zu begegnen? „Wenn man etwas mit Humor nimmt, heißt das nichts anderes, als das aktuelle Geschehen zu relativieren“, sagt Titze. „So ist Humor in emotionaler Hinsicht eine gute Strategie, um mit negativen Erlebnissen umzugehen.“
Möglich, dass das auch mit Blick auf die Gesellschaft gilt: Schweizer Forscher haben es sich zur Aufgabe gemacht, den moralischen Wert des Humors, der bisher von der Forschung ignoriert wurde, wissenschaftlich zu belegen. Sie haben sich mit wohlwollendem Humor, der menschliche Schwächen auf amüsante und nachsichtige Weise darstellt, und mit korrektivem Humor beschäftigt, der in tolerierbarer Dosierung das negative Verhalten einer Person verspottet, ohne dass diese ihr Gesicht verliert. Beiden Humorarten liegt die positive Absicht der Verbesserung der Welt mit einer versöhnlichen, moralischen und fairen Haltung zugrunde. Studienteilnehmer, die die beiden Humorkonzepte beurteilen sollten, stellten diese in enge Verbindung zu Charakterstärke und positiven Werten. Humor als Tugend und Mittel, die Welt zu verbessern – wer wolle da behaupten, dass irgendwann mal Schluss mit lustig sein muss?
Was, wenn man keinen Humor hat?
Grundsätzlich ist die Welt des Humors niemandem verschlossen. Humor lässt sich auch trainieren, indem wir uns etwa bewusst an lustige Ereignisse erinnern, die Aufmerksamkeit auf die komischen Seiten des Alltags richten oder systematisch nach Situationen, Freunden oder Medien suchen, die uns fröhlich machen.
Kanadische Forscher haben bewiesen, dass schon kurze Übungen reichen, um das Wohlbefinden zu steigern. Sie ließen Studienteilnehmer über humorvolle Begebenheiten schreiben, die sie in den vergangenen zwei Wochen erlebt hatten. Alternativ sollten sie auflisten, wofür sie dankbar waren, oder über positive Erfahrungen in ihrem Leben schreiben – beides traditionelle Übungen der positiven Psychologie zur Steigerung des Wohlbefindens. Eine Kontrollgruppe schrieb über alltägliche Erfahrungen. Die Teilnehmer machten hinterher signifikant weniger positive Angaben zu ihrem Befinden als die Probanden, die die anderen drei Übungen absolviert hatten. Dabei stellte sich heraus, dass die Humorübung einen vergleichbar positiven Effekt wie die beiden traditionellen Übungen hatte.
Rod Martin, der Pionier der Humorwissenschaft, warnt allerdings vor zu viel Euphorie bezüglich der Effektivität von Humorübungen. Er merkt an, dass sich die positive Psychologie mit ihren Interventionen eher auf eine Verbesserung des Wohlbefindens von psychologisch gesunden Menschen konzentrieren sollte als auf den Versuch, mit Humortraining emotionale Störungen zu behandeln. In einem Interview mit dem Europe’s Journal of Psychology riet er zu Gelassenheit: Man brauche keinen Sinn für Humor, um psychologisch gesund zu sein. „Manche Menschen, die viel lachen und herumwitzeln, leiden unter emotionalen Störungen und dysfunktionalen Beziehungen, genauso wie manch ernste, introvertierte Menschen ausgeglichen sind und gesunde Beziehungen führen.“
Yvonne Vávra
Literatur
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Doi: 10.5964/ejop.v12i3.1119
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