Nur leicht berührt

Jemand legt ganz beiläufig seine Hand auf unsere – und schon finden wir ihn sympathisch? Kann passieren.

Die Haut ist das größte Sinnesorgan des Menschen; mit einer Oberfläche von eineinhalb bis zwei Quadratmetern erfüllt sie lebenswichtige Funktionen. Rund zehn Prozent des Gehirns sind nur damit befasst, Sinneseindrücke durch die Haut zu verarbeiten. Der Tastsinn ist der erste Sinn, der sich beim Embryo entwickelt, und er bleibt auch im hohen Alter erhalten, wenn Sehen und Hören langsam schwächer werden. Dennoch ist vielen Menschen nicht bewusst, welche Bedeutung und Wirkungskraft Berührungen haben, beklagt…

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nicht bewusst, welche Bedeutung und Wirkungskraft Berührungen haben, beklagt Charles Spence, der am Institut für Experimentelle Psychologie der Universität Oxford den Tastsinn erforscht: „Die meisten verstehen die Stimulation der Haut wohl als Luxus, als Hätschelei, aber nicht als notwendiges und wichtiges Element im täglichen Leben.“ Dabei spielten Berührungen für Kommunikation, Kooperation und Wohlbefinden von Menschen eine zentrale Rolle. „Wir alle kennen das. Ein fester Händedruck, ein zarter Kuss, ein aufmunterndes Klopfen auf die Schulter, selbst ein nur leichtes Über-den-Arm-Streichen vermittelt oft eine Lebendigkeit und Direktheit, die machtvoller als Worte sind.“

Wie machtvoll, das haben Forscher in einer ganzen Reihe von Studien dokumentiert. In einem bereits als Klassiker geltenden Experiment baten Forscher um Jeffrey Fisher von der Universität von Connecticut die Angestellten der Universitätsbibliothek, bei der Rückgabe von Ausweisen ihre Hand über die Handfläche von manchen Studenten zu legen und so Körperkontakt herzustellen. Andere Studenten dagegen sollten sie bewusst nicht anfassen. Es zeigte sich, dass jene, die berührt worden waren, den Bibliothekar oder die Bibliothekarin als freundlicher, hilfsbereiter und insgesamt besser bewerteten als die Kontrollgruppe – und das, obwohl die Berührung nur einen Moment gedauert hatte und sich die Studenten überhaupt nicht daran erinnern konnten. Bei einem ähnlichen Experiment auf einem französischen Gebrauchtwagenmarkt stimmten Kaufinteressenten, die während eines Informationsgesprächs von einem Anbieter eine Sekunde lang am Unterarm berührt worden waren, deutlich stärker als die Kontrollgruppe der Aussage zu, dass sie diesen Verkäufer gerne als Freund hätten und einen Deal mit ihm als wenig riskant einschätzten.

Hautkontakte nehmen uns aber nicht nur positiv für den „Berührer“ ein, sie veranlassen uns auch, zu seinen Gunsten zu handeln oder mit ihm zu kooperieren. In einer amerikanischen Studie gaben Restaurantgäste deutlich mehr Trinkgeld, wenn die Kellnerin ihre Handfläche leicht mit den Fingern berührte oder die Hand für einen kurzen Moment auf ihre Schulter legte. In der psychologischen Forschung wird dies Midas Touch genannt, nach einem König in der griechischen Mythologie, dem die Gabe zugeschrieben wurde, alles, was er anfasste, zu Gold zu verwandeln. Der Effekt tritt in allen möglichen Situationen auf. Französische Busfahrer willigten leichter ein, eine Frau, die nicht genug Geld dabei hatte, mitzunehmen, wenn ihr Ersuchen mit einer leichten Berührung am Arm einherging. In einer weiteren französischen Studie halfen Passanten einem jungen Mann, der auf der Straße einen Stapel von Computerdisketten fallen ließ, bereitwilliger, diese wieder einzusammeln, wenn er in einem vorangegangenen Gespräch einen kurzen Körperkontakt zu ihnen hergestellt hatte. Ebenso waren Studentinnen eher bereit, einer ihnen unbekannten Kommilitonin eine Zigarette zu schenken, wenn diese die Hand für ein oder zwei Sekunden auf ihren Arm legte, während sie die Bitte formulierte.

Auch zwischen Menschen, die sich kennen, stellt sich die kooperationsfördernde Wirkung ein. In einem Experiment von Nicolas Guéguen, Professor für Sozialpsychologie an der Universität der Südbretagne, ging ein Statistikdozent während der Stunde durch die Klasse, um zu kontrollieren, ob die Studenten mit einer gestellten Aufgabe zurechtkamen. Für alle Kursteilnehmer, deren Heft er sich ansah, hatte er aufmunternde Worte parat, doch manchen klopfte er dabei leicht auf den Oberarm, während er andere nicht anfasste. Die Folge: Auf seine spätere Frage, wer die Aufgabe an der Tafel vorrechnen wolle, meldeten sich diejenigen, die er berührt hatte, dreimal (Studenten) beziehungsweise viermal (Studentinnen) häufiger als die Kontrollgruppe.

Zudem gibt es einen „Mengeneffekt“, wie eine Studie von 2008 zeigt: Zwei Berührungen sind wirkungsvoller als eine. Zugreisende, die in einem Pariser Bahnhof warteten, wurden gefragt, ob sie bereit seien, einen längeren Fragebogen zur Verschönerung des Bahnhofs auszufüllen. Stellte der Interviewer keinerlei Körperkontakt her, willigten knapp 12 Prozent ein. Streifte er ihren Unterarm während seines Gesuchs einmal, stieg der Anteil auf knapp 42 Prozent an. Berührte er sie zweimal, waren es dagegen 60 Prozent.

Wie lässt sich die bemerkenswerte Macht von Berührungen erklären? Ganz genau können Wissenschaftler diese Frage noch nicht beantworten, sagt der Psychologe Spence, aber es liegt momentan eine Reihe möglicher Erklärungen auf dem Tisch. Ein wichtiger Faktor scheint Vertrauen zu sein. So wird argumentiert, dass der Empfänger einer Berührung diese als Zeichen dafür interpretiert, dass der Berührende ihn mag und ihm vertraut, was wiederum seine eigene Kooperationsbereitschaft erhöht. Neurowissenschaftliche Studien zeigen in der Tat, dass Berührungen die Inselrinde aktivieren, einen Teil der Großhirnrinde, der mit der Verarbeitung von Vertrauen in Zusammenhang gebracht wird. Zudem mag die Berührung durch einen Höherstehenden (zum Beispiel Lehrer) als Auszeichnung verstanden werden und das Selbstbewusstsein des Berührten erhöhen. Dies wiederum könnte helfen, Ängste und Hemmungen zu überwinden (beispielsweise wenn man aufgefordert wird, sich vor die Klasse zu stellen). Allerdings sind diese Erklärungen nur plausibel, wenn jemand überhaupt wahrnimmt, dass er berührt wird.

Eine andere Argumentationskette kommt ohne bewusstes Empfinden aus, erläutert Spence: Berührungen fördern prosoziales Verhalten, weil sie beruhigen und Stress reduzieren. In der frühen Kindheit lernt man, dass man sich entspannen kann, wenn einen die Mutter oder der Vater streichelt oder massiert. Diese Verknüpfung bleibt auch im Erwachsenenalter bestehen – und wirkt selbst dann, wenn Berührungen gar nicht bemerkt werden. Schließlich scheinen spezielle „Genussrezeptoren“ in der Haut eine Rolle zu spielen. Diese sogenannten C-taktilen Fasern, die erst vor ein paar Jahren entdeckt wurden, springen bei langsamen, streichelnden Bewegungen über die Haut an und melden die wohlige Erfahrung an das Gehirn weiter. „In gewisser Weise sind wir also darauf programmiert“, so Spence, „dass wir es als angenehm empfinden, wenn uns jemand berührt oder wir Berührungen mit jemandem austauschen.“

Berührungen tun nicht nur gut –von einem anderen Menschen gestreichelt, gehalten oder gedrückt zu werden löst eine ganze Reihe von physiologischen und psychologischen Effekten aus, erläutert Tiffany Field, Professorin und Direktorin des Touch Research-Institutes an der medizinischen Fakultät der Universität Miami. Die von ihr und anderen Wissenschaftlern durchgeführten Studien zeigen, wie stark Berührungen auf Körper und Seele wirken:

– Frühgeborene Babys, die regelmäßig vom Kopf bis zu den Zehen massiert wurden, legten 47 Prozent mehr Gewicht zu als Frühchen, die keine Massage erhielten.

– Bei Beobachtungsstudien in Fast-Food-Restaurants und auf Spielplätzen stellten Forscher fest: Französische Eltern, Kinder und ihre Spielkameraden berühren sich deutlich häufiger als amerikanische. Gleichzeitig zeigten sich die jungen Franzosen gegenüber Eltern und anderen Kindern weniger aggressiv als ihre US-amerikanischen Altersgenossen, was, so Field, vermutlich zum Teil dem intensiveren Körperkontakt zu verdanken ist.

– Bei Frauen, die kurz vor einer stressigen Situation von ihren Ehemännern eine Nacken- und Schultermassage erhielten, stiegen Herzfrequenz und Kortisolniveau weniger stark an als bei Frauen, die sich nur mit ihrem Partner unterhielten oder gar keinen Kontakt zu ihm hatten.

– In einer Studie mit gesunden Studenten verbesserten sich die Immunglobulinwerte durch Massage deutlich mehr als durch verschiedene Entspannungstechniken. Auch bei Krebspatienten konnte die Immunabwehr durch Massage messbar verbessert werden. So stieg die Zahl natürlicher Killerzellen, die Krebszellen in Schach halten können, an.

– Hochbetagte Bewohner in Pflegeheimen, die regelmäßig gestreichelt, umarmt und auf die Wange getätschelt wurden, waren weniger vergesslich und gereizt, achteten mehr auf körperliche Hygiene und aßen gesündere Lebensmittel als Senioren, die nicht vermehrt berührt wurden.

Doch Berührungen sind nicht in jedem Fall positiv, sie können unter Umständen auch schaden. Wie Menschen darauf reagieren, angefasst zu werden, hängt von vielen Aspekten ab: der Art der Berührung, Situation, Kultur, den individuellen Erfahrungen und Vorlieben.

Ein wichtiger Faktor ist das Geschlecht. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass Männer im Allgemeinen weniger positiv auf Berührungen reagieren als Frauen. In einer Studie beispielsweise zeigten sich Krankenhauspatientinnen, zu denen das Pflegepersonal vor einer Operation gezielt mehr Körperkontakt herstellte, weniger ängstlich als die Kontrollgruppe. Aber bei männlichen Patienten stieg die Angst durch vermehrtes Anfassen tendenziell an. Berührt zu werden, vermuten die Wissenschaftler, löste bei den Männern Gefühle von Verletzlichkeit und Abhängigkeit aus. Geschlechterunterschiede gibt es auch bei der Kommunikation von Gefühlen. So zeigte sich in den Studien von Matthew Hertenstein (siehe Kasten Seite 36), dass Ärger nur zuverlässig durch Berührungen signalisiert werden konnte, wenn der „Sender“ und/oder der „Empfänger“ männlich war. Die verlässliche Kommunikation von Mitgefühl wiederum setzte mindestens einen weiblichen Partner voraus. Glück konnte sogar nur in einer rein weiblichen Paarung rübergebracht werden.

Auch der soziale Rang spielt eine Rolle: Menschen mit höherem Status berühren Leute, die unter ihnen stehen, tendenziell häufiger als umgekehrt. Eine Person, die sich selbst als höherstehend sieht, mag sich beleidigt oder angegriffen fühlen, warnen Psychologen, wenn ihr jemand mit einem niedrigeren Status auf die Schulter klopft oder die Hand auf den Arm legt. Zudem muss man vorsichtig sein, wenn man sich in anderen Kulturen bewegt. Die Unterschiede beim „Körpereinsatz“ können frappierend sein. Der Psychologe Sidney Jourard von der Universität Florida besuchte vor vielen Jahren Cafés in verschiedenen Ländern und zählte, wie oft sich zwei Menschen, die bei einem Kaffee zusammensaßen, in einem bestimmten Zeitraum durchschnittlich berührten. In San Juan, Puerto Rico war es über 180-mal; in Paris 110; in Gainsville, Florida zwei; in London lag die Zahl bei null.

Die Gefahr, dass eine Berührung Befremden auslöst, ist also durchaus real. So kommt etwa die Gewohnheit von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Gesprächspartner ausgiebig zu umarmen und zu küssen, nicht bei jedem gut an. „Das bizarre Verhalten“ des Luxemburgers, sorgte sich die Zeitung European Voice, könne seine Besucher verschrecken. Joe Navarro, außerordentlicher Professor an der Saint-Leo-Universität in Florida und früherer FBI-Agent, nennt in seinem Blog eine ganze Liste von Handschlägen, die man besser vermeiden sollte: den Politikerhandschlag, bei dem man mit beiden Händen die Hand des anderen umfasst, einen Handschlag mit feuchten Händen, einen zu festen oder zu laschen Handschlag, den dominanten Handschlag, bei dem der eigenen Handrücken nach oben zeigt. Vorsichtig sollte man auch am Arbeitsplatz sein. So manche als harmlos gedachte Berührung kann schnell als unpassend und sexuell belästigend empfunden werden.

Man muss die Grenzen anderer respektieren. Doch zu viel Angst vor folgenschweren Missverständnissen, warnt Entwicklungspsychologin Tiffany Field, ist abträglich. So führe sie bereits zu einem zunehmenden Berührungsmangel, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Aber auch die steigende Verbreitung von Tablets, Smartphones und sozialen Medien verringere den physischen Kontakt zu anderen Menschen. Zudem lässt sich in einer immer technisierteren medizinischen Welt ein Rückgang von Körperkontakten zwischen Ärzten und Patienten beobachten. „Wenn Berührungen so bedeutsam für die Entwicklung und Gesundheit von Menschen sind, wie es nach unseren Studien scheint“, so Field, „dann brauchen wir nicht weniger, sondern mehr davon in unserer Gesellschaft.“

Quellen

  • Tiffany Field: Touch. MIT Press, Cambridge  ass, 2014
  • Alberto Gallace, Charles Spence: In touch with the future. The sense of touch from cognitive neuroscience to virtual reality. Oxford University Press, Oxford 2014
  • Matthew Hertenstein u. .: The communication of emotion via touch. Emotion, 9/4, 2009, 566–573
  • David Vaidis, Séverine Halimi-Falkowicz: Increasing compliance with a request: two touches are more effective than one. Psychological Reports, 103, 2008, 88–92
  • Damien Erceau, Nicolas Guéguen: Tactile contact and evaluation of the toucher. Journal of Social Psychology, 147/4, 2007, S. 441–444
  • Robert-Vincent Joule, Nicolas Guéguen: Touch, compliance, and awareness of tactile contact. Perceptual and Motor Skills, 104/2, 2007, 581–588

Wer darf mich wo berühren?

Berührungen sind angenehm – aber nicht von jedem und an jeder Stelle des Körpers. Forscher der Universitäten Aalto und Oxford befragten dazu 1368 Frauen und Männer aus Finnland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Russland. Ihnen wurde in mehrfacher Ausfertigung die Vorder- und Rückansicht einer menschlichen Silhouette vorgelegt, die jeweils mit dem Namen eines Menschen aus ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis versehen war. Sie hatten dann die Aufgabe, in den Körperkarten anhand einer Farbskala einzutragen, wie gerne sie von dieser Person in welcher Region berührt werden wollten. Über sämtliche Länder hinweg zeigte sich dieselbe Gesetzmäßigkeit: Je enger die emotionale und verwandtschaftliche Bindung zu einer Person war, desto eher und umfassender ließ man sich von ihr anfassen (siehe Abbildung: je dunkler, desto unangenehmer). Generell waren Frauen etwas aufgeschlossener gegenüber Berührungen als Männer. Und beide Geschlechter ließen sich tendenziell lieber von Frauen als von Männern berühren, also etwa lieber von der Mutter als vom Vater und lieber von einer guten Freundin als von einem guten Freund.

Thomas Saum-Aldehoff

Juulia T. Suvilehto u. .: Topography of social touching depends on emotional bonds between humans. PNAS, DOI: 10.1073/pnas.1519231112

Verstehen ohne Worte

Wenn es um die Kommunikation von Gefühlen geht, ist Hautkontakt unverzichtbar

Stellen Sie sich vor, Sie sollen einem anderen Menschen signalisieren, was Sie fühlen. Das einzige Verständigungsmittel, das Ihnen zur Verfügung steht, sind Berührungen. Sie können lediglich die Hand oder den entblößten Unterarm der anderen Person anfassen und müssen das so geschickt tun, dass sie versteht, welches Gefühl Sie meinen. Sie glauben, Sie könnten das nicht? Wahrscheinlich irren Sie sich.

Die Botschaft der Berührung

Matthew Hertenstein, Forscher an der DePauw-Universität in Indiana (USA), untersuchte mit Kollegen, wie gut Menschen darin sind, Emotionen nur mithilfe von Berührungen zu kommunizieren. Es zeigte sich: Sie sind erstaunlich gut. In einer Studie gelang es den Teilnehmern, sechs verschiedene Gefühle – Ärger, Angst, Liebe, Widerwillen, Dankbarkeit und Mitgefühl – mit einer Genauigkeit zwischen 48 und 83 Prozent zu übermitteln. Besser können Menschen Emotionen auch nicht an der Mimik oder Stimme eines anderen ablesen.

Mehr noch: Selbst wenn Studienteilnehmer lediglich die Berührungen zwischen zwei anderen Personen beobachteten, konnten sie alle genannten Gefühle bis auf Dankbarkeit entschlüsseln. In einer anderen Studie, in der Teilnehmer nicht nur den Unterarm, sondern auch andere Körperteile der anderen Person berühren durften, war das Spektrum an kommunizierbaren Gefühlen sogar noch größer. So schafften sie es beispielsweise, auch Traurigkeit und Freude zu signalisieren.

Bislang gingen Psychologen davon aus, dass Berührungen nur dazu dienen, andere Arten des emotionalen Ausdrucks zu unterstützen, und man mit ihnen lediglich die Grundstimmung und die Intensität von Gefühlen übermitteln kann. Mit dieser Vorstellung räumt das Team um Hertenstein auf. Das taktile Kommunikationssystem ist mindestens genauso differenziert wie Mimik und Stimme – wenn nicht sogar differenzierter. Es basiert, auch das konnten Hertenstein und Kollegen zeigen, auf komplexen emotionsspezifischen Mustern.

Mitgefühl wird durch Tätscheln ausgedrückt

Die „Sprache der Berührung“ hat zahlreiche Stellschrauben: die spezifische Bewegung, die mit der Berührung verbunden ist (wie streicheln oder klopfen), die Intensität, Plötzlichkeit und Geschwindigkeit, mit der man die Bewegung ausführt, die Dauer der Berührung und die Stelle am Körper, an der man berührt. Viele Teilnehmer signalisierten beispielsweise Furcht, indem sie die andere Person hielten und drückten. Mitgefühl dagegen zeigten sie durch Tätscheln und Reiben. Ärger war durch relativ kurze, aber intensive Berührungen gekennzeichnet, während bei Traurigkeit längerer, sanfterer Körperkontakt zum Einsatz kam. Die evolutionären Ursprünge des Systems, vermuten die Wissenschaftler, gehen auf das sogenannte Allogrooming zurück, also die gegenseitige Körperpflege nicht der Hygiene, sondern der sozialen Bindung willen.

Annette Schäfer

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 2/2016: Sprich mit Dir!