Das schaffen Sie!

Sie haben sich vorgenommen, weniger zu essen und zu trinken, mehr Sport zu treiben und das Leben gelassener anzugehen? Das alles kann gelingen. Versprochen!

Wer in der Lebensmitte einem Klassentreffen beiwohnt, erlebt dort ein seltsames Phänomen: Kein unbekannter Zeuge würde glauben, dass die anwesenden Gäste demselben Jahrgang entstammen. Manche wirken frisch, wohlhabend und vital, andere hingegen sind zeitig gealtert und leiden unter teils erheblichen sozialen und gesundheitlichen Problemen. Zwischen einigen der Teilnehmer scheinen zehn Lebensjahre zu liegen.

Warum ist das so? Weshalb werden die einen gesund, glücklich und reich, die anderen hingegen…

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glücklich und reich, die anderen hingegen kränklich, verzagt und verschuldet? Liegt es an den Genen? Am sozioökonomischen Status der Eltern? Oder haben manche einfach Glück und andere Pech? „Ich habe mit meinen Kollegen um 100 Dollar gewettet, dass vor allem der IQ für die Unterschiede verantwortlich ist“, sagt Terrie Moffitt von der Duke University in North Carolina. Ihre Daten zog die Psychologin aus der Dunedin Study, einem statistischen Nibelungenhort für Sozialwissenschaftler. In Dunedin, der zweitgrößten Stadt auf der Südinsel Neuseelands, begann man in den frühen 1970er Jahren, mehr als 1000 Kinder eines Jahrgangs regelmäßig auf ihre körperliche, seelische und soziale Entwicklung hin zu vermessen. Diese Datensammlung dauert noch immer an, und weil zu all den lästigen Interviews, Untersuchungen, Tests und Fragebögen auch ein kostenloser Zahnarzt-Check gehört, erscheinen bis heute mehr als 90 Prozent der damaligen „Dunedin-Kinder“ pünktlich zu jeder anberaumten Inspektion. Die Probanden haben inzwischen das mittlere Erwachsenenalter erreicht.

Terrie Moffitt jedenfalls hat ihre 100 Dollar verloren. Denn die Zahlen offenbarten einen mächtigeren Einflussfaktor als die Intelligenz, nämlich das Maß an Selbstkontrolle während des Kindesalters. Wer seine Impulse mit drei, fünf, sieben und neun Jahren kontrollieren konnte, hatte als Erwachsener mit hoher Wahrscheinlichkeit gute Gesundheitswerte und kaum Probleme mit Alkohol, Zigaretten oder Drogen. Er verdiente mehr Geld als seine einst ungeduldigen, reizbaren und fahrigen Klassenkameraden. Diese wiederum wurden mit höherer Wahrscheinlichkeit straffällig und zu alleinerziehenden Eltern. Glaubt man diesem Ergebnis, dann ist die früh erworbene Selbstkontrolle ein Schlüssel zu einem ziemlich glücklichen Leben.

Selbstkontrolle bringt uns weiter. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Bereits Walter Mischels berühmte Marshmallow-Studie weist in diese Richtung: Mischel setzte ab Ende der 1960er Jahre Kinder-gartenkinder vor eine Süßigkeit. Die Kleinen konnten den Marshmallow sofort essen oder eine Viertelstunde abwarten und dann die doppelte Menge kassieren. Mischel fand heraus: Kinder, die genügend Selbstkontrolle für diese Beloh-nungsverzögerung aufbringen konnten, bekamen später bessere Noten und erreichten im Durch-schnitt einen höheren Abschluss (siehe Interview mit Walter Mischel in Heft 4/2015: „Wir können Selbstkontrolle erlangen, indem wir unsere Gedanken verändern“). Im Jahr 2005 entdeckte die Psychologin Angela Duckworth von der University of Pennsylvania, dass Schulerfolge sogar stärker von der Selbstdisziplin der Schüler abhängen als von ihrer Intelligenz.

Im Leben des Einzelnen kommt Selbstkontrolle dort ins Spiel, wo wir in Versuchung geraten: beim Essen, Trinken, unserem Bedürfnis nach Entspannung, bei Sex, Drogen und Ablenkungen durch elektronische Medien. Der Psychologe Wilhelm Hofmann bezeichnet solche Begierden als den new hot spot in der Erforschung der Selbstkontrolle. Wie häufig, so fragte sich Hofmann, sind wir im Alltag solchen Verlockungen ausgesetzt? Per Smartphone ließ er seine Probanden mehrmals täglich einen Fragebogen ausfüllen. Das wichtigste Ergebnis seiner Studie: Etwa die Hälfte der Zeit, die wir im Wachzustand verbringen, lockt uns irgendetwas, das sofortiges Vergnügen verspricht. Man sitzt im Büro und denkt, wie toll es wäre, stattdessen ein Nickerchen zu machen, ein Stück Torte zu essen, einen Cappuccino zu trinken – oder mit dem Kollegen, der Kollegin aus der Marketingabteilung eine Affäre anzufangen. Etwas mehr als 50 Prozent dieser Begierden werden von uns als völlig problemlos eingestuft. Der ganze Rest ist nichts weiter als eine Versuchung, der verbotene Apfel im Garten Eden: Wir würden ja so gerne – aber wir wissen genau, dass wir über kurz oder lang damit in Schwierigkeiten geraten. Wir schaffen unser Pensum nicht, wenn wir am Schreibtisch einschlafen oder unsere Zeit auf Facebook vertrödeln. Kuchen macht dick, vom Rauchen bekommen wir Krebs, der außereheliche Sex am Arbeitsplatz gefährdet unsere Ehe und vielleicht auch unseren Job. Adam und Eva verloren durch den Biss in den Apfel ihr Bleiberecht im Paradies.

Wie können wir es schaffen, solchen Versuchungen zu widerstehen? Wilhelm Hofmann zeigt, dass Begierden einen dreistufigen Prozess durchlaufen, bis es zum Sündenfall kommt: Wir müssen zunächst an den verlockenden Apfel denken. Eine Vorstellung von ihm muss in unseren Kopf gelangen, sein rotwangiges Bild, sein süßer Geschmack, seine Saftigkeit, sein fruchtiger Duft, das knackige Geräusch beim Reinbeißen. Erst danach können wir anfangen, uns in immer neuen Gedankenschleifen in den unbändigen Wunsch des Habenwollens hineinzusteigern. Im letzten Schritt folgt schließlich das Ausagieren der Begierde, das Pflücken und Genießen der verbotenen Frucht. Umgekehrt bedeutet das: Selbstkontrolle kann auf vielfache Weise gelingen, sie kann an jeder der genannten Phasen ansetzen. Und manchmal kommt es nur darauf an, genau jene Strategie zu finden, die am besten zu einem passt.

1. Das Objekt der Begierde meiden

Wer mit dem Rauchen aufhören möchte, sollte keine Zigaretten im Haus haben. Wer abnehmen will, entfernt am besten die Schokolade aus dem Schrank. Das mögen Ratschläge aus den Kalenderblättern unserer Großmütter sein – wirksam sind sie dennoch. Die besonders kontrollierten Teilnehmer in Wilhelm Hofmanns Studie verfolgten intuitiv genau diese Strategie: Mit höchster Disziplin kontrollierten sie die Situationen, in die sie sich begaben. Sie setzten sich nur selten einer starken Versuchung aus und konnten so relativ konfliktfrei durch ihren Alltag navigieren. Auf der anderen Seite des Spektrums fand Hofmann jene Teilnehmer, die ihre Standfestigkeit dramatisch überschätzten: Sie hielten sich für charakterstark und glaubten, auch der stärksten Versuchung widerstehen zu können. Die Folge: Sie räumten die Nougatriegel trotz ihrer Diät nicht aus dem Schrank – und gaben der naheliegenden Verlockung entsprechend häufig nach. Eine Feldstudie der Cornell University kommt zum selben Ergebnis: Dort naschten Sekretärinnen im Büro mehr als doppelt so viele Süßigkeiten, nur weil diese in durchsichtigen statt in blickdichten Behältern auf ihrem Schreibtisch standen. Der Mensch sieht, was vor Augen ist, und lässt sich leicht davon verführen.

2. Sich ablenken, wenn die Versuchung lockt

Kein Mensch kann an hundert Dinge gleichzeitig denken – das liegt an unserem Arbeitsgedächtnis, der engen Eingangspforte unseres Bewusstseins. Muss die Versuchung womöglich draußen bleiben, wenn wir diesen schmalen Flur mit anderen Gedanken blockieren? Das wollte Lotte van Dillen von der Universität Leiden herausfinden. Tatsächlich ließen sich ihre Versuchspersonen weniger von dargebotenem Schokoladengebäck verführen, wenn man sie zuvor mit kniffligen Zahlenrätseln beschäftigte. Allerdings scheint der Trick mit der Ablenkung nur zu funktionieren, wenn man die Rechenaufgaben zeitlich vor den Brownies präsentiert. Denn hat sich der Wunsch nach Süßem bereits im Kopf festgesetzt, kehrt sich der Effekt um: Dann futtern die gedanklich stark Beschäftigten ihre Kekse nebenbei und essen sogar besonders viele davon, ohne es recht zu bemerken.

3. Sich seine eigene Versuchung erschaffen

Begehren entsteht zu einem großen Teil durch unsere Vorstellungen. Wenn das stimmt – könnte man sich dann nicht auch gesunde, „vernünftige“ Versuchungen selbst erschaffen, nur durch die Kraft der Fantasie? Lässt sich zum Beispiel unsere Lust auf Sport gedanklich steigern, indem wir uns regelmäßig den wohligen Zustand ins Gedächtnis rufen, nach einem Dauerlauf unter die Dusche zu steigen? Diesen Ansatz verfolgt derzeit ein australisch-britisches Forscherteam im sogenannten functional imagery training. Tatsächlich trieben Versuchspersonen in einer Pilotstudie mehr Sport, wenn sie sich derlei positive Bilder mehrmals täglich in Erinnerung riefen. Ein zweites Experiment dieser Art konnte den Alkoholkonsum starker Trinker um mehr als die Hälfte reduzieren – und zwar über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Wie dieses Vorstellungstraining praktisch am besten genutzt werden kann, wird derzeit noch erforscht.

4. Die Dinge mit anderen Augen sehen

Diese Methode gehört zur zweiten Phase des Verlangens: Die Süßigkeit liegt direkt vor uns auf dem Teller, unser Appetit ist bereits erwacht – wie in der oben erwähnten Marshmallow-Studie von Walter Mischel. Dort widerstanden einige Kinder der Versuchung, weil sie sich die weißen Stücke nicht als Naschzeug, sondern als kleine Wolken vorstellten. Neuere Studien zeigen, wie diese Umbewertungstechnik funktioniert. Sie unterbricht unsere automatisch ablaufenden inneren Belohnungsprozesse, nimmt der Schokolade, der Torte, dem Bier einen Teil ihres Glücksversprechens. Verstärkt wird die Wirkung durch eine Technik, die Psychologen als evaluative conditioning bezeichnen: Man lernt, einen Konsumartikel im Geiste mit etwas Unangenehmem zu verbinden: die Whiskeyflasche mit Bildern eines Verkehrsunfalls, die Zigarette mit Bildern von Krebspatienten im Endstadium. Walter Mischel behauptet, sich mithilfe dieses Tricks das Rauchen abgewöhnt zu haben.

5. Die Lust unterdrücken

Die Strategie scheint intuitiv einleuchtend: Wenn die Schwarzwälder Kirschtorte lockt, man im Geiste schon die Mischung aus Sahne, Kirschwasser und dunklem Biskuit auf der Zunge spürt – dann sollte man diese Fantasien einfach unterdrücken und die inneren Bilder verjagen wie eine lästige Fliege an einem heißen Sommertag. Doch wie gut funktioniert das? In einer englischen Studie bat man Raucher, sieben Tage lang nicht an Zigaretten zu denken. Tatsächlich konsumierten die Probanden zunächst weniger Tabak. Allerdings führte die Methode zu einem Bumerangeffekt: In der darauffolgenden Woche erhöhten die Testpersonen ihren Konsum und rauchten sogar mehr, als sie das vor dem Experiment getan hatten. Dieser ironic rebound effect ist inzwischen durch mehrere Studien belegt: Gedanken unterdrücken, wenn sie sich bereits bunt und verlockend in unsere Fantasie geschlichen haben, das führt zu eben jenem Jo-Jo-Effekt, den man im Alltag so häufig bei Diäten erlebt.

6. Die Versuchung akzeptieren

Gedankenunterdrückung scheint also keine sinnvolle Strategie zu sein. Eine wachsende Zahl an Studien beschäftigt sich neuerdings mit Achtsamkeitstechniken, die das genaue Gegenteil empfehlen: Statt sich für seine Lust auf Süßigkeiten zu verurteilen, übt man sich darin, seinen Appetit zu akzeptieren und zu hinterfragen (disidentification). Man sagt nicht mehr „ich brauche jetzt unbedingt Schokolade“, sondern „ich spüre, wie in mir die Lust auf Schokolade wächst“. Durch diese subtile Unterscheidung wird man, so die Hoffnung, nicht mehr zum Opfer, sondern eher zum Beobachter des eigenen Verlangens und kann deshalb leichter widerstehen. „Mein Appetit ist nur ein Gedanke“ – in dieser Geistes-haltung trainierten australische Forscher einen Teil ihrer Probanden, die ausschließlich aus Schoko-holics bestanden. Anschließend schenkte man jeder Versuchsperson einen Beutel voller Schokolade mit der Bitte, diesen eine Woche lang bei sich zu tragen, ohne davon zu naschen. Den Teilnehmern aus der Achtsamkeitsgruppe gelang dieses Kunststück mehr als dreimal häufiger als den Probanden aus der Kontrollgruppe. #

7. „Ich tu’s trotzdem nicht!“

Wenn wir im Alltag von „Selbstkontrolle“ sprechen, denken wir in der Regel an dieses Szenario – Wilhelm Hofmann nennt es eine late-stage strategy: Wir möchten Diät halten, aber am Nebentisch verzehrt jemand ein Stück Sachertorte. Wir spüren, wie der Appetit auf Süßes in uns wächst, reißen uns aber zusammen und bestellen nur ein stilles Mineralwasser. Man hemmt also ein bestimmtes Verhalten. Manchmal gelingt uns das – und manchmal eben nicht. Einen Grund für unser gelegentliches Scheitern sieht der Sozialpsychologe Roy Baumeister in einem Phänomen, das er „Ich-Ermüdung“ (ego depletion) nennt: Willenskraft ist wie ein Muskel. Sie erlahmt viel schneller, als wir glauben. Die menschliche Psyche ist offenbar nicht in der Lage, sich permanent am Riemen zu reißen (siehe Heft 2/2012: Willenskraft). Auch die Persönlichkeit spielt eine Rolle: Manchen fällt die Verhaltenskontrolle grundsätzlich leichter als anderen. Für eher willensschwache Menschen scheint die „Ich tu’s einfach nicht“-Strategie keine besonders aussichtsreiche Option zu sein: Sie machen Diät und nehmen trotzdem nicht ab, wie die Zahlen in Wilhelm Hofmanns Studie belegen.

Ein weiterer Fallstrick dieser Strategie liegt in einem Phänomen, das der Verhaltensökonom George Loewenstein als hot-cold empathy gap bezeichnet: Wir Menschen sind ausgesprochen schlecht darin, unser Verhalten im Zustand des Begehrens vorherzusagen. Wir unterschätzen systematisch die Macht der Versuchung – und handeln, wenn’s drauf ankommt, immer wieder gegen unsere vernünftigen, langfristigen Ziele.

Kann man Verhaltenshemmung lernen? Im Prinzip ja: Manche Übungsprogramme versuchen die Verhaltenshemmung exakt dort einzuüben, wo sie am meisten gebraucht wird. Forscher der Universität Maastricht arbeiten dafür mit einer sogenannten „Go/No-go-Aufgabe“. Die Probanden sitzen vor einem Rechner und sollen möglichst schnell die Leertaste des Computers drücken, wenn auf dem Bildschirm der Buchstabe „f“ erscheint (go), sie sollen gar nichts tun, wenn der Buchstabe „p“ erscheint (no-go). Im Monitorhintergrund stehen Bilder von vollen und leeren Biergläsern. Bei manchen der Probanden erscheint das „p“ wie durch Zufall immer dort, wo ein volles Bierglas zu sehen ist. Die Versuchspersonen werden also heimlich darauf konditioniert, auf ein volles Bierglas mit „Ich tue gar nichts“ zu reagieren. Erste Versuche zeigen, dass man den Konsum von Bier bei starken Trinkern mit dieser Methode tatsächlich verringern kann. Ein ähnliches Experiment aus England reduzierte den Bierkonsum der Probanden ebenfalls. Allerdings hielt der Effekt nicht lange vor: Bereits eine Woche nach dem Training tranken die Teilnehmer wieder genauso viel wie zuvor.

So funktionieren gute Vorsätze!

Das neue Jahr liegt noch ganz frisch und unberührt vor Ihnen: Ein guter Zeitpunkt, um Ihre guten Vorsätze in die Tat umzusetzen. Doch wie gut sind Ihre Pläne eigentlich?

Am Neujahrstag wird das Wort „Diät“ 82 Prozent häufiger gegoogelt als an Durchschnittstagen, das haben Forscher der Universität von Pennsylvania errechnet. Und auch in Fitnessstudios strömen neue Mitglieder traditionell vor allem zu Beginn des Jahres. Warum ist der Jahresanfang für viele Menschen ein magischer Moment und ein Anlass für Kurskorrekturen? Die Wissenschaftler in Pennsylvania glauben, dass es uns an einem bedeutsamen Datum leichter fällt, uns psychologisch von unserem „alten Ich“ zu entfernen. Von dem Ich, das Arbeit lieber auf morgen verschiebt, das seine Liebsten anschnauzt und mit größter Selbstverständlichkeit vor dem Schlafengehen noch eine große Packung Ben & Jerry’s-Eiscreme löffelt. Mit diesem alten Ich soll im neuen Jahr Schluss sein. „Frischer-Start-Effekt“ – so nennen die Wissenschaftler in Pennsylvania dieses Phänomen. Schade nur, dass es uns oft nicht gelingt, diesen Anfangselan beizubehalten.

Wenn Sie im neuen Jahr durchhalten wollen, sollten Sie prüfen, wie zukunftsfähig Ihre Pläne sind.

Wie viele gute Vorsätze haben Sie?

Mit dem Rauchen aufhören, weniger trinken und gesünder essen: Oft sind die Pläne, die wir zu Beginn des Jahres schmieden, zu ambitioniert. Höchste Zeit, den Enthusiasmus zu kanalisieren und einen Vorsatz auszuwählen, den Sie wirklich realisieren wollen. Das vergrößert Ihre Erfolgschancen.

Warum wollen Sie sich verändern?

„Ich muss abnehmen, sonst mache ich mich am Strand lächerlich.“ Untersuchungen zeigen: Veränderungen, die auf Schuldgefühlen oder Angst basieren, haben die geringste Chance auf Erfolg. Wenn wir gute Vorsätze fassen, betrifft das oft Dinge, die wir nicht mehr in unserem Leben haben wollen. Fragen Sie sich lieber, wovon Sie mehr haben möchten. Werden Sie wirklich dreimal die Woche joggen gehen, wenn Sie nicht wirklich gerne laufen? Oder stehen Sie jeden Tag um halb sieben auf, wenn Sie doch ein Abendmensch sind? Fragen Sie sich also kritisch: Welche Veränderung, die ich bis Ende des Jahres erreicht haben möchte, liegt mir wirklich am Herzen?

Ist Ihr Vorsatz konkret genug?

Vage formulierte Pläne wie „ich will gesünder leben“ oder „ich werde mich nicht mehr so unter Druck setzen“ sind zum Scheitern verurteilt. Machen Sie Ihr Vorhaben ganz konkret, raten Psychologen. Zum Beispiel so: „Mittwoch und Freitag gehe ich vor dem Abendessen zwanzig Minuten joggen.“ Es hilft auch, ein großes Ziel in viele kleine Ziele zu unterteilen.

Erzählen Sie anderen, was Sie vorhaben?

Je mehr Menschen von Ihren Vorhaben wissen, desto mehr Unterstützung können Sie bekommen und desto größere Erfolgschancen haben Sie. Es wird ein ganzes Stück schwieriger, sich eine Zigarette anzuzünden, wenn jeder weiß, dass Sie mit dem Rauchen aufhören wollen.

Wird 2016 ein hartes Jahr für Sie?

Wenn wir mit unseren Vorhaben scheitern – und das passiert letztlich in den meisten Fällen –, kann unser Selbstbild leiden, und wir fühlen uns deprimiert. Deshalb: Wenn es viele andere Dinge in Ihrem Leben gibt, denen Sie Ihre Aufmerksamkeit widmen müssen, ist es wahrscheinlich klüger, Verhaltensänderungen zu verschieben.

Wie schnell geben Sie auf?

Es ist mühsam, das eigene Verhalten zu verändern. Studien haben gezeigt, dass immer mehrere Versuche nötig sind, um Erfolg zu haben. Deshalb ist es nicht klug, sofort das Handtuch zu werfen, wenn Sie einmal eine Verabredung zum Sport nicht einhalten oder wenn Sie vor einer Tüte Bonbons kapitulieren. Wissenschaftler raten dazu, Rückschläge als unvermeidbar zu betrachten und als Teil des Veränderungsprozesses zu akzeptieren. Forscher der Universität von Washington fanden zum Beispiel heraus, dass angehende Nichtraucher zu scheitern drohen, wenn sie in „Alles oder nichts“-Kategorien denken. Wer glaubt, er habe nicht genug Willenskraft, weil er mal eine Zigarette geraucht hat, wird eher aufgeben als jemand, der darüber nachdenkt, wie es zu dieser einen Zigarette kommen konnte. Und dann diese Situation in der Zukunft meidet.

Marloes Zevenhuizen

Quelle: Psychologie Magazine. Übersetzung aus dem Niederländischen: Birgit Schreiber

Literatur

Jackie Andrade: Imagined Pleasures: Using Imagery to Create Healthy Desires, Vortrag auf der International Convention of Psychological Science, Amsterdam 2015

Lotte van Dillen: A Busy Mind is a Neutral Mind? The Paradoxical Effects of Cognitive Load on Desire, Vortrag auf der International Convention of Psychological Science, Amsterdam 2015

James Erskine u.a.: I suppress, therefore I smoke: effects of thought suppression on smoking behavior, Psychological Science, 21(9), 2010, 1225-30

Wilhelm Hofmann u.a.: Cooling the heat of temptation: Mental self-control and the automatic evaluation of tempting stimuli, European Journal of Social Psychology, 40, 2010, 17-25

Wilhelm Hofmann, Loran Nordgren (Hg.): The Psychology of Desire, Guilford Publications, New York 2015

Katrijn Houben u.a. (2010): Learning to dislike alcohol: conditioning negative implicit attitudes toward alcohol and its effect on drinking behavior. Psychopharmacology, 211(1), 2010, 79-86

Kim Jenkins, Katy Tapper (2014): Resisting chocolate temptation using a brief mindfulness strategy. British Journal of Health Psychology, 19 (3), 2014, 509-522

Julien Lacaille u.a. : The effects of three mindfulness skills on chocolate cravings. Appetite, 76, 2014, 101-112.

Andrew Jones: The effects of alcohol-related cues on inhibitory control, Vortrag auf der International Convention of Psychological Science, Amsterdam 2015

Robyn Moffitt u.a.: A comparison of cognitive restructuring and cognitive defusion as strategies for resisting a craved food, Psychology & Health, 27 Suppl 2, 2012, 74-90

Brian Wansink u.a.: The office candy dish: proximity's influence on estimated and actual consumption, International Journal of Obesity, 30, 2006, 871-875

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 1/2016: Ausgebrannt