Endlich: Urlaub!

​Viele von uns streben das ganze Jahr dem Moment der Ferien entgegen. Die Tourismuspsychologie fragt, warum das so ist und wohin es uns dann zieht.

Der Autor holt einen am Anfang dort ab, wo man sich befindet: zu Hause. Der Tourismusforscher Hans-Peter Herrmann erklärt, wieso wir gerade im Alltag Palmen und Meer herbeisehnen und weshalb Urlaubsreisen solch einen großen Stellenwert in unserem Leben haben. „Die Urlaubstage gehören allgemein zu den wichtigsten Tagen im Jahr. Ihr hoher persönlicher Wert entsteht durch die zeitliche Begrenztheit“, schreibt er.

Mit Daten von Reiseveranstaltern oder Tourismusverbänden stellt Herrmann dar, aus welcher Motivation heraus die Deutschen wohin und wie lange reisen, wann sie dafür viel Geld ausgeben und wer in der Familie eigentlich die Entscheidung über den Urlaubsort in der Hand hat. So viel sei verraten: Es ist nicht der Mann.

Der Lehrbeauftragte aus Sachsen erklärt zudem, warum wir in der Ferne Heimweh haben, während wir daheim ständig weit wegwollen. Er analysiert zudem, wohin die Deutschen am liebsten verreisen – und räumt dabei mit einem Mythos auf. Denn Platz eins geht an: die Heimat. Deutschland ist das häufigste Reiseziel der Deutschen, egal ob Ostsee oder Alpen. Spanien, wie oft gedacht, steht nur an der Spitze, wenn es explizit um Auslandsreisen geht.

Zahlen, keine Erklärungen

Zur Psychologie des eigenen Reiseverhaltens sollte der Leser allerdings nicht zu viel Erhellendes erwarten. Die Analysen von Datenbanken liefern zwar Zahlen – aber wenig handfeste Erklärungen. Der Autor entwickelt diese selbst auf Basis von psychologischen Grundsätzen. Seine Theorien sind zumeist einleuchtend. Doch tatsächlich gibt es keine Studien, die diese überprüft haben. Sie werden zumindest nicht vom Autor zitiert.

Der Leser erfährt stattdessen vor allem, wie die Tourismusbranche so tickt. Herrmann erklärt ausgiebig, welche Firmen hinter welchen Marken stecken und mit welchen Mitteln diese versuchen, potenzielle Urlauber anzulocken. Man erfährt, zu welchen Zeitpunkten die meisten Werbemaßnahmen geschaltet werden (Winter) und mit welchen neuen Trends die Tourismusszene zur Zeit aufwartet (Roboter).

Zudem werden Konzernstrukturen, sogar Lebensläufe der Vorstände der hiesigen Reiseriesen lang und breit besprochen. Welche Ausbildungswege in die Tourismusbranche führen, legt er ebenfalls umfassend dar. Herrmann versucht zudem, die Hemmung vor Supermarktreisen abzubauen und eine Lanze für Reisebüros zu brechen.

Als Reiselektüre eignet sich das Buch eher nicht, auch weil es recht trocken daherkommt. Eine Entscheidungshilfe vor der Reise ist es allerdings auch nicht. Kritisch gelesen, kann es aber die Reflexion über den eigenen Reisekonsum anregen. Und es kann ein paar interessante Fakten lehren, die sich gut für einen Smalltalk unter Freunden eignen.

Hans-Peter Herrmann, Pauline Wetzel: Fernweh und Reiselust. Streifzüge durch die Tourismuspsychologie. Springer, Berlin 2018, 217 S., € 14,99

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 9/2018: Die Kraft des Verzeihens
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