Carsten, ein 45-jähriger Richter, kommt in meine Sprechstunde. Er betont, dass er keine umfängliche Therapie möchte, sondern sich eine rasche Lösung für sein Problem erhofft.
Auf meine Frage, was ihn denn belaste, erfahre ich, dass er häufig ausrastet. Er wird laut, beleidigt andere Menschen, vergreift sich im Ton. Als ich ihn bitte, Situationen zu schildern, in denen er sich so verhält, erzählt er, dass es schon ausreicht, wenn jemand nicht seiner Meinung ist. Auch das Gefühl, von seinem Gegenüber nicht geschätzt zu werden, kann das Verhalten hervorrufen. Traurig fügt er hinzu, dass er mit diesem Verhalten bereits viele Menschen, darunter auch einen langjährigen Freund in die Flucht geschlagen habe.
Ich möchte etwas über seine Lebensumstände wissen. Seinen Beruf übe er gern aus und seine Ehe sei gut, erzählt er. Aber über seine Herkunftsfamilie spreche er nicht gern. Sein Vater und seine Brüder seien Bauarbeiter. Den Besuch des Gymnasiums habe er sich hart erkämpfen müssen. Er wurde verhöhnt, „der Herr Gymnasiast“ genannt. Am schlimmsten aber war das gewalttätige und autoritäre Verhalten des Vaters. Habe er als Kind mal gewagt zu widersprechen, habe es regelmäßig Ohrfeigen gesetzt. Von den Prügelattacken, die an der Tagesordnung waren, wolle er gar nicht sprechen.
Ich sage Carsten, dass er stolz auf sich sein könne, trotz dieser beengenden und gewalttätigen Verhältnisse seinen eigenen Weg gegangen zu sein. Er wirkt nachdenklich und meint, dass er das so noch gar nicht gesehen habe. Aber ob er auf sich stolz sein könne, wolle er nicht besprechen. Er…
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