Schwitzend, verdreckt, mit knurrendem Magen in der Schwüle des Dschungels liegend, malt sich Marc Wallert erstmals ein Bild aus, das ihn in den folgenden Wochen seiner Gefangenschaft begleiten wird: Er ist in seinem Stammcafé in Luxemburg und blättert in einer der ausliegenden Zeitungen. Im Hintergrund läuft Musik, der Duft gerösteter Kaffeebohnen hängt in der Luft. Freunde gesellen sich zu ihm und begrüßen ihn freudig – ihn, den sie so lange nicht gesehen haben. Und dann erzählt er ihnen, wie es damals war während der Entführung, die er nun so glücklich überstanden hat.
Am Ostersonntag vor 20 Jahren verschleppten Terroristen auf der malaysischen Insel Sipadan 21 Tauchtouristen und Hotelangestellte; Marc Wallert war einer von ihnen. Fast fünf Monate dauerte sein Martyrium. In seiner Fantasie konnte er die bedrückende Gegenwart zumindest für kurze Zeit hinter sich lassen. „Ich habe mir bis ins kleinste Detail ausgemalt, was ich als freier Mann tun werde und wie sich das anfühlen wird“, sagt er heute. „Diese Wunschvorstellungen haben mir nicht nur viel Kraft gegeben; sie halfen mir auch, mich in dieser immensen Stresssituation innerlich auszurichten und mich so zu verhalten, dass ich mein Ziel erreiche: zu überleben.“
Wünsche entspringen Bedürfnissen; sie entstehen, wenn es uns an etwas mangelt: In Gefangenschaft sehnen wir uns nach Freiheit, bei Durst nach Wasser, während des Lockdowns nach den Enkeln oder unseren Freunden. Wünsche können ein Fenster sein, durch das wir sehen, was uns in unserem Leben…
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