Herr Braun, viele Menschen erinnern sich nur selten an etwas aus den „3 bis 4 Stunden Traumleben einer durchschnittlichen Nacht“. Gibt es Methoden, mit deren Hilfe man sich besser an seine Träume erinnern kann?
Wir gehen innerlich auf unsere Träume zu, wenn wir am Vorabend versuchen, uns auf die kommenden Traumereignisse der Nacht einzustellen. Sind wir dabei neugierig oder vielleicht zurückhaltend oder gar ängstlich? Sind wir gespannt auf unser „Traumkino“ oder hoffen wir eher, träumend nicht gestresst oder beunruhigt zu werden? Ich empfehle, schon am Vorabend den Traumbildern einen „Erinnerungsraum“ bereitzustellen.
Und wenn ich dann morgens wieder aufwache?
Wegen der Flüchtigkeit der Träume haben wir am Morgen meist nur ein kleines Zeitfenster, in welchem die Traumgeschichten noch lebendig präsent sind. Es empfiehlt sich, Schreib- oder Diktiermöglichkeiten bereitzuhalten und vor allem, sich morgens beim Aufwachen etwas Zeit für die letzten Traumszenen zu lassen. Eine speziellere Empfehlung wäre, ein eigenes Speichersystem zu entwickeln. Versuchen Sie, einen „Traumschnappschuss“, ein besonders eindrückliches Traumelement innerlich festzuhalten. Geben Sie Ihrer Traumgeschichte einen Filmtitel! Vielleicht finden Sie dann im Lauf des Tages Zeit, die Traumgeschichte ausführlicher zu rekapitulieren. Es ist wichtig, im Umgang mit den eigenen Träumen nicht ungeduldig zu sein: Traumerinnern ist eine Entspannungsübung!
Träume werden meist geformt durch das, was wir im Leben aktuell erfahren und was uns emotional beschäftigt. Warum sind glückliche Erfahrungen selten Traumauslöser?
Glückliche Erfahrungen sind weitgehend konfliktfrei im episodischen Gedächtnis niedergelegt und deshalb selten Traumauslöser. Glück im Traum ist oft mit Zukunftshoffnungen verbunden. Werden solche Wunschbilder durch Verlustängste bedroht, können sie im Traum als Gefahren auftauchen, die das Traum-Ich bewältigen muss. Träume regulieren Emotionen. Gerade in schwierigen, konflikthaften Lebenssituationen verstärkt sich die Traumaktivität, oft in Form von Angst- oder Albträumen. In zugespitzten Krisensituationen können sich aber auch plötzlich klarere, lösungsorientierte Träume ereignen. Und welch ein Glück, wenn einem wegweisenden Traum dann produktiv gefolgt werden konnte!
Haben Sie hierfür ein Beispiel?
Träume helfen uns dabei, schwierige Erfahrungen mit Mitmenschen, Ängste und unsichere Zukunftsaussichten gefühlsmäßig zu bewältigen und deren Themen in unser emotionales Beziehungsgedächtnis zu integrieren. So führen Albträume vor Prüfungen bei Studenten zu besseren Ergebnissen im Examen! Die Prüfungsangst war im Vorfeld bearbeitet worden, sie konnten entspannter mit der ängstigenden Situation umgehen.
In Ihrem Buch liefern Sie Handwerkszeug für die Traumpraxis. Was „tut“ man mit einem Traum, wenn man sich an ihn erinnert?
Ich empfehle, die Träume festzuhalten, am besten aufzuschreiben oder auch zu malen oder anders kreativ umzusetzen. In meinem Buch gibt es Vorschläge für die Gestaltung eines Traumtagebuchs. Es kann sehr fruchtbar sein, ab und zu Einblick zu nehmen in die eigene Traumserie. Bei genauerer Beobachtung geraten wir auch tagsüber immer wieder kürzer oder länger in ein traumartiges Nachdenken der Psyche im Hintergrund unserer bewussten Einstellungen. Der nächtliche Traum verdichtet aber eine „Traumgeschichte“, und es lohnt sich, immer wieder zu fragen: Zeigt mir gerade dieser Traum etwas über mich, woran ich zu wenig gedacht habe?
Claus Braun ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Psychoanalytiker in eigener Praxis
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Claus Brauns Buch Mit Träumen zu sich finden ist bei Brandes & Apsel erschienen (236 S., € 34,90)