Wie findet man mit Träumen zu sich?

Schon wieder nichts geträumt? Claus Braun stellt im Interview ein paar Methoden vor, mit deren Hilfe man sich besser an seine Träume erinnern kann

Die Illustration zeigt den Facharzt für Neurologie udn Psychiatrie und Psychoanalytiker mit eigenenr Praxis, Claus Braun
Claus Braun ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Psychoanalytiker. © Jan Rieckhoff für Psychologie Heute

Herr Braun, viele Menschen erinnern sich nur selten an etwas aus den „3 bis 4 Stunden Traumleben einer durchschnittlichen Nacht“. Gibt es Methoden, mit deren Hilfe man sich besser an seine Träume erinnern kann?

Wir gehen innerlich auf unsere Träume zu, wenn wir am Vorabend versuchen, uns auf die kommenden Traumereignisse der Nacht einzustellen. Sind wir dabei neugierig oder vielleicht zurückhaltend oder gar ängstlich? Sind wir gespannt auf unser „Traumkino“ oder hoffen wir eher, träumend nicht gestresst oder beunruhigt zu werden? Ich empfehle, schon am Vorabend den Traumbildern einen „Erinnerungsraum“ bereitzustellen.

Und wenn ich dann morgens wieder aufwache?

Wegen der Flüchtigkeit der Träume haben wir am Morgen meist nur ein kleines Zeitfenster, in welchem die Traumgeschichten noch lebendig präsent sind. Es empfiehlt sich, Schreib- oder Diktiermöglichkeiten bereitzuhalten und vor allem, sich morgens beim Aufwachen etwas Zeit für die letzten Traumszenen zu lassen. Eine speziellere Empfehlung wäre, ein eigenes Speichersystem zu entwickeln. Versuchen Sie, einen „Traumschnappschuss“, ein besonders eindrückliches Traumelement innerlich festzuhalten. Geben Sie Ihrer Traumgeschichte einen Filmtitel! Vielleicht finden Sie dann im Lauf des Tages Zeit, die Traumgeschichte ausführlicher zu rekapitulieren. Es ist wichtig, im Umgang mit den eigenen Träumen nicht ungeduldig zu sein: Traumerinnern ist eine Entspannungsübung!

Träume werden meist geformt durch das, was wir im Leben aktuell erfahren und was uns emotional beschäftigt. Warum sind glückliche Erfahrungen selten Traumauslöser?

Glückliche Erfahrungen sind weitgehend konfliktfrei im episodischen Gedächtnis niedergelegt und deshalb selten Traumauslöser. Glück im Traum ist oft mit Zukunftshoffnungen verbunden. Werden solche Wunschbilder durch Verlustängste bedroht, können sie im Traum als Gefahren auftauchen, die das Traum-Ich bewältigen muss. Träume regulieren Emotionen. Gerade in schwierigen, konflikthaften Lebenssituationen verstärkt sich die Traumaktivität, oft in Form von Angst- oder Albträumen. In zugespitzten Krisensituationen können sich aber auch plötzlich klarere, lösungsorientierte Träume ereignen. Und welch ein Glück, wenn einem wegweisenden Traum dann produktiv gefolgt werden konnte!

Haben Sie hierfür ein Beispiel?

Träume helfen uns dabei, schwierige Erfahrungen mit Mitmenschen, Ängste und unsichere Zukunftsaussichten gefühlsmäßig zu bewältigen und deren Themen in unser emotionales Beziehungsgedächtnis zu integrieren. So führen Albträume vor Prüfungen bei Studenten zu besseren Ergebnissen im Examen! Die Prüfungsangst war im Vorfeld bearbeitet worden, sie konnten entspannter mit der ängstigenden Situation umgehen.

In Ihrem Buch liefern Sie Handwerkszeug für die Traumpraxis. Was „tut“ man mit einem Traum, wenn man sich an ihn erinnert?

Ich empfehle, die Träume festzuhalten, am besten aufzuschreiben oder auch zu malen oder anders kreativ umzusetzen. In meinem Buch gibt es Vorschläge für die Gestaltung eines Traumtagebuchs. Es kann sehr fruchtbar sein, ab und zu Einblick zu nehmen in die eigene Traumserie. Bei genauerer Beobachtung geraten wir auch tagsüber immer wieder kürzer oder länger in ein traum­artiges Nachdenken der Psyche im Hintergrund unserer bewussten Einstellungen. Der nächtliche Traum verdichtet aber eine „Traumgeschichte“, und es lohnt sich, immer wieder zu fragen: Zeigt mir gerade dieser Traum etwas über mich, woran ich zu wenig gedacht habe?

Claus Braun ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Psychoanalytiker in eigener Praxis

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Wir freuen uns über Ihr Feedback! Haben Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Beitrag oder möchten Sie uns eine allgemeine Rückmeldung zu unserem Magazin geben? Dann schreiben Sie uns gerne eine Mail (an: redaktion@psychologie-heute.de).

Wir lesen jede Nachricht, bitten aber um Verständnis, dass wir nicht alle Zuschriften beantworten können.

Claus Brauns Buch Mit Träumen zu sich finden ist bei Brandes & Apsel erschienen (236 S., € 34,90)

Newsletter
Aus der Redaktion

Mit Infos zu unseren Schwer­punkt­themen und inhaltlichen Highlights.

Ihre Daten nutzen wir, wie es in der Datenschutzerklärung erläutert ist

Bei der Newsletter-Registrierung ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es später noch einmal.
Sie wurden erfolgreich für den Newsletter registriert.
Artikel zum Thema
Wie schaffen es die meisten Menschen, zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl aufzuwachen? Forscher haben inzwischen Spuren der "Kopfuhr" entdeckt.
Können wir unser Bewusstsein erweitern? Ja, und wir brauchen dafür keine Drogen, meint der Mediziner und Psychologe Rolf Verres.
Wir alle träumen, auch wenn wir uns oft nicht daran erinnern. Welche Funktion die nächtlichen Bilder haben, ist umstritten.
Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 8/2025: Drüber wegkommen
Anzeige
Psychologie Heute Compact 81: Sinnerfüllt leben