Hoch motiviert auch ohne Wettkampf

Manchen Menschen ist es nicht so wichtig zu gewinnen. Sie möchten nicht, dass andere wegen ihnen Nachteile haben, dies zeigt eine Studie.

Gewonnen! Das ist auch im Sport nicht allen gleich wichtig. © Jef de Puydt/Getty Images

Wettbewerb fördert Leistung, das gilt als unumstritten. Aber umgekehrt wird kein Schuh daraus: Menschen, die ein kompetitives Umfeld nicht mögen, sind trotzdem hoch motiviert. Dies zeigt eine Studie des Psychologen Uriel Haran und seiner Kolleginnen und Kollegen der Ben-Gurion University oft he Negev in Beer-Sheva in Israel. Die Psychologinnen und Psychologen gingen von der Annahme aus, dass manche Menschen Wettbewerb eher meiden, weil sie die Interessen anderer nicht beeinträchtigen möchten, weil sie also schon vorab Schuldgefühle empfinden, dass sie das eventuell tun könnten. Forschende nennen diese Haltung Guilt proneness.

In zwei Laborexperimenten sowie zwei Feldexperimenten gingen die Wissenschaftler dem Zusammenhang zwischen der Neigung zu Schuldgefühlen und der Wettbewerbsmotivation nach. Sie stellten fest: diejenigen Probandinnen und Probanden mit einer stärkeren Neigung zu Schuldgefühlen gingen kompetitiven Situationen eher aus dem Weg oder beurteilten diese negativ und umgekehrt: Nicht-kompetitive Situationen fanden sie motivierender.

Die Forschenden schreiben, dass diese Neigung zu Schuldgefühlen als eigenständige Persönlichkeitseigenschaft bezeichnet werden könne. Zunächst ließen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Managementstudierende an einer israelischen Universität an Computerspielen teilnehmen, wahlweise einem Spiel mit Wettbewerberinnen und Wettbewerbern oder allein gegen den Computer. In einer Feldstudie wurden angehende Ärztinnen und Ärzte danach gefragt, auf welchem medizinischen Fachgebiet sie sich spezialisieren wollten und unterschieden die Fachgebiete danach, wie stark kompetitiv sie waren. So wurde zum Beispiel die Chirurgie als kompetitiv bewertet und Fächer, in denen Medizinerinnen mehr mit Patientinnen im Kontakt sind, als weniger wettbewerbsorientiert. Auch hier spielte es bei der Bewertung eine Rolle, ob die Personen Wettbewerb mochten oder nicht.

Darüber hinaus befragten die Forschenden insgesamt 922 Laiensportlerinnen aus 104 Catchball-Teams, inwieweit sie kompetitive Spielstrategien bevorzugten gegenüber einer weniger gewinnorientierten Strategie, bei der dafür alle Mitspielenden gleichermaßen zum Zug kommen. Catchball ist eine Variante des Volleyballs, aber einfacher, weil der Ball auch mit den Händen gefangen werden darf. Das Spiel wurde in Israel entwickelt mit dem Ziel, Amateurinnen und Amateure zu stärken und es ihnen zu ermöglichen, an organisierten Wettbewerben teilzunehmen. Laiensportlerinnen und Sportler unterscheiden sich in ihrer Wettbewerbsorientierung naturgemäß stärker als Profis es tun, so die Autorinnen und Autoren.

Die Forschenden nehmen an, dass es die Sorge um die anderen ist, die dazu führt, dass sich Menschen in wettbewerbsorientierten Situationen nicht wohl fühlen. Wettbewerb puscht wohl nur die Leistung derjenigen, die ihn auch schätzen und bereit sind, eventuelle Nachteile für andere in Kauf zu nehmen, wenn sie selbst gewinnen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler empfehlen Unternehmen und Organisationen, bei Einstellungen gut auf den Person-Job-Fit zu achten, also darauf, dass die Wettbewerbsorientierung der Person zum Jobprofil passt – hohe Motivation und Wettbewerbsorientierung können miteinander einhergehen, tun es aber nicht immer.

Uriel Haran u. a.: Winning isn`t everything: Guilt proneness and competitive vs. non-competitive motivation. Journal of Personality, 2023. DOI: 10.1111/jopy.12834

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