Wie wehrt man sich gegen Manipulation?

Wie erkenne ich, dass ich manipuliert werde? Und wie sollte ich darauf reagieren? Rainer Sachse über den Umgang mit manipulativen Menschen.

Die Illustration zeigt eine Angestellte, die auf einem Schreibtischturm sitzt und Blätter und Bücher herunterfallen, während zwei große dunkle Hände am Turm herumschieben wie bei einem Spiel
Ob Drohungen oder Schmeichelei – Manipulation begegnet uns an verschiedenen Stellen im Alltag, auch im Beruf. © Stephan Schmitz für Psychologie Heute

Herr Professor Sachse, wie leicht lassen wir uns manipulieren?

Manipulation bedeutet ja, jemanden zu etwas zu bringen, das er oder sie eigentlich nicht tun will. Dafür sind wir unterschiedlich anfällig und haben vor allem verschiedene Schwachstellen: Manche lassen sich zum Beispiel von Drohungen schnell einschüchtern, andere springen auf Komplimente an.

Eine gelungene Manipulation funktioniert immer nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip: Die Technik muss zum Opfer passen. Manchmal hilft es schon, seinen…

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dem Schlüssel-Schloss-Prinzip: Die Technik muss zum Opfer passen. Manchmal hilft es schon, seinen persönlichen Schwachpunkt zu kennen.

Welche Manipulationstechniken begeg­nen uns im Alltag?

Eine ziemlich verbreitete Technik ist tat­sächlich das Schmeicheln. Dabei versucht jemand, uns gezielt in eine gute Stimmung zu versetzen, bevor dann eine Forderung kommt. Wenn ich mich von schönen Worten beeindrucken lasse, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ich auf die Forderung eingehe.

Es gibt aber auch sogenannte negative Strategien. Dabei appelliert ein Manipulator an das schlechte Gewissen seines Gegenübers und stellt sich bewusst als schwach und hilflos dar. Das sieht man in Beziehungen, etwa wenn eine Person Kopfschmerzen vortäuscht. Statt offen zu sagen: „Ich hätte gerne, dass du heute Abend bei mir bleibst“, lügt die Person – denn sie weiß, dass sie damit einen Nerv trifft.

Ab wann wird Manipulation gefährlich?

Solange sich Manipulationsversuche in einer Zweierbeziehung die Waage halten, also mal der eine auf den anderen geschickt einwirkt, um den eigenen Willen durchzusetzen, und beim nächsten Mal umgekehrt, ist alles in Ordnung. Ist diese Reziprozität hingegen klar verletzt, wird Manipulation bösartig. Es gibt Menschen, die geben Ihnen nichts zurück, versuchen massiv, Sie zu kontrollieren, und beuten Sie aus.

Woran erkenne ich trotzdem, dass ich gerade ausgebeutet werde?

Das Erste, das Betroffene bemerken, ist so ein diffuses Gefühl. Ihre Intuition sagt Ihnen in der Regel frühzeitig, dass hier etwas nicht stimmt – sei es im Kontakt mit dem Partner, der Mutter oder einer Kollegin –, dass Sie plötzlich Dinge tun, die Sie eigentlich nicht wollen. Man sollte diesem Bauchgefühl trauen, denn es ist sehr valide.

Wie wehrt man sich dann?

Zuerst sollten Sie das, was im Geheimen abläuft, transparent machen – machen Sie ruhig und rational deutlich, dass Sie das Manöver durchschauen, nach dem Motto: Der Versuch ist nicht strafbar, aber zwecklos. Damit signalisieren Sie dem Manipulierenden: Ohne mich! Sobald die Karten auf dem Tisch liegen, läuft Manipulation meist ins Leere. Das Schlüsselloch ist sozusagen dicht.

Funktioniert dies auch bei hochmanipulativen Menschen?

Möglicherweise tut die Person zunächst unschuldig und streitet alles ab. Dann bleiben Sie am besten dabei und sagen: „Es kann sein, dass ich mich über deine Absichten irre, fest­steht, dass ich das nicht möchte.“ Müssen Sie besonders vorsichtig sein, weil es sich zum Beispiel um Ihren Chef handelt, ist es sinnvoll, sich mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen, bevor Sie sich behutsam zur Wehr setzen.

Es gibt aber Zeitgenossen, mit denen können Sie nicht verhandeln. Die teilen die gängigen sozialen Normen nicht, und es ist ihnen egal, wie es anderen geht. Unseren Klientinnen und Klienten müssen wir dann leider im Zweifelsfall raten zu gehen, egal ob es um eine Stelle geht oder eine Beziehung.

Rainer Sachse ist außerplanmäßiger Professor für klinische Psychologie und ­Psychotherapie an der Ruhr-­Universität Bochum und leitet das Bochumer Institut für Psycholo­gische Psychotherapie. Er ist Experte für den Umgang mit ­manipulativen Menschen.

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 2/2023: Du manipulierst mich nicht