Wie werden Patchworkpaare glücklich?

Wie ein Patchworkpaar bei so vielen Beteiligten dauerhaft glücklich werden kann, erklärt Familientherapeutin Katharina Grünewald im Interview. ​

Die Illustration zeigt die Diplompsychologin und Patchwortfamilientherapeutin Katharina Grünewald
Katharina Grünewald ist Diplompsychologin und Patchworkfamilientherapeutin. © Jan Rieckhoff

Dass Menschen nach dem Scheitern einer Beziehung der Liebe mit einem neuen Partner, einer neuen Partnerin eine Chance geben wollen, ist verständlich. Aber wie kann ein Patchworkpaar dauerhaft glücklich werden bei so vielen Beteiligten?

Oftmals fordert die Trennung von dem Ex-Partner oder von der Ex-Partnerin noch Aufmerksamkeit, oder die Sorge um die Kinder hält einen vom unbeschwerten Einlassen auf die neue Liebe ab. Ein Rezept, wie die Liebe dennoch gelingen kann, steckt bereits im Namen. Es kommt auf das stimmige Zusammenspiel zwischen „Patch“ und „Work“ an. Mit „Patch“ ist das zweckfreie Beisammensein gemeint, Zeit miteinander verbringen – am besten in Ruhe und Gelassenheit ohne Aufgabe und Ziel. So ist es möglich, dass die Liebenden einfach spüren, was jeder braucht, und sich „von selbst“ finden. Ohne „Work“ geht es allerdings nicht: Die respektvolle Auseinandersetzung über offene Fragen und Konflikte ist die Grundlage der Patchworkliebe. Hier wird daran gearbeitet, dass alle Bedürfnisse und Wünsche, aber auch Widerstände der Liebenden Platz in der Patchworkfamilie finden.

„Wenn die Liebe gelingt, gelingt auch die Patchworkfamilie“, schreiben Sie in Ihrem Buch. Warum zerbricht dann fast jede zweite Patchworkfamilie?

Ich unterscheide sechs Phasen der Patch­workliebe. Auf dem Weg von der ersten energetisierenden Verliebtheit in Phase eins hin zur selbstbewussten Patchworkliebe in Phase sechs sind allerdings einige Hürden zu nehmen. Ich führe durch die Phasen und ermuntere dazu, jede bewusst wahrzunehmen und zu durchleben. Oftmals kommt nach den ersten Unstimmigkeiten in der Liebesbeziehung die Idee auf, dass alles einfacher werden würde, wenn das Paar den Alltag zusammenlegen würde. Das wäre ein Sprung von Phase zwei zu Phase fünf. Diese Abkürzung ist jedoch oftmals mitverantwortlich für die häufigen Trennungen. Die Konflikte, die ein gemeinsamer Alltag mit sich bringt, wären vermeidbar, wenn sich das Paar Zeit ließe, sich zunächst bewusst mit dem Ich und dem Du auseinanderzusetzen. Erst dann kann das Liebespaar eine tragfähige Vision für das Wir entwickeln. In meinem Buch beschreibe ich die Fallstricke, aber auch die Chancen jeder Phase sehr anschaulich an Fallbeispielen und sensibilisiere für den Umgang mit Ambivalenzen, Sehnsuchtsfallen und Konflikten.

In The Single Girl’s Guide to Marrying a Man, His Kids, and His Ex-Wife schreibt die amerikanische Autorin Sally Bjornsen, dass man „Hornhaut ums Herz“ brauche, weil die Gemeinheiten, zu denen Stiefkinder fähig sind, nicht anders auszuhalten seien. Was können Stief­eltern tun, die sich schlecht behandelt fühlen?

Ob Hornhaut das richtige Bild ist? Ich plädiere eher für Sensibilität. Denn sie eröffnet ein Verstehen. Empfindsamkeit und Empathie ermöglichen es, hinter die „Gemeinheiten“ der Kinder zu blicken: Die sind oftmals Ausdruck ihres Loyalitätskonfliktes, den sie durch ihr abweisendes Verhalten zu lösen versuchen. Diese Erkenntnis eröffnet einen Ausweg aus der Kränkungsfalle und fördert eine entspannte Haltung, die es erlaubt, den Kindern und sich selbst liebevoll zu begegnen. Und je mehr Rückendeckung ich mir selbst gebe, um so großzügiger kann ich mich auch auf die anderen einlassen.

Katharina Grünewald ist Diplompsychologin und Patchworkfamilientherapeutin. Das Glück und die Herausforderungen des Patchworklebens kennt sie aus eigener Erfahrung

Katharina Grünewalds Buch Glückliche Patchworkpaare. Wie die Liebe mit neuer Familie gelingt ist bei Beltz erschienen (222 S., € 17,95)

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 6/2021: Menschen verstehen wie die Profis
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