Heilende Filme

Brigitte Fellinger plädiert in ihrem Buch dafür, „Spielfilme in der Psychotherapie“ einzusetzen.

Künstlerische Werke – vor allem Literatur – spielen in der Psychotherapie schon seit den Anfängen eine wichtige Rolle. Dass Susanne Fellinger in ihrem Grundlagenwerk – wie sie es selbst nennt – Spielfilme in der Psychotherapie die Integration auch von Filmen in Psychotherapien propagiert, ist einleuchtend. Weil die Figuren häufig grundsätzliche menschliche Erfahrungen und Konflikte exemplarisch verkörpern und durchleben.

Naheliegend ist die Berücksichtigung von Filmen in der therapeutischen Praxis für die Autorin sowohl inhaltlich wie methodisch aus zwei Gründen: Zum einen haben Filme bei vielen Menschen Bücher ersetzt, zudem ermöglichen sie in der Gruppentherapie eine gemeinsame Rezeption und ein unmittelbareres Sprechen über das Gesehene und Erlebte.

Fellinger richtet sich primär an praktizierende Therapeuten, denen sie die Wirkung und den Gewinn der Arbeit mit Filmen nahe bringen will. Nach einem kurzen filmhistorischen Abriss erläutert sie gewissenhaft die Indikation und Kontraindikation dieser Methode sowie deren rechtliche Voraussetzungen. Sodann entfaltet sie anhand zahlreicher Filme, warum und wie diese in der Therapie produktiv eingesetzt werden können.

Filmästhetische Momente

Die spezifische Wirkung von Filmen für den therapeutischen Prozess liegt nicht zuletzt darin, dass zu der präsentierten Geschichte Elemente wie Musik, Schnitt, Licht sowie die Unmittelbarkeit der Figuren und deren Interaktionen treten. Diese Vielfalt auch ästhetischer Eindrücke erzeugt vielschichtige Impulse, die oft jenseits der rational-sprachlichen Ebene wirken. Interessant sind die von Fellinger entworfenen Fragebögen, die sie den Klienten in der Einzeltherapie zur Nachbereitung des angeschauten Films mitgibt. Darin thematisiert sie nicht nur die Inhalte der Geschichte, emotionale Reaktionen der Figuren und die vermittelten Werte, sie lenkt das Augenmerk auch auf die Wirkung von filmästhetischen Momenten. Dieses Vorgehen öffnet diverse (Um-)Wege zum Erleben und zu zurückliegenden Erfahrungen der Klienten, die jenseits der vertrauten Erinnerungswege das Betreten von Neuland ermöglichen können.

Filme verantwortungsvoll einsetzen

Allerdings erfordert diese unterschwellige, schwer zu kontrollierende Wirkung von Filmen Umsicht und Verantwortungsgefühl bei deren Einsatz in der Therapie. So weist Fellinger nachdrücklich darauf hin, dass Patienten auf bestimmte Filme vorbereitet, anschließend achtsam begleitet und vor bestimmten Themen auch geschützt werden müssen. Dafür braucht es nicht nur therapeutisches Wissen, sondern auch Lebenserfahrung.

Die Autorin schließt mit Tipps für das Drehen eines Films zusammen mit Klienten und einem Bericht über ihre Erfahrungen in der therapeutischen Arbeit im Strafvollzug. Hier sind Filme als methodische Ergänzung besonders geeignet, da sie ein niederschwelliges Angebot und gut in Gruppen einsetzbar sind.

Fellingers engagiertes Plädoyer für die Arbeit mit Spielfilmen in der Psychotherapie ist durch seine Informationsfülle spannend für Fachleute, macht aber auch darüber hinaus Lust, sich von der zu Selbsterkundung einladenden Wirkung von Spielfilmen überraschen zu lassen.

Susanne Fellinger: Spielfilme in der Psychotherapie. Reinhardt, München 2018, 153 S., € 26,90

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 4/2019: Die Kraft des Atmens
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