Herr Professor Freund, Dankbarkeit ist ein Begriff, der dieser Tage häufig in Artikeln und Ratgebern für mehr Lebenszufriedenheit auftaucht. Ist diese Begeisterung berechtigt oder übertrieben?
Dankbarkeit wurde in der Psychologie und Psychotherapie lange nicht erforscht und war auch in den Medien kein Thema. Es gibt also einen großen Nachholbedarf, und der ist, denke ich, berechtigt. Aber die hymnische Begeisterung, was die Auswirkungen angeht, sollte man kritisch betrachten. Es sind mit Dankbarkeit zwar…
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sollte man kritisch betrachten. Es sind mit Dankbarkeit zwar deutlich positive Wirkungen verbunden, aber es gibt auch Nebenwirkungen und Indikationsgrenzen.
Welche positiven Effekte von Dankbarkeit lassen sich wissenschaftlich belegen?
Die Zahl der Studien ist mittlerweile unübersehbar, und auch die Zahl der nachgewiesenen Effekte ist sehr groß – etwa die Verbesserung von Schlaf und zwischenmenschlichen Beziehungen sowie die Reduktion von Sorgen, Grübeln und Depressivität. Aber wir müssen die Studien methodisch genauer unter die Lupe nehmen, um zu schauen, was sie wirklich aussagen. Es gibt mittlerweile auch Metaanalysen, die die Erwartungen ein bisschen dämpfen, weil sie zeigen, dass die Effekte nicht so hoch sind, wie vielfach angepriesen. Dankbarkeit ist kein Allheilmittel.
Was heißt das eigentlich genau – dankbar sein?
Wir können Dankbarkeit als ein aktuelles Gefühl in einer konkreten sozialen Situation verstehen: Ich bekomme von einer anderen Person, die mir etwas Gutes geben möchte, eine Wohltat, ein Geschenk. Das Gefühl, das sich dann einstellt, würde ich als Dankbarkeit bezeichnen.
Dankbarkeit kann aber auch ein Persönlichkeitsmerkmal sein und beschreibt dann die Fähigkeit zur Wahrnehmung und Wertschätzung des Guten in der Welt und die Anerkennung, dass ich Empfänger von guten Dingen bin, die ich mir selbst nicht schaffen kann. Der Aspekt, dass andere zu meinem Wohl beitragen, ist ein aus meiner Sicht wichtiger Aspekt, den allerdings nicht alle Definitionen von Dankbarkeit enthalten.
Für was sind Menschen denn typischerweise dankbar?
Es gibt für Deutschland eine interessante Umfrage, die die Grundkategorien gut widerspiegelt. Wenn man die wichtigsten Dinge, die dort genannt werden, analysiert, sieht man: Menschen sind vor allem für gute zwischenmenschliche Beziehungen dankbar, also Partnerschaft, Ehe, gute Freunde, Kinder. Und sie sind dankbar für Dinge, die sie selbst nicht machen können, sondern die ihnen zuteilwerden, wie zum Beispiel Frieden in Deutschland und Europa oder die eigene Gesundheit.
Warum wirken Gefühle der Dankbarkeit so positiv auf unsere psychische Gesundheit?
Da gibt es mehrere Erklärungsansätze. Ein Beispiel ist die Broaden-and-build-Theorie von Barbara Fredrickson, einer Vertreterin der positiven Psychologie, nach der positive Emotionen unser Denken erweitern, mehr Raum und Kreativität schaffen und unsere sozialen Beziehungen stärken sowie neue schaffen.
Die Find-remind-and-bind-Theorie von Sara Algoe zeigt, wie stark die Verbesserung sozialer Kontakte und Dankbarkeit miteinander verbunden sind: Wenn ich wahrnehme, dass andere zu meinem Wohlergehen da sind, habe ich eine sehr viel positivere Haltung anderen Menschen gegenüber, und das führt zu einer Vertiefung zwischenmenschlicher Beziehungen.
Und dann gibt es noch die Amplifying the good-Theorie von Philip Watkins, die ich ein bisschen platt finde, die aber auch ihre Berechtigung hat. Sie besagt, dass Dankbarkeit wie ein Vergrößerungsglas wirkt, indem sie das Gute, das wir im Leben haben, noch einmal deutlich in unserer Wahrnehmung betont.
Und damit verstärkt?
Genau. Viele Menschen haben eine ganz natürliche Tendenz, das Negative stärker zu sehen, um sich zum Beispiel auf Gefahren vorzubereiten. Da ist es gut, diese negative Ausrichtung durch die Berücksichtigung von Gutem im Leben zu korrigieren. Wir bezeichnen das mit dem Begriff „die Fairness der Wahrnehmung wiederherstellen“. Es geht bei Dankbarkeit nicht darum, alles rosarot zu sehen, es ist auch nicht positives Denken. Es geht nur darum, die Dinge anzuerkennen, die tatsächlich positiv im Leben sind. Ärger, Enttäuschung und Wut sind berechtigte Gefühle, und diese müssen auch ausgelebt werden. Aber ich glaube, dass wir uns oft einfach nicht bewusst sind, wie viel Gutes uns im Alltag begegnet.
Dankbarkeit ist aber nicht nur mit positiven Gefühlen verbunden. Wann und für wen ist sie etwas Negatives?
Es gibt Untersuchungen, welche Persönlichkeitszüge mit einem negativen Erleben von Dankbarkeit verbunden sind oder das positive Erleben von Dankbarkeit verhindern. Narzisstisch strukturierte Menschen zum Beispiel haben große Probleme, den guten Beitrag anderer für ihr eigenes Leben zu sehen, und aufgrund ihrer starken Selbstzentrierung und Autonomieorientierung fällt es ihnen zusätzlich schwer, das auszudrücken. Dankbarkeit impliziert ja immer auch, dass ich anerkenne, in gewissem Maße abhängig von anderen zu sein.
Unsicher gebundene Personen haben erfahrungsgemäß größere Schwierigkeiten mit Dankbarkeit – weil das Ausdrücken von Dankbarkeit auch zu einer größeren zwischenmenschlichen Nähe führt, und das ist für diese Menschen immer ambivalent. Auf der einen Seite wünschen sie sich das, auf der anderen Seite ist es für sie sehr unsicheres Terrain.
Als Gegenspieler von Dankbarkeit nennen Sie in Ihrem Buch Dankbarkeit in der Psychotherapie auch Neid, Materialismus und Zynismus.
Zynismus beispielsweise bezeichnet das Misstrauen: Will der andere mir wirklich etwas Gutes tun oder führt er etwas im Schilde? Denn Dankbarkeit oder gute Taten können natürlich instrumentalisiert werden, um andere an sich zu binden und Abhängigkeiten zu erzeugen.
Impliziert Dankbarkeit nicht immer auch eine Art von Gegenseitigkeit?
Das wird diskutiert – ob Dankbarkeit tatsächlich auf einer Tauschlogik aufbaut, also Gabe und Gegengabe als grundsätzliche Mechanik menschlichen Miteinanders zu verstehen sind. Oder ob es doch so etwas gibt wie eine „reine Gabe“, die ich nur empfange und nicht erwidern kann oder muss, und das auch nicht als negativ beurteile.
Im religiösen und spirituellen Bereich fällt es Menschen viel leichter, eine solche Asymmetrie anzuerkennen. Wenn sie Empfängerin oder Empfänger von Gottes guten Gaben sind, haben sie oft kein Problem damit, weil sie anerkennen, dass Gott über allem steht und eine absolute Kategorie ist. Im zwischenmenschlichen Bereich tauchen Schuld- und Schamgefühle bei solchen Statusunterschieden viel eher auf.
Männer sollen größere Schwierigkeiten haben, Dankbarkeit zu empfinden. Entspricht das auch Ihrer Erfahrung?
Ja, schon. Nicht generell, aber doch in der Gesamtheit gesehen, haben Männer einen erschwerten Zugang zur Dankbarkeit, weil diese eben auch Statusunterlegenheit implizieren und Gefühle von Abhängigkeit, Verpflichtung und Angst auslösen kann. Sie empfinden Dankbarkeit weniger positiv und ziehen auch weniger Benefits daraus.
Welche persönlichen Faktoren können begünstigen, dass man leichter Dankbarkeit empfindet?
Eine sichere Bindung. Eine angemessene demütige Haltung. Vielleicht auch ein gutes und stabiles Selbstwertgefühl. In unterstützenden Beziehungen zu leben. Das sind wichtige Voraussetzungen.
Was lässt sich aus der Beschäftigung mit der Fähigkeit zur Dankbarkeit noch ablesen?
Es werden typische Grundhaltungen angesprochen, die ich zu mir selbst habe: Was habe ich verdient, wie viel bin ich wert, wie ist meine Stellung gegenüber anderen? Und das macht auch das Interessante von Dankbarkeit in der Psychotherapie aus: Die Art und Weise, wie meine Patientinnen und Patienten Dankbarkeit thematisieren und praktizieren, lässt sehr gute Rückschlüsse zu über ihr Verhältnis und ihre Grundannahmen zu sich selbst und zu anderen.
Sie arbeiten in der Therapie auch mit Dankbarkeitstagebüchern, die die Fähigkeit, Dankbarkeit zu empfinden, fördern sollen. Wie funktioniert so etwas klassischerweise?
Ich arbeite damit, ja, aber dabei muss man einiges beachten. Es ist ganz wichtig, Menschen mit so einem Tagebuch nicht unter Druck zu setzen.
Ich sage immer: „Versuchen Sie in der kommenden Woche doch mal, jeden Tag bis zu drei Dinge aufzuschreiben, für die Sie Dankbarkeit in Ihrem Leben oder konkret an diesem Tag empfinden. Das brauchen keine großartigen Dinge zu sein, sondern achten Sie auf die ganz kleinen Dinge im Alltag. Am besten machen Sie diese Übung abends, kurz vor dem Schlafengehen. Dann haben Sie den besten Tagesrückblick, und vielleicht wirkt es sich sogar auf Ihre Gedanken und Ihren Schlaf aus.“
Nutzen Sie die Notizen, die so entstehen, auch therapeutisch?
Inhaltlich können das ganz interessante Informationen sein. Ein Patient zum Beispiel war nur dankbar für die Dinge, die er selbst am zurückliegenden Tag geschafft hatte. Da wurde eine Orientierung an Leistung und am eigenen Können deutlich. Es war ein guter Fortschritt, noch anderes in den Blick zu nehmen – Empfindungen, die er hat, wenn er Rad fährt, sensorische Qualitäten wie die Sonne, den Regen zu riechen und dann noch zu sehen, wo andere zu seinem Wohlergehen beitragen.
Sie schreiben in Ihrem Buch auch: „Dankbarkeitsinterventionen, die die Beschäftigung mit dem eigenen Selbst fördern, müssen zwangsläufig nach hinten losgehen.“ Was meinen Sie damit?
Da geht es um die Intention, und das ist ein ganz wichtiges Thema: Warum führe ich ein Dankbarkeitstagebuch? Weil ich weiß, dass das zu meinem Wohlbefinden beiträgt? Dass es mir besser geht, es mir mehr Glück beschert? Dann ist eine Selbstbezogenheit da, und das ist ein bisschen tricky. Denn Dankbarkeit impliziert ja die Anerkennung, dass andere zu meinem Wohlergehen beitragen, und wenn ich sie so selbstzentriert praktiziere, nur um wieder leistungsfähig zu werden, tauchen innere Widersprüche auf.
Ich glaube, es ist wichtig, Menschen oder Patienten auch diesen Grundgedanken von Dankbarkeit zu vermitteln: Was ist eigentlich damit gemeint? Und wie halten sie es damit, auf andere angewiesen, ein verletzlicher, limitierter Mensch zu sein? Das sind ja fast philosophische oder existenzielle Fragen. Das instrumentelle Aufgreifen von Dankbarkeit hat eben auch seine Gefahren, weil es an bestimmten Kerngedanken des Konzepts vorbeigeht.
Wie wirkungsvoll kann so ein Dankbarkeitstagebuch sein?
Es ist die bekannteste Übung, die wir haben, und eine schöne Sache – aber man kann nicht grundsätzlich sagen: Führe ein Dankbarkeitstagebuch und du wirst einen ganz gewaltigen Benefit davon haben! Da mag es einzelne Personen geben, andere kommen mit dieser Perspektive nicht zurecht. Komplexere Trainings, die auch die gedankliche, die emotionale und die Handlungsdimension von Dankbarkeit ansprechen, erzielen bessere Effekte.
Für welche Patientinnen und Patienten sind Dankbarkeitstagebücher nicht geeignet?
Bei sehr schwer depressiven Patienten sind sie kontraindiziert, weil diese Menschen die positiven Dinge in ihrem Leben nicht kognitiv erfassen und fühlen können und die Aufgabe vielleicht sogar als Versagen erleben.
Auch bei traumatisierten Menschen sollte man Dankbarkeit erst zu einem sehr späten Punkt in ihrer Krankheits- oder Traumaverarbeitung thematisieren. Am besten, wenn sie von sich aus Ansätze dazu zeigen, bestimmte Aspekte in ihrem Leben als positiv und nicht nur als vom Trauma überschattet zu erleben. Dann geht die Initiative von ihnen aus, und ich kann einhaken und das verstärken.
Bei chronisch erkrankten Menschen gilt das Gleiche: Wenn wir zu früh darüber sprechen, was ihnen im Leben bleibt oder wie sie den Blick auf das Positive wenden können, würdigen wir ihr Leiden und die Einbußen an Lebensqualität überhaupt nicht.
Welche Rolle spielen kulturelle Prägungen beim Verständnis von Dankbarkeit?
In verschiedenen Kulturen und Religionen gibt es unterschiedliche Regeln und Vorschriften darüber, wie und für welche Dinge Dankbarkeit ausgedrückt wird und welche Emotionen in Verbindung damit angemessen sind. Das unterscheidet sich deutlich zwischen asiatischen, europäischen oder nordamerikanischen Kulturen. US-Amerikanerinnen und -Amerikaner drücken Dankbarkeit zum Beispiel viel stärker aus und bringen weniger negative Gefühle damit in Verbindung als Briten.
Das heißt, man kann Studien aus verschiedenen Ländern unter Umständen gar nicht miteinander vergleichen? Die meisten Forschungsergebnisse zum Thema stammen ja aus den USA.
Ja, aber das ändert sich. Mittlerweile haben wir auch Studien aus dem asiatischen Raum und auch aus Europa. Wir bekommen also langsam ein etwas vollständigeres Bild.
In Ihrem Buch schreiben Sie, dass bis ins Jahr 2000 generell nur wenige Studien zum Thema vorlagen. Seitdem gibt es einen rasanten Zuwachs. Wie erklären Sie sich das?
Damals gab es die ersten Veröffentlichungen zur positiven Psychologie, für die Dankbarkeit ein ganz wichtiges Konzept ist. Für den gesellschaftlichen Trend spielen, glaube ich, die Suche nach Wohlbefinden und auch der Wunsch nach Selbstoptimierung eine Rolle.
Mein subjektives Empfinden ist, dass wir uns seit dem Jahr 2001 in einem ständigen globalen Krisenmodus befinden – also 9/11 zum Beispiel, Terrorismus, Klimakatastrophe, Finanzkrise, Corona. Das könnte zu einem verstärkten Interesse an Dankbarkeit führen.
Haben wir in guten Zeiten größere Probleme damit, Dankbarkeit zu empfinden?
Ja, das nennt man „hedonistische Anpassung“: Das, was man hat, kann man nicht mehr so stark empfinden und wertschätzen. Krisen kehren alles um. Plötzlich sind wir mitten in einer Bedrohungslage, und dann gelingt es vielleicht besser, die Dinge, die man hat, wieder stärker in den Blick zu nehmen.
Gibt es eine Übung, die Sie empfehlen können, wenn man trüber Stimmung ist und nichts Positives sehen kann?
Es hilft, das Leben in Bereiche zu unterteilen, die man einzeln in den Blick nehmen kann – beruflich, privat, Freizeit, Vergangenheit oder den Tagesablauf. Dann würde mir vielleicht auffallen: „Okay, heute Morgen habe ich geduscht, und Duschen ist prinzipiell etwas Angenehmes. Dann bin ich mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren, und jedes Mal, wenn ich über die Neckarbrücke fahre, macht mir das ein kleines Glücksgefühl, und dann denke ich: Toll, dass ich das jeden Morgen so machen kann.“
Also: die Einheiten verkleinern, Anspruch senken in der Zahl und der Bedeutung der Ereignisse – alles ein bisschen herunterfahren. Versuchen, ein bisschen kleinteiliger nachzuschauen, als gleich die globale Frage zu stellen: Wofür sind Sie in Ihrem Leben dankbar? Da sieht man manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht – oder die Bäume vor lauter Wald nicht.
Was können Eltern tun, um diese Ressource bei ihren Kindern zu stärken?
Das Wichtigste ist: Modell sein. Selbst dankbares Verhalten anderen gegenüber zeigen, die kleinen Dinge im Leben wertschätzen – wenn wir das vorleben, haben wir zwei wesentliche Bedingungen für die Entwicklung von Dankbarkeit bei Kindern geleistet. Wichtig ist aber auch, ihnen Zeit zu lassen.
Kinder bis zu einem Alter von sechs Jahren haben noch nicht die kognitiven Kapazitäten für das, was man für Dankbarkeit braucht, nämlich das Erkennen: Da ist jemand, der möchte mir etwas Gutes tun. Für sie ist nur die Gabe erkennbar und die Lust an der Gabe. Davon können wir als Erwachsene viel lernen, dieses Empfangen und Genießen ist etwas, das Kinder uns voraushaben. Das sollte man wertschätzen und auch nicht zu früh intervenieren oder Druck ausüben, indem man sie anhält, danke zu sagen.
Kann eine zu starke Fokussierung auf Dankbarkeit auch negative Folgen haben?
Eine potenzielle Nebenwirkung kann sein, notwendige Probleme nicht zu lösen, indem man alles als Gabe annimmt und akzeptiert und darüber vergisst, dass tatsächlich Missstände im eigenen Leben angepackt werden müssen. Eine zweite ist, notwendige negative Emotionen wie Enttäuschung, Wut oder Traurigkeit nicht mehr auszudrücken, und das ist lebenswichtig. Dankbarkeit sollte keine berechtigten anderen Emotionen verdrängen. ■
Prof. Dr. Henning Freund ist Psychologe und Psychotherapeut in Heidelberg sowie seit 2011 Professor für Religionspsychologie an der Evangelischen Hochschule Tabor in Marburg. 2020 erschien das Buch Dankbarkeit in der Psychotherapie, das er gemeinsam mit Prof. Dr. Dirk Lehr verfasst hat
Praktische Übungen für mehr Dankbarkeit
Gutes wahrnehmen: Mehr sehen.
Hilfreich dafür sind Dankbarkeitstagebücher (Näheres im Interview). Mit dem Handy Dankmomente zu fotografieren kann ebenfalls gute Erinnerungen festigen und positive Gefühle verstärken. So entstehen innere Bilder, die wir auch bewusst wieder abrufen können.
Dankbarkeit erleben: Intensiv spüren.
Sinnliche Erfahrungen erleichtern das: Wie schmeckt Dankbarkeit, wie duftet sie? Welche Farbe hat sie? Wie fühlt sie sich an, wo im Körper? Welche Haltung passt dazu, welche Musik? Etc. Auch vergangene Situationen lassen sich so nachspüren. Wenn wir die verknüpften Eigenschaften bewusst einsetzen, unterstützt uns das dabei, wieder in die angenehme Gefühlslage zu kommen.
Gutes empfangen: Positiv reagieren.
Durch bewusstes Beobachten gelingt es, hinderliche Gefühle und Einstellungen zu identifizieren: Wie geht es mir, wenn mir andere Gutes tun? Spüre ich Schuld, Scham, Misstrauen? Was könnte mir helfen, Dankbarkeit positiver zu erleben? Sich entsprechend der gewünschten Haltung zu verhalten, hilft, förderliche Gedanken zu verankern.
Dankbarkeit ausdrücken: Anerkennung zeigen.
Wir spüren Dankbarkeit leichter, wenn wir uns die Quelle des Guten – sofern vorhanden – bewusstmachen. Meldet sich der Impuls, unsere Dankbarkeit zeigen zu wollen, sollten wir ihm folgen, sonst kann ein schlechtes Gewissen entstehen. Wir festigen so auch unsere Beziehung zu anderen. Eine besondere Art, Dankbarkeit zu zeigen, ist, einen Dankesbrief zu schreiben, oder ein Dankesbesuch, mit oder ohne Brief.
Aus: Henning Freund, Dirk Lehr: Dankbarkeit in der Psychotherapie. Ressource und Herausforderung. Hogrefe, Göttingen 2020