Mental immunisieren – wie geht das?

Wir können unsere geistige Nahrung so auswählen, dass wir unsere Selbstheilungskräfte und das Immunsystem stärken.

Liebe Klienten,

um gesund und widerstandsfähig zu bleiben, muss der Mensch sich sicher und geborgen fühlen. Die beunruhigenden Nachrichten, die uns täglich überfluten, lösen bei vielen Menschen Angst- und Ohnmachtsgefühle aus. Wenn diese länger anhalten, führt das zur Schwächung des Immunsystems und der Gesamtgesundheit. Es genügt also nicht, sich äußerlich zu distanzieren und die Hygienerichtlinien einzuhalten. Wir sind nun auf besondere Weise darauf angewiesen, uns selbst auch gedanklich klug durch diese belastende Zeit zu führen. Dazu ist eine Art mentaler Immunisierung wichtig. Wie ist diese möglich und wie kann sie am besten gelingen?

Geistige Nahrung gezielt auswählen

Stellen wir uns vor, wir würden uns den ganzen Tag mit Junkfood ernähren und das wochenlang. Wie würde es uns körperlich ergehen, und wie würden wir uns wohl fühlen? Versorgten wir uns dagegen mit gesunder Nahrung, wäre unser körperliches Befinden deutlich besser. Genauso ist es mit mentaler Nahrung: Wenn wir uns täglich lückenlos Corona-Informationen verschiedener Nachrichtenticker anhören, darüber lesen oder Bilder dazu sehen, wenn wir uns in der restlichen Zeit beängstigende Szenarien vorstellen und dieses täglich wiederholen, dann erzeugen wir eine enorme seelische Belastung. Wir bringen uns ungewollt in eine Art negativer Trance und schwächen damit unsere Abwehrkräfte.

Gerade diese sind aber entscheidend, nicht nur im Falle einer Erkrankung, sondern auch, um seelisch gesund durch die kommenden Wochen und Monate zu kommen. Wählen wir also unsere geistige Nahrung gezielt aus, stärken wir unsere Selbstheilungskräfte und das Immunsystem. Was Sie tun können: Reduzieren Sie die auf Sie einströmenden Informationen über Corona. Nehmen Sie nur sachliche Mitteilungen einer seriösen Quelle in Anspruch. Einmal am Tag mit nur einem Sinneskanal (nur hören oder lesen) genügt. Am besten immer zur gleichen Zeit, jedoch nicht unmittelbar vor dem Schlafengehen. Begrenzen Sie die gedankliche Beschäftigung mit dem Thema. Dazu gehören auch Gespräche mit Nachbarn oder Freunden – zum Beispiel per Telefon.

Gute Momente sammeln

Sammeln Sie stattdessen „gute Momente“ und „beruhigende Gedanken“ über den Tag hinweg ein. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit gezielt auf Dinge und Erscheinungen, die Ihnen Sicherheit geben und mit Freude assoziiert sind. Lenken Sie dazu Ihre Aufmerksamkeit auf das, wofür Sie Dankbarkeit und Freude empfinden. Darauf, dass Sie leben, Menschen haben, die Ihnen nahestehen, dass Sie in einem Schutz gebenden Zimmer oder Haus leben können, genügend zu essen und zu trinken haben.

Halten Sie mehrmals am Tag inne und atmen Sie tief ein und aus. Dann sprechen Sie innerlich mit warmherzigen und tröstenden Worten zu sich selbst. Formulieren Sie freundliche und zuversichtliche Sätze, die ohne „nein“ und „nicht“ auskommen. (etwa anstatt „ich stecke mich nicht an“, formulieren Sie „ich bleibe gesund und kräftig“, „der Zustand geht vorüber“, „ich werde das überstehen“).

Achten Sie auf sich – das ist auch ohne Corona eine gute Idee. Wenn Sie sich von Angst und Ohnmacht nicht infizieren lassen, sondern auf diese Weise Ihr Immunsystem aktiv stärken, haben Sie die besten Bedingungen geschaffen, um diese Zeit gut durchzustehen.

Herzliche Grüße,

Friederike von Tiedemann

Friederike von Tiedemann ist Psychologische Psychotherapeutin und Supervisorin, Lehrende für Systemisch-Integrative Paartherapie und Supervision. Sie leitet das das Hans Jellouschek Institut Freiburg und ist Lehrtrainerin, Beraterin von Führungskräften und Teams.

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