Paartherapie: Wann ist sie sinnvoll?

Welche Therapieform passt, wenn es zwischen uns kriselt? Und was, wenn einer nicht möchte? Über die wichtigsten Informationen zur Paartherapie

Die Illustration zeigt ein Paar beim Gehen, dahinter geht ihr Therapeut
Folgt eine Krise der nächsten, ist eine Paartherapie sinnvoll. Nicht selten können Paare die geglückte Sitzung Hand in Hand verlassen. © Drushba Pankow für Psychologie Heute

In Beziehungen können Worte zu Bomben werden und Liebhaber zu Bestien. „Ich hoffe, du bekommst eine Krankheit und wirst von einem Auto angefahren und stirbst!“, schreit Charlie seine Noch-Ehefrau Nicole an. Spucketropfen schießen ihm aus dem Mund. Der Satz verhallt in der nahezu unmöblierten neuen Wohnung. Nicole atmet schwer.

Charlie legt wimmernd die Hände vor sein Gesicht, kauert sich auf dem Teppichboden zusammen und fängt an zu weinen wie ein Kind. Auch wenn es bei den meisten nicht so heiß hergeht wie…

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zusammen und fängt an zu weinen wie ein Kind. Auch wenn es bei den meisten nicht so heiß hergeht wie bei Scarlett Johansson alias Nicole und Adam Driver alias Charlie in der Tragikomödie Marriage Story, kennen viele Paare dramatische Szenen. Da wird angeklagt und aufgerechnet, gestichelt und gezankt.

Unsichere suchen Unsichere

Wie harmonisch eine Partnerschaft verläuft, hängt unter anderem vom Bindungsstil der Beteiligten ab, einer Art Blaupause für Beziehungen, die jeder Mensch bereits in der Kindheit anlegt. Als „sicher gebunden“ gelten Menschen, die sich vertrauensvoll öffnen können, ohne ihre Eigenständigkeit aufzugeben. Sie haben keine Angst vor Nähe, geraten aber auch nicht in Panik, wenn die Bezugsperson gerade nicht verfügbar ist. Eine unsichere Bindung hingegen kann sich auf verschiedene Arten zeigen. „Unsicher-vermeidend“ Gebundenen etwa fällt es schwer, Nähe zuzulassen, während „unsicher-ängstlich“ Gebundene schnell fürchten, den Menschen, den sie lieben, wieder zu verlieren.

Heute weiß man: Wer mit wem zusammenkommt, ist oft kein Zufall. Sicher und sicher gesellt sich gern, unsicher gebundene Menschen suchen sich häufig eine Person, die einen ähnlichen Grad an Bindungsproblemen mitbringt. Eine Kombination sei dabei typisch, sagt Christian Roesler, Paartherapeut und Professor für klinische Psychologie an der Katholischen Hochschule Freiburg: „Mit am häufigsten sehen wir in der Therapie Paare, von denen eine Person unsicher- vermeidend, die andere unsicher-ängstlich gebunden ist. Hier ziehen sich Gegensätze an.“

Heißt: In konfliktreichen Beziehungen leidet häufig eine Person unter Verlust­angst. Sie benötigt viel Bestätigung, um sich sicher zu fühlen. Der Partner jedoch – tatsächlich nehmen diese Rolle eher Männer ein – wird umso kühler und abweisender, je mehr er sich bedrängt fühlt. Die Folge ist mitunter ein Teufelskreis aus Klammern und Mauern, der die Beziehung zu zerstören droht.

Ein wichtiger Blick auf die Qualifikation

Doch mit professioneller Hilfe lässt er sich durchbrechen. Hilfe für Paare hat verschiedene Namen. Ob sich ein Angebot Paartherapie, Paarberatung oder Paarcoaching nennt, sagt nicht unbedingt etwas über Umfang und Qualität aus. Einige Anbieterinnen und Anbieter entscheiden sich schlicht für den Begriff „Beratung“ oder „Coaching“, weil manche Paare damit weniger Berührungsängste haben. Da die Bezeichnungen „Paartherapeutin“, „Paarberater“ oder „Paarcoach“ keine geschützten Begriffe sind, sich also im Prinzip jede und jeder so nennen kann, sollte man sich allerdings ein genaues Bild von der Qualifikation der Person machen, der man die eigene Beziehung anvertraut.

„Oft bieten approbierte Psychotherapeuten und -therapeutinnen Paartherapie an. Sie bringen das nötige Know-how über psychische Prozesse und Störungen mit, die oft eine Rolle spielen“, erklärt Guy Bodenmann, Paartherapeut und Professor für klinische Psychologie mit den Schwerpunkten Kinder/Jugendliche und Paare/Familien an der Universität Zürich.

„Doch auch sie sind nicht automatisch für die Paartherapie qualifiziert. Nur wenn die Person eine intensive Zusatzausbildung vorweisen kann, ist man in guten Händen“, gibt die Paartherapeutin Friederike von Tiedemann, Leiterin des Hans-Jellouschek-Instituts, zu bedenken. Neben Psychotherapeutinnen und -therapeuten kommen außerdem auch Sozialarbeiter, Sozialpädagoginnen oder Seelsorgende mit einer entsprechenden Zusatzausbildung infrage. Doch was passiert in einer Paartherapie?

Die nächste Etappe des gemeinsamen Pfades

Forschende der University of California entdeckten ein gemeinsames Grundgerüst erfolgreicher Interventionen für Paare, egal um welchen konkreten Ansatz es sich handelt: Zunächst geht es darum, die guten Seiten der Partnerin oder des Partners hervorzuheben, auch um sich daran zu erinnern, worum es sich zu kämpfen lohnt. Was schätzt man am anderen? Wie hat man sich damals kennengelernt?

In einem weiteren Schritt eröffnet eine Paartherapie laut dem Forschungsteam eine neue Sicht auf die Probleme: Statt sich gegenseitig die Schuld zu geben, übt man sich in einem wohlwollenderen Blick. Die Therapie vermittelt, dass sich hinter den wiederkehrenden Konflikten unerfüllte Bedürfnisse verbergen – etwa nach Nähe, Zuspruch oder Selbstbestimmung. Zur weiteren Deeskalation widme sich jede gute Paartherapie der Fähigkeit, die eigenen Gefühle zu spüren und zu achten, aber nicht immer sofort nach ihnen zu handeln. Wut zum Beispiel soll man nicht verdrängen. Doch es gibt Wege, sie herauszulassen, ohne das Gegenüber anzuschreien oder Türen zu knallen.

Im Optimalfall wächst von Sitzung zu Sitzung das Vermögen, sich selbst zu beruhigen, etwa durch eine Atemübung oder Sport, ehe man in der Hitze des Gefechts Dinge sagt, die man nicht mehr zurücknehmen kann. Bei fast allen Paaren, die sich Hilfe suchen, mangelt es zudem an Intimität. In der Paartherapie würden beide Partner animiert, sich offen, ehrlich und verletzlich zu zeigen, einander ihre Sehnsüchte und Ängste preiszugeben. Dazu gehört auch, die Reaktionsmuster aufzudecken, die beide im Lauf ihres Lebens verinnerlicht haben. Ein tieferes Verständnis, warum jemand in gewissen Momenten empfindlich reagiert, fördert Nähe und Zusammenhalt.

Destruktive Gewohnheiten im Miteinander werden aber nicht bloß aufgedeckt, sondern auch nach Möglichkeit verändert. Ganz praktisch übt sich das Paar darin, klarer und freundlicher zu kommunizieren. Gegen Ende der Paartherapie erarbeitet es im besten Fall eine hoffnungsvolle Vision von der nächsten Etappe des gemeinsamen Pfads. Im Grunde, so fasst es Friederike von Tiedemann zusammen, eröffnet eine Paartherapie einen Raum, in dem ein notwendiger Wachstumsprozess leichter geht: „Wenn ich wirklich ein Leben zu zweit führen möchte, dann ist es unabwendbar, dass man in Krisen gerät und durch diese herausgefordert ist, sich als Person – und als Paar – im Denken, Fühlen und Handeln weiterzuentwickeln.“

Wann ist eine Paartherapie sinnvoll?

Wenn man sich immer wieder an denselben Stellen ineinander verhakt, ständig über die gleichen Themen streitet, ohne weiterzukommen, ist es ratsam, sich als Paar Unterstützung zu holen. Warnzeichen für ein gefährliches Ungleichgewicht sind permanente Nörgeleien, regelmäßige Funkstille oder kaum noch schöne Momente zu zweit.

Die Schieflage entsteht oft durch schlechte Kommunikation und unzureichende Strategien zur Lösung von Konflikten. „Höchste Zeit, etwas zu tun, wird es, wenn man beginnt, den anderen als schwierigen Menschen zu sehen“, sagt Guy Bodenmann. Er spricht von zwei verschiedenen Arten von Paaren, die Hilfe suchen. Bei „Hochkonfliktpaaren“ krisele es bereits gewaltig. Es wird da geschrien, gestichelt und geschmollt, man ist von Verbündeten zu Konkurrenten geworden.

Oft entstehen Krisen, wenn sich die Lebenssituation drastisch ändert: etwa mit der Geburt des ersten Kindes. Selbst wenn der Nachwuchs lang ersehnt war, leidet die Zweisamkeit in vielen Fällen unter der neuen Aufgabe. Doch es gibt auch andere Gründe, eine Paartherapie zu machen. Einer zweiten Art von Paaren gehe es eigentlich ganz gut, so Bodenmann, beide seien freundlich miteinander, spielten immer noch im gleichen Team. Sie hätten wichtige Meilensteine gemeinsam erreicht, die hektische Lebensmitte zusammen gemeistert. Jetzt sind die Kinder aus dem Haus, die Leidenschaft ist weg und man fragt sich: Wollen wir den restlichen Weg noch gemeinsam gehen? In solchen Fällen kann die Paartherapie einen sicheren Rahmen schaffen, um dieser Frage nachzugehen.

Und wann ist eine Paartherapie nicht sinnvoll?

Manchmal kommen Menschen mit falschen Vorstellungen in die Paartherapie. Sie hoffen, dass eine Autorität ihnen recht gibt und den anderen Part endlich zur Räson bringt. Wer mit dieser Vorstellung in eine Paartherapie geht, wird enttäuscht. „Das ist eines der größten Missverständnisse“, sagt Guy Bodenmann. „Paartherapeuten sind neutral und allparteilich, sie setzen sich für die Interessen beider gleichermaßen ein. Sie bewerten oder bestimmen nicht – sie begleiten das Paar auf seinem Lösungsweg.“

Friederike von Tiedemann kennt auch Fälle, in denen die Paartherapie keinen Sinn mehr hatte. „Es kommt vor, dass die Trennungsentscheidung von einer Seite längst gefällt wurde.“ Wenn ein Teil des Paares sich bereits innerlich verabschiedet hat und sich nicht auf den Prozess einlässt, ist der Riss in der Beziehung auch mit einer Paartherapie meist nicht mehr zu kitten.

Welche Arten von Paartherapie gibt es?

Die wichtigsten Ansätze der Paartherapie sind aus etablierten Psychotherapieschulen entstanden. Vertreterinnen und Vertreter der systemischen Psychotherapie betrachten nicht nur den einzelnen Menschen, sondern immer auch sein soziales Umfeld. Deshalb bietet sich dieser Ansatz für die Behandlung von Paaren an. Die systemische Paartherapie sieht Probleme als Chancen, sich weiterzuentwickeln, und legt den Fokus weniger auf Defizite als auf vorhandene Stärken der Partnerinnen und Partner, damit sie selbstbestimmt etwas ändern können.

Die psychoanalytische und die tiefenpsychologische Paartherapie fußen auf der von Sigmund Freud entwickelten Psychoanalyse. Hier macht sich das Paar verstärkt auf die Suche nach Ursachen aus der Kindheit. Oft wird dabei das Verhältnis zu Mutter und Vater erforscht. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit soll helfen, innere Konflikte aufzudecken, die zu Problemen mit dem Menschen führen, der einem jetzt, wo man erwachsen ist, am nächsten steht.

Die verhaltenstherapeutische Paartherapie hingegen setzt stärker im Hier und Jetzt an. Ungünstiges Beziehungsverhalten ist erlernt und kann wieder verlernt werden – so die Kernidee. Automatische Denk- und Verhaltensweisen, durch die das Paar immer wieder aneinandergerät, will man hier erkennen und verändern.

In den letzten Jahren ist neben dem Denken und Handeln auch das Fühlen stärker in den Fokus der Verhaltenstherapie gerückt. Gefühle stehen auch bei der emotionsfokussierten Paartherapie im Vordergrund. Diese Form der Paartherapie, die sich auf die emotionalen Bedürfnisse der Beteiligten konzentriert und so versucht, eine sichere Bindung zwischen ihnen herzustellen, ist in Großbritannien und den USA sehr verbreitet und auch im deutschsprachigen Raum auf dem Vormarsch.

Sie wünschen sich tiefere Einblicke in die verschiedenen Arten der Paartherapie? Vier Therapeuten und Therapeutinnen geben mit Praxisberichten Einblicke in ihre Arbeit:

„Es kommt stärker auf die Beziehung zum Paartherapeuten oder zur Paartherapeutin an, als auf den Ansatz, für den man sich letztlich entscheidet“, meint Guy Bodenmann. Auch zwischen Paar und Paartherapeutin oder -therapeut muss also die Chemie stimmen. Friederike von Tiedemann rät: „In einem Erstgespräch lässt sich prüfen, ob es menschlich überhaupt passt. Man sollte im Zweifel weitersuchen, bis beide sich bei einer Person sicher und verstanden fühlen.“

Empfehlungen aus dem Bekanntenkreis können wertvoll sein, und manchmal kennt die Hausärztin gute Adressen in der Umgebung. Oft ist auch eine Onlinesuche sinnvoll. Für Qualität spricht eine Zertifizierung durch seriöse Dachverbände, etwa durch die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie, die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie, die Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie oder die Deutsche Gesellschaft für Emotionsfokussierte Therapie. Auf den Internetseiten anerkannter Ausbildungsstätten für Paartherapie wie dem Hans-Jellouschek-Institut gibt es zudem Listen der Absolventen und Absolventinnen.

Seriöse Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner findet man schließlich in den Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen sozialer oder kirchlicher Träger wie Caritas oder Pro Familia. Auch bei den kirchlichen Trägern erfolgt die Beratung weltanschaulich neutral. Dort arbeiten Menschen aus verschiedenen beratenden Berufen, auch approbierte Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die in der Regel sehr gut für die Arbeit mit Paaren ausgebildet sind.

Was ist eine Sexualtherapie?

Etwa 30 Prozent sind nicht zufrieden mit dem Sexleben in ihrer Partnerschaft. Das zeigte eine repräsentative Befragung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf bei knapp 5000 Deutschen im Jahr 2020. Bei einem Teil sind die Probleme im Bett so groß, dass sie die Beziehung beeinträchtigen. Die häufigsten Gründe, warum sich Paare in dieser Hinsicht professionelle Hilfe suchen, sind Schmerzen beim Sex, Erektionsstörungen, Schwierigkeiten, zum Orgasmus zu kommen, oder Lustlosigkeit. Dass die Lust aufeinander mit den Jahren etwas abnimmt, ist normal. Konflikte entstehen erst, wenn eine Person öfter will als die andere: In vielen Beziehungen ist die sexuelle Energie ungleich verteilt, was zu Druck auf der einen und Frust auf der anderen Seite führen kann.

Nicht nur über das Wie oft, auch über das Wie können die Vorstellungen auseinandergehen. Wie geht man mit unterschiedlichen Vorlieben um, etwa wenn er auf Romantik steht, sie auf Bondage? Wäre eine offene Beziehung denkbar? Wie findet man eine gemeinsame Basis, ohne die eigenen Wünsche zu verleugnen? Bei all diesen Fragen kann eine Sexualtherapie helfen.

Sexualtherapeutinnen und -therapeuten schaffen einen Rahmen, in dem man als Paar offen und wertfrei über Schwierigkeiten und Vorlieben sprechen kann. Mit ihrem Fachwissen unterstützen sie dabei, sich körperlich und emotional wieder näherzukommen. In den Sitzungen muss sich natürlich niemand ausziehen oder anfassen lassen. Es wird nur geredet.

Manchmal gibt eine Sexualtherapeutin aber auch Aufgaben für zu Hause mit: etwa eine Berührung einmal ganz bewusst zu spüren – allein oder zu zweit. „In jeder guten Paartherapie geht man auf den Bereich der körperlichen Intimität ein. Wenn die Probleme aber speziell in diesem Bereich liegen – oder nach einer Paartherapie fortbestehen –, sollte man sich an professionell ausgebildete Sexualtherapeuten wenden“, rät Friederike von Tiedemann. „Früher ging man davon aus, dass sich sexuelle Probleme verbessern, sobald die Beziehung wieder tragfähig ist. Heute wissen wir, dass es manchmal zusätzlich kompetente Unterstützung braucht, beispielsweise um zu klären: Was hemmt Lust und wie kann sie wieder entstehen?“

Aktuell gibt es keine einheitliche offizielle Ausbildung für Sexualtherapie. Stattdessen bilden einige private Institute und Universitätsstudiengänge in dem Fach aus. Seriöse Anbieterinnen und Anbieter finden sich zum Beispiel unter sexualtherapie.therapeuten-im-netz.de. Das Institut für Sexualtherapie Heidelberg führt ein Onlineverzeichnis, das auch Anlaufstellen in Österreich und der Schweiz beinhaltet: ifsex.de/therapeutenliste.

Wie gut wirkt Paartherapie?

In den meisten Fällen hilft eine Paartherapie, wie eine 2020 erschienene Übersichtsarbeit des amerikanischen Psychologen Thomas N. Bradbury und Guy Bodenmanns bescheinigt. Rund 70 Prozent der Paare sind demnach am Ende zufriedener mit ihrer Beziehung. Jedes zweite Paar fällt auch zwei Jahre nach der Paartherapie nicht in alte Muster zurück.

Allerdings sind nicht alle erfassten Erfolgsgeschichten auch tatsächlich auf die Paartherapie zurückzuführen. Einige hätten die Krise wohl auch allein gemeistert, denn Untersuchungen zeigen, dass es in mindestens 20 Prozent der Fälle nach einer beziehungstechnischen Talfahrt von selbst wieder bergauf geht. „Bei den verbreitetsten Methoden finden sich keine nennenswerten Unterschiede in der Wirksamkeit“, sagt Guy Bodenmann. „Die verhaltenstherapeutische Paartherapie ist bislang am besten untersucht. Verhaltenstherapeutische, tiefenpsychologische, systemische und emotionsfokussierte Ansätze haben sich jedoch in Studien als vergleichbar effektiv erwiesen.“

Auch Christian Roesler beobachtet den Forschungsstand aufmerksam und zieht über alle Behandlungsformen hinweg eine positive Bilanz: „Paare, die eine Paartherapie machen, profitieren deutlich. Die Zahl der Problembereiche – von der Sexualität bis hin zur Freizeitgestaltung – halbiert sich im Laufe der Therapie.“ So manches, was die Gemüter zuvor regelmäßig erhitzt hat, ist hinterher also kein Thema mehr.

Aber wie bei jeder Behandlung gibt es Nebenwirkungen. Rund elf Prozent würden infolge einer Paartherapie sogar noch unzufriedener mit dem Miteinander, sagt Bodenmann. Er hat dafür eine Erklärung: „Es gibt Paare, die haben sich auf einem niedrigen Niveau eingependelt. Sie sind daran gewöhnt, dass vom anderen nicht viel kommt an Freundlichkeit und Halt. In der Paartherapie wird ihnen dann eröffnet, wie es anders sein könnte: Statt sich ständig anzufeinden, könnte man auch liebevoll miteinander umgehen.“ Wenn die Entwicklung dahin nicht gelinge, wachse mitunter die Gewissheit, dass man sich mehr vom Leben zu zweit wünscht als das.

Heißt eine Trennung, dass die Paartherapie ­gescheitert ist?

Es gibt Fälle, da endet eine Paartherapie damit, dass man getrennte Wege geht. Eine Niederlage sei das nicht, sagt Friederike von Tiedemann: „Es geht nicht immer darum, dass das Paar am Ende glücklich von dannen zieht, sondern dass eine gemeinsame Entwicklung stattfindet.“ Ob diese in einen Neuanfang münde oder in ein Ende der Beziehung, sei zunächst einmal offen. Manchmal stellt sich heraus, dass beide sich getrennt freier entfalten können, dass es für beide besser ist, wenn aus einem gemeinsamen Leben wieder zwei einzelne werden.

Doch auch bei dem Voneinanderlösen kann ein Paartherapeut oder eine Paartherapeutin helfen. Manche haben sich sogar auf Trennungsberatungen spezialisiert. Mitunter kommen Paare, die Schluss gemacht hatten, Jahre später noch einmal zurück oder nutzen zum ersten Mal ein paartherapeutisches Angebot, um sich zu versöhnen.

Paartherapie: Was kostet eine Sitzung?

Eine 90-minütige Paartherapiesitzung kostet in etwa zwischen 90 und 200 Euro. Für eine tiefgreifende Veränderung braucht es meist 8 bis 15 Sitzungen.

Weil hier nicht die Behandlung einer psychischen Erkrankung im Fokus steht, übernimmt die Krankenkasse die Kosten nicht. Günstiger ist ein Termin in einer Ehe-, Familien- oder Lebensberatungsstelle, hier belaufen sich die Kosten meist auf höchstens 40 Euro, teils ist die Beratung völlig kostenlos oder basiert auf freiwilligen Spenden.

Was, wenn der Partner oder die Partnerin nicht zur Paartherapie mitkommen will?

Wer die Beziehung mit externer Hilfe retten möchte, sollte das dem Partner oder der Partnerin gegenüber klar formulieren. Zögert er oder sie weiterhin, setzt man sich am besten zusammen und wägt ab: Welche Argumente sprechen für eine Paartherapie, welche dagegen? Was haben wir zu verlieren, was zu gewinnen? Oft lässt sich das Gegenüber so überzeugen, an einem Erstgespräch teilzunehmen. „Die erste Sitzung ist entscheidend“, meint Guy Bodenmann. „Die Aufgabe ist, auch die Person, die widerwillig gekommen ist, mit ins Boot zu holen.“

Wenn nichts hilft, kann man aber auch erst einmal allein zu einer Sitzung gehen. Friederike von Tiedemann hat eine Strategie, die fast immer wirkt: „Nach der Einzelsitzung lade ich die andere Person ein und frage: ‚Ihre Frau hat mir ihre Sicht der Dinge erzählt, jetzt interessiere ich mich für Ihre Perspektive – wären Sie bereit, dafür zu kommen?‘“ Während ihrer 25-jährigen Tätigkeit hat bisher nur eine Person nein gesagt.

Kann man Beziehungsproblemen vorbeugen?

„Paare holen sich oft zu spät Hilfe“, stellt Friederike von Tiedemann fest. Wie bei vielen Dingen heißt es auch hier: je früher, desto besser. Mit dem Auto sollte man nicht erst in die Werkstatt, wenn es qualmt. Und ebenso sind in der Beziehung „Wartungsarbeiten“ sinnvoll. Es gibt deshalb Paare, die sogar ohne konkreten Anlass regelmäßig eine Sitzung bei einem Paartherapeuten oder einer Paartherapeutin buchen, zum Beispiel einmal im Jahr. Dann heißt es: Du und ich, wie geht es uns? Wo stehen wir gerade als Paar? Gibt es Probleme, die wir uns jetzt genauer ansehen können, damit sie nicht weiter anschwellen? Tatsächlich zeigt die Forschung: Auch prophylaktische Maßnahmen wirken.

Präventionsprogramme für Paare sind in Deutschland noch relativ unbekannt. In den USA aber absolviert laut Christian Roesler je nach Bundesstaat bereits fast jedes dritte Paar zu Beginn ein solches Beziehungstraining, denn es lohne sich: „Wenn Paare ein Präventionsprogramm besuchen, zeigen sich noch Jahre später positive Effekte.“

In den Kursen wird praktisches Wissen über ein respektvolles Miteinander vermittelt. Man lernt, richtig zu streiten und sich in stressigen Zeiten gegenseitig zu stützen. Ganz praktisch geht es darum, wie man offen über Gefühle spricht, richtig zuhört und Ich-Botschaften sendet, statt sich gegenseitig anzuklagen. Paare, die ein solches Präventionsprogramm absolviert haben, trennen sich in den Jahren darauf seltener.

Im deutschsprachigen Raum bietet zum Beispiel „EPL – ein partnerschaftliches Lernprogramm“ Gelegenheit dazu. EPL entstand am Institut für Kommunikationstherapie in München. Eine 2019 veröffentlichte Langzeituntersuchung belegt: Während fünf Jahre nach ihrem EPL-Kurs nur knapp vier Prozent der Paare geschieden waren, hatten in einer vergleichbaren Kontrollgruppe ohne ein solches Programm im gleichen Zeitraum fast 24 Prozent der Paare ihre Ehe beendet. Auch das Training „KEK – konstruktive Ehe und Kommunikation“ hat positive Langzeiteffekte vorzuweisen. Ebenfalls gut evaluiert ist „Paarlife“, das von Forschenden der Universität Zürich entwickelt wurde. Alle drei Programme finden in Form von Präsenz- oder Videoworkshops statt, Paarlife bietet außerdem ein Onlinetraining an.

Sie wollen mehr zum Therma Paartherapie lesen? In derselben Ausgabe berichten außerdem vier Paartherapeuten aus ihrer Praxis:

Quellen

Lisa Benson u.a.: Common principles of couple therapy. Behavior therapy, 43 (1), 2012, 25–35

Thomas Bradbury, Guy Bodenmann: Interventions for couples. Annual Review of Clinical Psychology 16, 2020, 99–123

Joachim Engl u.a.: Prävention von Scheidung: Ergebnisse einer 25-Jahres-Follow-up-Studie, Verhaltenstherapie 29 (2), 2019, 85–97

Christian Roesler: Paarprobleme und Paartherapie. Theorien, Methoden, Forschung – ein integratives Lehrbuch. Kohlhammer 2018

Ludwig Schindler, Kurt Hahlweg, Dirk Revenstorf: Partnerschaftsprobleme?: So gelingt Ihre Beziehung – Handbuch für Paare. Springer 2020

Statista: Über welche der folgenden Themen streiten Sie und Ihr/e Partner/in am meisten?

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 11/2023: Paartherapie