Nartan Zemelko und Reiner Büch, tiefenpsychologische Therapeuten, erzählen aus der Praxis:
Paartherapien leiten wir zu zweit. Viele finden es gut, dass da ein Mann ist, aber auch eine Frau, an die sie sich wenden können. Während der Stunde sind wir ein Modell dafür, wie man sich in einer Beziehung selbst Raum nimmt und auch mal dem anderen die Bühne überlässt, Grenzen aushandelt und Konflikte klärt.
„Ich weiß gar nicht mehr, mit wem ich da verheiratet bin.“
Aktuell kommen zwei Menschen zu uns, die…
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Aktuell kommen zwei Menschen zu uns, die momentan die bisher größte Krise ihrer Ehe durchmachen. Die beiden sind Ende fünfzig, über zwanzig Jahre verheiratet und haben zwei erwachsene Kinder. Als der Mann seinem Sohn ein altes Handy schenkte, fand dieser darauf einen Chat mit einer anderen Frau – einer Prostituierten. Für die ganze Familie war das ein Schock. „Ich weiß gar nicht mehr, mit wem ich da verheiratet bin“, sagt seine Frau. Trotzdem ist für beide klar: Wir wollen zusammenbleiben. Nur wie? Das versuchen wir in der Therapie gerade gemeinsam herauszufinden.
Wichtig ist dabei, die Untreue des Mannes nicht zu verdammen und zugleich den Schmerz der Frau anzuerkennen. In einer tiefenpsychologischen Paartherapie schaut man immer auch in die Vergangenheit. Man versucht zu ergründen, welche überfordernden Kindheitserfahrungen in der jetzigen Krise wieder aktiviert werden. So fra-gen wir zum Beispiel: „Wann haben Sie so was schon mal erlebt? Welche Unterstützung hätten Sie damals von Ihrer erwachsenen Bezugsperson gebraucht?“ So kann in der Paartherapie auch die andere Person ein tieferes Verständnis für die aktuelle Not ihres Partners oder ihrer Partnerin entwickeln.
Für die Frau war als Kind ihr Vater kaum greifbar – ähnlich wie jetzt ihr Mann, nachdem er fremdgegangen ist. Das Verhältnis zum Vater war distanziert, sie lernte früh, ihre Gefühle zu kontrollieren. In dem katholischen Internat, auf das sie ging, wurde außerdem alles Sexuelle verleugnet. In der Familie des Mannes hingegen herrschten mehr Lebendigkeit und körperliche Nähe. Es gelang ihm aber bisher nicht, seine sexuellen Regungen mit den liebevollen Gefühlen für seine Frau zu verknüpfen. Das Paar hat zwar ab und zu Sex, körperliche Nähe spielt aber kaum eine Rolle in der Beziehung.
Therapiestunde mit dem Froschkönig
In einer entscheidenden Therapiestunde haben wir eine Methode namens „katathymes Bilderleben“ angewendet, bei der man über innere Bilder Zugang zum Unbewussten findet. Das rationale Denken gerät in den Hintergrund und man betritt eine symbolische, emotionale Ebene. Weil es um ganz urmenschliche Themen geht, verwenden wir dafür gerne Märchen.
Wie der Zufall es will, hatte die Frau an diesem Tag eine Tüte mit einem Froschkönig-Aufdruck dabei. Also nahmen wir diese Geschichte: Der Frosch möchte als Gegenleistung dafür, dass er ihre goldene Kugel aus einem Brunnen holt, Teller und Bett mit der Prinzessin teilen. Die aber will nicht. Hier geht es um Sexualität und die Ängste und Sehnsüchte, die damit zusammenhängen. Als wir das Paar am Ende der Stunde baten, eines der Bilder, das dabei in ihnen aufstieg, zu malen, wählten beide genau das gleiche Motiv: den Frosch, wie er traurig am Brunnen zurückgelassen wird. Das war ein guter Ausgangspunkt, um darüber zu sprechen, worüber sie selbst traurig waren, welche tiefen Bedürfnisse sie beide bisher nicht zusammen ausgelebt hatten und wie eine in jeder Hinsicht erfüllende Beziehung für sie aussehen könnte.
Kleine Erfolge gab es schon: Die beiden nehmen sich wieder bewusst Zeit als Paar und planen romantische Dates. Bis ein tiefgreifender Wandel vollzogen ist und die entstandene Verletzung verheilt, ist es aber noch ein langer Weg. Die beiden sind bereit, ihn zu gehen.
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Nartan Zemelko ist Psychotherapeutin mit tiefenpsychologischer Ausrichtung. Reiner Büch arbeitet als Psychotherapeut und Supervisor ebenfalls tiefenpsychologisch. Die beiden führen gemeinsam eine Praxis in Saarbrücken und sind auch privat ein Paar.