Keine Angst vor Dyskalkulie

Matheunterricht – für manche der blanke Horror. Doch was tun, wenn in Wahrheit die Rechenschwäche Dyskalkulie dahinter steckt?

Christina Fetzer, die sich bei der European Dyslexia Association engagiert, steht mit Rucksack an einem Bahnhof und schaut entspannt, da sie keine Angst mehr vor Dyskalkulie hat
Früher bereiteten Zahlen ihr Bauchweh – heute bestreitet sie ihren Alltag mit kreativen Tricks. © Iona Dutz für Psychologie Heute

Christina Fetzer erzählt:

„Dass ich mit Zahlen Schwierigkeiten habe, wusste ich schon in der Grundschule. Aber noch am Beginn der Gymnasialzeit hatte ich bei Mathearbeiten ein gutes Gefühl, schließlich lernte ich extra viel. Doch mit der Rückgabe kam jedes Mal die Klatsche. Irgendwann begann sich mein Magen im Unterricht vor Panik zu krümmen, besonders wenn mich die Lehrerin an die Tafel rief.

Einmal habe ich Blumen gemalt. Die Lehrerin würde ohnehin ärgerlich werden, die anderen würden lachen. Alle, auch meine Eltern dachten, ich verarsche sie. In Fächern, die nichts mit Zahlen oder räumlichem Vorstellungsvermögen zu tun hatten, war ich sehr gut.

Erst als junge Erwachsene fand ich heraus, dass ich Dyskalkulie haben könnte – eine Rechenschwäche, mit der es einem zum Beispiel schwerfällt festzustellen, ob eine Zahl größer oder kleiner ist als eine andere.

Ich nahm an einem Austauschcamp für Legastheniker teil, um meinen Bruder zu unterstützen. Er hat diese Diagnose. Dort erzählten andere auch von Dyskalkulie. ,Klingt wie bei mir‘, stellte ich überrascht fest. Auf einmal war ich nicht mehr das Problemkind, sondern eine von vielen.

Endlich wusste ich, was mit mir los ist! Trotzdem ist es mir noch immer sehr unangenehm, wenn ich nach einer Bahnverbindung fragen muss und die Leute verständnislos auf den Fahrplan zeigen. Aber ich weiß inzwischen: Ich kann mir mit kreativen Tricks vieles erarbeiten – ich merke mir die Farbe der Bahnlinie statt der Nummer. Und ich programmiere Playlists statt Uhrzeiten. Ich bin nicht dumm! Mein Gehirn verarbeitet Zahlen einfach anders.“

Christina Fetzer engagiert sich bei der European Dyslexia Association.

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