Belastungen am Bau

In der Baubranche können Fehler noch mehr Zeitdruck verursachen und Konflikte verschärfen als anderswo. Über psychosoziale Belastungen im Baugewerbe.

Rollenkonflikte, unklare Rollen und Konflikte in Teams führen in der Bauindustrie besonders oft zu mentalen Problemen und Stress der Bauarbeiterinnen und Handwerker, aber auch von Projektmanagerinnen oder Ingenieuren. Dies zeigt eine Metaanalyse. Ausgewertet wurden 48 Studien aus Hongkong, den USA, Australien, den Niederlanden, Großbritannien und anderen Ländern, an denen insgesamt rund 13.000 Befragte teilgenommen hatten, alle in der Bauindustrie tätig. Nach Angaben der Autorinnen und Autoren ist die Baubranche anfällig: In den Märkten herrscht starker Wettbewerb, die Zeit ist knapp und die verschiedenen Gewerke voneinander abhängig. In der Baubranche spiele deshalb Teamarbeit eine wichtige Rolle.

Die Metaanalyse zeigte, dass Konflikte zwischen Mitarbeitenden denn auch besonders oft die psychische Gesundheit der Befragten gefährdeten. Nach Angaben der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind stressauslösende Umstände in der Baubranche besonders stark verzahnt: Passiert ein Fehler und ist die Zeit ohnehin knapp, führt dies dazu, dass noch mehr Zeit benötigt wird. Während nachgebessert wird, können die nachfolgenden Gewerke nicht weitermachen – was dann auch häufig zu Konflikten führt. Die Metaanalyse zeigt auch: Dort, wo sich Befragte in ihrem Job unterstützt fühlten, berichteten sie seltener von Streit oder unklaren Rollenanforderungen. 

Zwischen Monotonie und Überforderung

In Deutschland befragte der Arbeitsmedizinisch-Sicherheitstechnische Dienst der Berufsgenossenschaft Bau im Jahr 2018 insgesamt 5600 Beschäftigte des Bau- sowie des Reinigungsgewerbes. Mehr als 60 Prozent der Teilnehmenden gaben an, sie stünden unter Zeit- und Termindruck, die Hälfte von ihnen fühlte sich dadurch belastet. Von den Befragten aus der Baubranche berichteten Maurer und Gerüstbauer, ihre Arbeit als überdurchschnittlich monoton zu erleben. Tiefbauer, Zimmerer und Zimmerinnen sowie Steinmetze erlebten Teamarbeit hingegen als positiver als der Durchschnitt. Baumaschinen- und Kranführerinnen sowie Gerüstbauer und Maurer fanden die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen eher schlecht. Maurerinnen und Maurer gaben besonders oft an, unter hohem Arbeitsaufkommen und Anforderungen zu leiden undsich überfordert zu fühlen. Gerüstbauer berichteten häufiger von unklaren Anweisungen und fehlender Wertschätzung durch Vorgesetzte. Insgesamt wurden die Arbeitsbedingungen als überdurchschnittlich schlecht bewertet.

Dirk Windemuth, Psychologe und Leiter des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallsversicherung in Dresden erläuterte in den Medien, dass auch die Kunden, mit denen Beschäftigte und Führungskräfte am Bau umgehen müssten, sich verändert hätten – sie seien besser informiert und forderten noch mehr Qualität und Leistung ein als früher. Kommunikation spiele eine Schlüsselrolle. Psychische Belastungen in der Baubranche erhöhten das Unfallrisiko, erklärte Windemuth. In diesem Gewerbe neigten Mitarbeitende manchmal zur Selbstüberschätzung der eigenen Gesundheit, weil das Thema noch stiefmütterlich behandelt werde und psychische Belastungen mit Schwäche gleichgesetzt würden.

Chenjunyan Sun u. a.: The relationship between psychosocial hazards and mental health in the construction industry: A meta-analysis. Safety Science, 2021. DOI: 10.1016/j.ssci.2021.105485

Berufsgenossenschaft Bau: Psychische Belastungen am Bau. Baubiologie-Magazin online, 26.3.2020, abgerufen am 29.10.2021, Interview mit Dirk Windemuth.

Stress auf Baustellen. Haufe.de, 19.4.2018, abgerufen am 29.10.2021

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