Teamkonflikte unter Gründern: „Es ging doch um alles“

Fünf Ingenieure gründeten ein Unternehmen. Sie waren befreundet – bis einer von ihnen ausgeschlossen wurde. Ein Gründer berichtet über die Konflikte.

Ein Mann steht im Planungsbüro mit einem orangenen Helm unter dem Arm, ein Bleistift in der Hand und erklärt jemandem einen Plan
Wer ein Unternehmen gründet, wird mit verschiedenen Konflikten konfrontiert. Insbesondere dann, wenn es weitere Gesellschafter gibt. © mauritius images / Jaturon Ruaysoongnern

Heute denke ich, dass wir es hätten verhindern können. Wenn wir ihn angesprochen hätten, wenn wir früher nach einer Lösung gesucht hätten, dann wäre die Situation nicht eskaliert. Aber jetzt ist es zu spät.

2015 haben wir zu fünft im Ruhrgebiet ein Ingenieurbüro gegründet. Wir waren gleichberechtigte Gesellschafter, persönlich haftbar für die Kredite. Es fing gut an. Auf Messen sind wir mit breiter Brust aufgetreten, haben gleich einen großen Auftrag angeworben. Unser Schwerpunkt war Innovationsentwicklung für die Autoindustrie.

Wir fünf kannten uns von der Hochschule und haben uns gut verstanden. Wir waren keine engen Freunde, aber auf jeden Fall Kumpels. In diesen ersten Jahren haben wir mehr Zeit zusammen verbracht als mit unseren Partnerinnen oder Freunden. Jeden Freitagnachmittag hatten wir einen Jour fixe, sind die Themen und Kennzahlen durchgegangen und haben besprochen, wie das Geschäft läuft. Mindestens einmal im Monat haben wir uns auch samstags getroffen und überlegt, wie es weitergehen soll.

Nie über eigene Bedürfnisse gesprochen

Aber worüber wir niemals gesprochen haben: Wie es uns geht. Was wir selbst brauchen. Wo unsere Grenzen lie­gen. Es ging immer nur um das Geschäft. Damals konnte ich es nicht in Worte fassen, aber nach und nach hatte ich das Gefühl: Irgendetwas stimmt nicht.

Was wir dagegen alle sehen konnten, waren die Zahlen. Das Unternehmen lief schlecht. Vier Jahre nach der Gründung hätten wir auf eine normale Arbeitswoche und ein gutes Ingenieursgehalt kommen sollen. Das heißt eine 40-Stunden Woche und etwa 2200 Euro netto. Stattdessen haben wir jede Woche 50 bis 55 Stunden gearbeitet und kaum über dem Mindestlohn verdient. Vielleicht war das der Grund, warum einer von uns – nennen wir ihn Dirk – sich immer mehr zurückzog.

Er war oft müde und hatte zu nichts mehr Lust. Im Büro hat er auf dem Han­dy gezockt, statt zu arbeiten. Vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat er Sätze gesagt wie: „Ich muss hier noch bis 16 Uhr sitzen.“ Für einen Geschäftsführer und Gesellschafter ist das fatal. Wir anderen haben es bemerkt und untereinander darüber gesprochen und auch mit ihm. Aber wir konnten ihn nicht motivieren und es hat sich nichts verändert. Er hat sich einen Hund gekauft. Um den hat er sich dann viel gekümmert.

Unter Druck gesetzt und erpresst

Ein dreiviertel Jahr lang ging es so. Dann kam Weihnachten 2018 und er ist drei Wochen in den Urlaub gefahren. Mir war klar, dass wir mit der Firma auf eine Katastrophe zusteuerten. Finanziell standen wir kurz vor dem Bankrott. Wir hatten kaum noch Aufträge, dafür viele Mitarbeiter und hohe laufende Kosten. Für das neue Jahr hatten wir einen Krisentag angesetzt.

Er war zu diesem Zeitpunkt schon zwei Wochen im Urlaub und hat sich geweigert zurückzukommen. Das hat mich verletzt. Es ging doch um alles! Aber er wollte nicht. Der Tag war heftig, wir haben nur kurze Zigarettenpausen gemacht. Zwischendurch haben wir ihn angerufen und informiert. Es war meine Idee, dass nur noch zwei von uns das Unternehmen leiten sollten.

Am Abend haben wir abgestimmt, wer es macht. Dirk hat seine Stimme telefonisch abgegeben. Da hat einer von uns gesagt: Wenn ich es nicht werde, steige ich aus. Er hat uns überredet, Dirks Stimme nicht zu zählen. Schließlich war Dirk nicht hier, hatte sich seit Wochen nicht mehr engagiert, das hatten wir doch alle gesehen. Es war Erpressung, klar, aber es war spät, wir waren erschöpft. Also haben wir uns überreden lassen. Einer hat es Dirk erklärt, aber die Schuld auf den Erpresser geschoben. Dabei waren wir alle verantwortlich.

Der nächste Fehler: Stelle verkürzt ohne Absprache

Dann haben wir einen weiteren Fehler gemacht. Wir hatten überlegt, Dirks Stelle auf halbtags zu reduzieren. Aber anstatt mit ihm darüber zu sprechen, sah er diesen Vorschlag zum ersten Mal unkommentiert in einer Tabelle bei einem Meeting. Danach wollte er aussteigen – und ausbezahlt werden: Er forderte 100.000 Euro. Aber das war illusorisch. Im Schnitt hatten wir pro Jahr einen Umsatz von 500.000 Euro.

Wir konnten keine Lösung finden. Schließlich mussten wir einen Mediator einschalten, der Dirk vertreten und für ihn verhandelt hat. Trotzdem sind wir uns erst ein Jahr später einig geworden: Er wurde seine Kredite los und bekam ein Handgeld um die 10.000 Euro. Beim Notar haben wir fünf uns noch einmal getroffen, Smalltalk gemacht. Das war das letzte Mal, dass wir ihn gesehen haben. Danach brach der Kontakt ab.

Das Geschäft lief eine Weile besser, aber auch zwischen uns vieren wurde der Umgang distanzierter. Inzwischen war klar, dass wir unterschiedliche Werte haben. Einer wollte zum Beispiel unbedingt Profit machen, auch auf Kosten der Qualität unserer Arbeit. Mir ging es dagegen um finanzielle Sicherheit und Harmonie.

Aus Freunden wurden Einzelkämpfer

Aus einer Gruppe wurden wir zu Einzelkämpfern. In den Anfangsjahren hatten wir im Büro noch lautstark gestritten, Türen geknallt. Jetzt wurde es still. Jeder hat den anderen in Ruhe gelassen, weil er sich nicht mehr für ihn interessiert hat. Unser Umgang war so ein nettes Leck-mich-doch-am-Arsch. Coachings haben uns geholfen, uns auf unsere eigenen Werte zu besinnen, haben aber gleichzeitig die Kluft zwischen uns deutlicher gemacht und konnten das Unternehmen nicht mehr retten. Vielleicht hatten wir einfach keine Lust mehr zusammenzuarbeiten.

Rund ein Jahr später hätten wir eine weitere Finanzierung gebraucht. Und ich hatte endlich den Mut zu sagen: Ich nehme keine weiteren Kredite mehr auf. Da wollten die anderen auch nicht mehr. 2022 haben wir Insolvenz angemeldet.

Inzwischen verdiene ich mein Geld als Freelancer für eine Firma im Bereich strukturierter Vertriebsaufbau und Un­ternehmensberatung. Ich habe zudem eine Ausbildung als systemischer Coach gemacht und will Start-ups beraten. Ich habe aus meiner Erfahrung viel gelernt, das ich jetzt nutzen kann. Ich weiß zum Beispiel, wie es sich anfühlt, wenn man so viel investiert und es trotzdem nicht reicht.

Aufgezeichnet von Friederike Lübke

Konflikte im Team lösen

Chefin eins redet gern und viel, Chef zwei ist selten da und Chef drei arbeitet am liebsten bis nachts in seinem Einzelbüro: In Teams prallen unterschiedliche Charaktere, Erfahrungen, Wertvorstellungen und Kommunikationsstile aufeinander.

Konflikte sind damit unvermeidbar. Um verträgliche Lösungen zu finden, ist es wichtig zu analysieren, woher die Konflikte kommen. Denn die Ursachen liegen nicht immer in der eigentlichen Arbeit begründet. Auch private Belas­tungssituationen wie eine Scheidung oder scheinbar harmloses Gemotze über den Dreck in der Teeküche können Teams ins Wanken bringen.

Manchmal werden Konflikte nicht offen und hitzig ausgetragen. Stattdessen ziehen sich einzelne Personen frustriert oder enttäuscht zurück. Weil die Situation oberflächlich friedlich erscheint, ist es schwierig, in ihr überhaupt eine Konfliktsituation zu erkennen.

Der Organisations- und Konfliktforscher Friedrich Glasl unterschied neun Eskalationsstufen. Spätestens ab Stufe sieben sei es nicht mehr möglich, den Konflikt ohne Verluste für beide Seiten zu beenden.

Deshalb tun Unternehmen gut daran, sich von Anfang an und regelmäßig mit Konfliktmanagement zu befassen, zum Beispiel durch Weiterbildungen oder Supervision. Wenn es erst mal knallt oder jemand still frustriert gekündigt hat, hilft Mediation oft nicht mehr.

Gabriele Meister

Jessica Schäfer: Konflikte im Team – Krise oder Gelegenheit? In: Altersgemischte Teams in der Pflege. Miteinander arbeiten – voneinander lernen. Springer 2021, S. 139–164. DOI: 10.1007/978-3-662-62062-5

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