Dominant dank Körpersprache

Wir können mächtiger wirken, wenn wir unsere Körpersprache beeinflussen. Das wiederum hat Einfluss auf unser Fühlen und Denken.

Eine junge Frau steht selbstbewusst im Konferenzzimmer und redet, während ihr ein Kollege zuhört
Hängende Schultern, gesenkter Blick, schlaffer Händedruck – solche nonverbalen Signale verraten, wie es um uns bestellt ist. © Thomas Barwick/Getty Images

Die Körpersprache stimmt“, bemerken Sportreporter zuweilen über einen Spieler, wenn beispielsweise ein Tennismatch auf die entscheidende Phase zusteuert. Und deuten damit an, dass der Körper des Sportlers dessen Fitness zum Ausdruck bringt. Der Körper spricht oder drückt sich aus – und wir alle deuten gerne, was er sagen will. Manchmal wollen wir seinen Ausdruck auch gezielt einsetzen, um im besten Licht zu erscheinen: bei einem Vorstellungsgespräch, bei einem Date, bei einer Präsentation.

Doch…

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bei einem Date, bei einer Präsentation.

Doch Körpersprache ist komplexer, als Laien und auch Experten bislang angenommen haben. Meist „sollte man sich nicht zu sicher sein, was ein bestimmter Körperausdruck bedeutet“, betont die Germanistin Christa Heilmann von der Universität Marburg. Ein und derselbe Körperausdruck kann verschiedene Botschaften vermitteln. Im Grunde genommen, so die Essenz einiger neuer Studien, kommt es nicht darauf an, was der Körperausdruck wirklich über einen verrät – sondern was andere Leute meinen, was er ihnen erzählt. Insofern lässt sich nach jüngsten Erkenntnissen der US-Psychologin Amy Cuddy zum Beispiel ein zuversichtlicher, siegessicherer und dominanter Körperausdruck offenbar mit geringem Aufwand und erstaunlichem Effekt sogar vortäuschen.

Dieser Ausdruck ist einer von wenigen, die selbst weltweit gesehen immer gleich und offenbar angeboren meist richtig gedeutet werden. Das hat vor einigen Jahren die Psychologin Jessica Tracy von der University of British Columbia entdeckt. Sie analysierte die Fotos von Judokämpfern im Moment nach dem Sieg. Darunter waren auch Judoka, die seit ihrer Geburt erblindet waren und sich keine Gesten hatten abschauen können. Trotzdem rissen sie wie ihre sehenden Kameraden die Arme nach dem Sieg in die Höhe und streckten die Brust nach vorne. Die Botschaft: Stolz und Dominanz. Auch die Enttäuschung nach einer Niederlage drückten sie ähnlich aus: hängende Schultern, der Kopf gesenkt, der Körper zusammengesackt.

Körperhaltung wirkt sich auf Hormone aus

In ihren Vorträgen verweist Amy Cuddy zuweilen auf Tracys Studie. Cuddy arbeitet als Psychologin an der Harvard Business School in Boston. Wenn sie vor ihr Publikum tritt und über Körperausdruck referiert, sind die Zuhörer gebannt. Jüngst sprach Cuddy auch in den TEDTalks – einer Veranstaltungsreihe, die via Internet wichtige Ideen in der Welt verbreiten will. Etliche Millionen Mal ist die Aufzeichnung inzwischen angesteuert worden. Nicht zu Unrecht: Sie reißt mit, trotz üblicher Amerikanismen.

„Mit dem Körperausdruck lassen sich Macht und Dominanz äußern“, erklärt Cuddy. Schon Tiere nehmen mehr Raum ein, strecken und öffnen sich, wenn sie anderen zeigen wollen, wo es langgeht. Im Beruf erfolgreiche Menschen ahmen das Gebaren ihrer tierischen Vorfahren nach. Dagegen „machen wir uns klein, wenn wir weniger erfolgreich sind“, erklärt die Harvardpsychologin, „wir wollen uns abgrenzen von den Personen neben uns“. Wie Cuddy und ihre Kollegen herausgefunden haben, beeinflusst die Körperhaltung sogar den Hormonhaushalt: Wer sich wie die Judoka im Moment des Sieges größer macht, senkt den Wert seiner Stresshormone um ein Viertel im Vergleich zu Leuten, die sich kleiner machen. Das ist nicht trivial.

In einer Studie ging Cuddy der Frage nach, ob man diese nonverbalen Signale eine Zeitlang vortäuschen kann, um mächtiger zu scheinen, bis man sich tatsächlich mächtiger fühlt. Man kann. „Unsere Körpersprache beeinflusst unser Denken und unser Bewusstsein“, betont Cuddy. Die Forscher heuerten gut 40 Frauen und Männer für ein simpel anmutendes Experiment an: Die Probanden nahmen nur zwei Minuten lang bestimmte Posen ein, die im Kern entweder Dominanz oder Unterwerfung ausdrücken. Dann wurde der Hormonspiegel anhand von Speichelproben gemessen. Zusätzlich wurde jeder Teilnehmer gefragt: „Wie viel Macht fühlst du?“, und anschließend zu einem Glücksspiel gebeten. Dann ließen die Psychologen die Hormonwerte erneut bestimmen. Ergebnis: Nur im Körper der „Power-Poser“ zirkulierte mehr Testosteron – das männliche Geschlechtshormon, das aber auch Frauen in geringem Maße produzieren – und weniger Kortisol. Und: Die Power-Poser riskierten beim Glücksspiel deutlich mehr als jene Probanden, die eine Unterwerfung ausdrückende Pose eingenommen hatten.

„Kleine Veränderungen bewirken Großes“

Was das in der Praxis bedeutet, erwies sich in einer zweiten Studie. Wieder vollführten die Probanden zwei Minuten lang einen Ausdruck der Macht oder der Unterwerfung, und zwar vor einem Vorstellungsgespräch im Labor. Bei diesem fingierten Jobinterview verhielt sich das Gegenüber weitgehend stumm und regungslos – was der schlimmsten Reaktion von allen gleichkommt. Es stellte sich heraus: Die Power-Poser agierten weitaus präsenter. „Es hat weniger mit dem zu tun, was sie sagen, sondern wie sie es sagen“, stellt Cuddy fest. Sie sind leidenschaftlicher, enthusiastischer, einnehmender, angenehmer, authentischer, zuversichtlicher als jene, die sich kleinmachen, verstohlen auf ihren Handys wischen oder sich verlegen am Nacken kratzen. Alles Verhaltensweisen, die man bei realen Bewerbern häufig beobachten kann, meint Cuddy und empfiehlt: Vor Vorstellungsgesprächen, Vorträgen oder ähnlichen Situationen ab in den Waschraum und sich starkmachen. „Diese kleinen Veränderungen des Körperausdrucks bewirken Großes und können Ihren Lebensweg entscheidend beeinflussen“, ist die Psychologin überzeugt.

Es dürfte klar sein, dass diese These Eingang finden wird in die unzähligen Seminare und Selbsthilfebücher zum Thema Körpersprache. Der Markt ist riesig, und die mit dem Thema verbundenen Mythen sind zahlreich. So hat schon immer brennend interessiert, ob der Körperausdruck Lügen entlarvt. Anhänger des neurolinguistischen Programmierens sind fest davon überzeugt, dass Augenbewegungen nach rechts oben auf Lügen deuten. In seinem Labor an der Universität im britischen Hatfield hat Richard Wisemann Probanden lügen lassen. Außerdem hat das Team des Psychologen Filmmaterial von Pressekonferenzen studiert, bei denen um Hilfe bei der Suche nach verschwundenen Personen gebeten wurde. Einige emotionale Bitten kamen dabei von Leuten, die, wie sich später herausstellte, am Verschwinden der Vermissten beteiligt waren. In keiner der Studien blickten die Lügner öfter nach rechts als in irgendeine andere Richtung. Auch wenn man sich an der Nase zupft oder sich kratzt oder herumzappelt, deutet das noch lange nicht auf einen Lügner hin, wie eine Metaanalyse von über 100 einschlägigen Studien ergab. Der Rat der Forscher: Überhaupt nicht auf den Körperausdruck achten, sondern nur darauf, was jemand wie sagt. Lügner reden oft mit höherer Stimmlage, erzählen wenig detailliert und wiederholen häufig viele Wörter.

Einer der größten Mythen zum Thema Körpersprache basiert auf einer populären Fehlinterpretation einer eigentlich seriösen Studie über den Effekt des Körperausdrucks. Vor gut 40 Jahren hat der US-Kommunikationspsychologe Albert Mehrabian die Resultate einer Studie veröffentlicht, in der er eine eng umfasste Frage untersucht hat: Wie verändert sich die Wirkung des Wortes maybe (vielleicht), wenn man es unterschiedlich spricht – etwa mit einem positiven oder harschen Unterton – und den Körperausdruck dabei variiert?

Körperausdruck ist nicht gleich Körpersprache

Er fand heraus: Der Effekt beruht zu 55 Prozent auf Körperausdruck, zu 38 Prozent auf der Stimme und nur zu sieben Prozent auf dem sprachlichen Inhalt. Seitdem geistert die 7-38-55-Regel durch die Welt, die uns weismachen will, wie entscheidend der Körperausdruck für alle möglichen Kommunikationssituationen ist. „Das ist natürlich blanker Unsinn“, stellt Christa Heilmann klar, „es kommt immer darauf an, in welcher Situation mir welche Botschaft übermittelt wird.“ Beispiel: Bei einer Vorlesung interessiert die Studierenden der Körperausdruck des Dozenten in der Regel kaum: Es kommt auf die Inhalte an. „Wenn ich mir aber nicht sicher bin, ob das stimmt, was jemand sagt, versuche ich über den Körperausdruck herauszufinden, ob ich das glauben kann“, betont die Professorin am Marburger Institut für Germanistische Sprachwissenschaft. Sie unterscheidet strikt zwischen Körpersprache und Körperausdruck. Demnach kann Körpersprache die gesprochene Sprache ersetzen. „Wir ordnen den entsprechenden Bewegungen im Kontext der Kommunikation zweifelsfreie Bedeutungen zu“, erklärt Heilmann. „Es ist unmöglich, den Körper nicht als kommunikativ wahrzunehmen.“ Beispiel: Ein Kopfschütteln bedeutet im deutschen Sprachgebrauch „nein“.

Die Bewegungen des Körperausdrucks hingegen – den der Laie meist auch als Körpersprache bezeichnet – sind oft willkürlich und mindestens zweideutig. „Glauben Sie den vielen Experten nicht, die sagen, dass bestimmte Gesten spezifische Bedeutungen haben“, meint die Marburger Germanistin. Nehmen wir ein typisches Beispiel: Wenn jemand die Arme verschränkt, meinen die meisten Leute, er oder sie wolle sich verschließen beziehungsweise sei defensiv eingestellt. Doch dieser Mensch kann auch einfach nur frieren und sich mit seinen Armen wärmen. Oder er ist müde und stützt sich nur selbst. Oder er weiß einfach gerade nicht wohin mit seinen Armen. Oder er signalisiert alles zusammen. Sitzt ein Mensch gekrümmt und blickt zu Boden, signalisiert er womöglich, dass es ihm gerade nicht prickelnd geht. Vielleicht will er aber auch nur dem Sonnenlicht entgehen.

„Ich sollte also meine intuitiven Vermutungen bewusst hinterfragen“, empfiehlt Heilmann. Wie hoch der Irrtumsfaktor ist – oder umgekehrt: wie genau die Diagnose gerät –, hängt ab von der individuellen Erfahrung, wie sensibel man andere beobachtet und analysiert und von der Menschenkenntnis.

Mimik ist nicht alles beim Erkennen von Emotionen

John Thoresen von der École polytechnique fédérale de Lausanne weiß das ziemlich gut. In seiner Doktorarbeit hat der Psychologe beleuchtet, wie Menschen den Gang eines Artgenossen deuten. Zunächst hat Thoresen etliche Menschen beim Gehen gefilmt und die laufenden Bilder so bearbeitet, dass die Beine prominent dargestellt wurden und die Signale des restlichen Körpers abgeschwächt auf den Betrachter wirkten. Fast alle Zuschauer berichteten von identischen Eindrücken. Sie verbanden einen wiegenden, stolzierenden Gang mit einer abenteuerlustigen, extravertierten, warmen und vertrauenswürdigen Person. Wer hingegen langsam, trottend und entspannt ging, wurde als ruhige und unerschütterliche Persönlichkeit gedeutet. Beeindruckend, wie einig sich die Betrachter waren. Man würde davon ausgehen, dass sie auch richtig lagen. Doch die Einschätzungen hatten nur selten etwas mit der wahren Persönlichkeit zu tun, die Thoresen mit gängigen Fragebögen ermittelt hatte.

Noch weitaus mehr erstaunten jüngst die Erkenntnisse eines Forscherteams um Alexander Todorov von der Princeton University, die ein Dogma der Psychologie ankratzen und deshalb dem renommierten Wissenschaftsmagazin Science eine Publikation wert waren. Konkret geht es um Gefühle größten Glücks und größer Enttäuschung. Derlei intensive Gefühle stehen einem buchstäblich ins Gesicht geschrieben – dachten Experten zumindest nach einer seit Jahrzehnten etablierten Theorie des amerikanischen Psychologen Paul Ekman. Doch eine der wenigen vermeintlichen Gewissheiten in Sachen Körperausdruck steht auf der Kippe.

Die Forscher benutzten Fotos von Menschen, die in sechs Situationen Emotionen erlebten: Freude, Schmerz, Niederlage, Sieg, Trauer und Lust. Im ersten Experiment betrachteten jeweils 15 Probanden den mit den Situationen und Gefühlen verbundenen Gesichtsausdruck, Körperausdruck oder beides. Die stets gestellte Frage an die Versuchsteilnehmer: Was erleben und was empfinden die abgebildeten Menschen? Ergebnis: Probanden, die ausschließlich das Gesicht betrachteten, lagen nur zu 50 Prozent richtig. Viel besser machten es jene Versuchsteilnehmer, die ausschließlich den Körper oder Körper und Gesicht gezeigt bekamen.

Interessant dabei: Die meisten Betrachter merkten nicht, worauf genau sie achteten. 53 Prozent der Probanden, die Körper und Gesicht auf den Fotos sahen, gaben an, sie würden sich vorzugsweise auf das Gesicht verlassen. Der Rest urteilte nach Gesichts- und Körperparametern. Keiner deutete auch nur an, dass einzig der Körper wegweisend sein könnte. Wie wichtig der allerdings ist, zeigte das nächste Experiment: Die Forscher manipulierten die Fotos. So wurde beispielsweise ein Gesicht im Moment des Sieges auf einen Körper im Moment der Niederlage montiert. In diesen Fällen tippten die meisten Probanden auf die Emotion, die der Körperausdruck offenbarte. In einem weiteren Versuch beurteilten Probanden etliche Gesichter, die in die sechs Kategorien fielen, mit unterschiedlichen Ergebnissen. Zwei weitere Experimente bestätigten den Eindruck: Zumindest bei intensiv erlebten Gefühlen liefert uns das Gesicht keine verlässlichen Anzeichen dafür, in welchem emotionalen Zustand sich ein anderer Mensch befindet. Man sollte also viel mehr dem Körperausdruck trauen, wenn man sich für die Gefühle seiner Mitmenschen interessiert.

Literatur

D. R. Carney, A. J. C. Cuddy, A. J. Yap: Power posing: Brief nonverbal displays affect neuroendocrine levels and risk tolerance. Psychological Science, 21, 2010, 1363–1368

H. Aviezer, Y. Trope, A. Todorov: Body cues, not facial expressions, discriminate between intense positive and negative emotions.Science, 338, 2012, 1225–1229

J. Thoresen, Q. Vuong, A. Atkinson: First impressions: Gait cues drive reliable trait judgements. Cognition, 124, 2012, 261–271

Christa Heilmann: Körpersprache – richtig verstehen und einsetzen. Ernst Reinhardt, München 2011

R. Wiseman u. .: The eyes don’t have it: Lie detection and neuro-linguistic programming. PLOS ONE, 7, 2012, e40259

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 4/2014: Die Sprache des Körpers