Flexibel arbeiten, besser denken

So funktioniert es, aber nicht immer. Müssen Mitarbeitende ihre Zusammenarbeit selbst koordinieren, ist zu viel Flexibilität belastend.

Flexibel zu arbeiten bringt einen Gewinn an Selbstbestimmung und wir bauen zusätzliche geistige Ressourcen auf: Im Problemlösen etwa werden wir besser oder im Selbstmanagement. Studienergebnisse  legen das nahe, sie zeigen aber auch: Flexibilität hat ihren Preis. Beispielsweise hindert sie uns daran, nach der Arbeit abzuschalten und uns zu erholen. Das hängt aber nicht vom Ausmaß der Flexibilität ab, sondern eher von den konkreten Anforderungen: Diejenigen Mitarbeitenden eines IT-Unternehmens, die ihre eigene Arbeit eigenständig und individuell organisierten, erlebten das als bereichernd. Anders erging es denen, die die Zusammenarbeit zwischen Kolleginnen und Kollegen nach Bedarf koordinierten. Sie fühlten sich stärker belastet und hatten in der Freizeit größere Probleme, sich zu erholen und abzuschalten. Diese Art von Flexibilität hatte keinerlei positive Auswirkungen, berichten die Forscherinnen und Forscher. 

Insgesamt 54 Personen, davon 20 Frauen und 34 Männer, alle waren im Schnitt seit fast sieben Jahren in dem IT-Unternehmen tätig, füllten 10 Tage lang zwei Mal täglich auf ihren Smartphones mehrere Fragebögen aus, einmal um 17 Uhr und einmal um 21 Uhr. Dabei erfassten die Forscherinnen und Forscher, welche kognitiven Anforderungen das flexible Arbeiten den Befragten in den Bereichen Selbstorganisation und Koordination abverlangte, wie sie es erlebten und ob es ihnen damit gut ging. Viele der Befragten hatten kleinere Kinder oder ältere Angehörige, um die sie sich kümmerten. 

Geistig flexibler werden

Wer seine Tätigkeit selbst strukturiert, lerne dabei und erwerbe zusätzliche Ressourcen, vielleicht, weil das mit vielfältigen geistigen Anforderungen einhergehe. Sich selbst zu organisieren heiße, sich einen persönlichen Arbeitsplan zu erstellen, eigene Entscheidungen zu treffen und unerwartete Probleme zu meistern. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlerin schreiben, dass wir vermutlich auf diese Weise nach und nach zusätzliche Fähigkeiten entwickeln, die uns über die Arbeit hinaus nützen. Wir werden geistig flexibler.

Sind wir gehalten, uns immer wieder mit Kolleginnen und Kollegen abzustimmen, kommen weitere Anforderungen hinzu: Es gibt wenig Routinen, auf die wir uns stützen können, häufiger unerwartete Probleme und wechselnde Anforderungen, die verlangen, die Zusammenarbeit immer wieder neu zu planen. Wenn Mitarbeitende zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten sind, geschehe das oft auf digitalem Weg, was es noch komplizierter mache. Dies erhöhe die „kognitive Last“. 

Die Forscherinnen und Forscher kommen zu dem Schluss: Offenbar stoßen die speziellen Anforderungen, die mit Flexibilität einhergehen, ganz unterschiedliche psychologische Prozesse an: Während die Organisation der eigenen Arbeit uns offenbar gut tut und stärkt, wird die Koordination mit Kolleginnen und Kollegen bei häufig wechselnden Anforderungen als belastend und anstrengend erlebt. Flexibilität wirke sich wohl nicht gleichzeitig positiv und negativ aus, sondern es gebe ein „Entweder-Oder“, abhängig von den konkreten Anforderungen. 

Das Forschungsteam empfiehlt, bei flexiblem Arbeiten genau hinzuschauen: Gehe es um die Koordination der Zusammenarbeit zwischen Teammitgliedern, seien beispielsweise feste und vorgegebene Meetingtermine sinnvoll, die zum einen regelmäßigen Kontakt erlaubten und Struktur bieten und zugleich Absprachen erleichtern. Dagegen sei es für die geistige Leistungsfähigkeit förderlich, wenn Angestellte bei der Organisation ihrer eigenen Arbeit Ermessensspielraum hätten. 

Bettina Kubick u. a.: Less detachment but ore cognitive flexibility? A diary study on outcomes of cognitive demands of flexible work. International Journal of Stress Management, 2022. DOI: 10.1037/str0000239

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