Vom Mann zum Menschen

„Männer leiden unter den ungerechten Geschlechterverhältnissen, die sie selbst geschaffen haben“, sagt Jens van Tricht.

Können Männer Feministen sein? Diese Frage polarisiert. Jens van Tricht hat eine klare Position. „Feminismus ist gut für Männer“, behauptet er. Der Feminist, Jahrgang 1969, arbeitet seit 25 Jahren am Thema Geschlechtergerechtigkeit. Er hat an der Universität Amsterdam Frauen- und Geschlechterwissenschaften studiert und in den Niederlanden die Organisation „Emancipator“ ins Leben gerufen. Sein Weg „vom Mann zum Menschen“ sei zunächst von Destruktivität und Aggression geprägt gewesen. „Der Feminismus half mir, ein vollständigerer Mensch zu werden.“

Sein Buch richtet sich an Männer und Frauen, denn zusammen müssten sie an einer Welt bauen, „in der Männer in die Emanzipationsbewegung miteinbezogen werden“. Van Trichts Plädoyer für die Weiterentwicklung des Mannes zum Menschen beschäftigt sich unter anderem mit feministischer Geschichte und der Frage, ob Männlichkeit sozial konstruiert oder biologisch determiniert ist.

„Ich sehe die Männlichkeit als ein gesellschaftliches Konstrukt“, so der Autor, der sich damit eindeutig in der alten feministischen Streitfrage, ob die Biologie das Geschlecht dominiert oder ob das Geschlecht sozial konstruiert ist, auf der Seite des Gleichheitsfeminismus positioniert.

Kein Softie oder Weichei

Männer, so eine zentrale These, sollten mit dem Menschsein beginnen, indem sie sich bewusstmachen, dass sie unter einem enormen Druck stehen und dass erlernte Normen von Männlichkeit und Stärke sie einschränken. Männeremanzipation bedeute: „Wir müssen Männer aus der Zwangsjacke der stereotypen Männlichkeit befreien.“

Selbstreflexion sei dabei unabdingbar, aber für viele Männer eine schwierige Angelegenheit. Mann wolle nicht als Softie oder Weichei gesehen werden. Der Autor empfiehlt Männerworkshops und Trainings zur Persönlichkeitsentwicklung. Sie könnten „Entscheidendes zur Männer­emanzipation beitragen“. Allerdings reiche die persönliche Veränderung nicht aus. Wenn wir das Problem bei der Wurzel packen wollten, müssten wir etwas an den Systemen, Dynamiken oder Mechanismen ändern, die immer wieder Dominanz und Ungleichheit hervorbrächten. „Wir müssen das Patriarchat als solches abschaffen.“

Starke Worte. Doch es fehlen Vorschläge, wie wir diesem Systemwandel näherkommen könnten. Es fehlt auch eine Darstellung der verschiedenen feministischen Strömungen, denn es gibt keine einheitliche feministische Theorie, sondern viele verschiedene Ansätze und Denkrichtungen. Eine Kritik am real existierenden, neoliberal gefärbten Feminismus, wie er etwa durch Hillary Clinton personifiziert wird, fehlt völlig.

Trotz dieser Einwände ist das Buch zu empfehlen, gerade weil es meinungsstark ist und Diskussionen auslösen kann und soll. Deutlich wird: Der Feminismus ist keine Bewegung, die männlichen Interessen entgegensteht. Die Abschaffung des Patriarchats ist für Männer und Frauen nutzbringend.

Jens van Tricht: Warum Feminismus gut für Männer ist. Ch. Links, Berlin 2019, 175 S., € 18,–

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 4/2020: Mein wunder Punkt
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