Wie der Landstrich so der Mensch

Herzliche Rheinländer, fleißige Schwaben? Eine „Regionalpersönlichkeit“ gibt es wirklich. Sie verrät sogar, wo wir am besten aufgehoben sind.

Ein junger Mann mit Baskenmütze auf dem Kopf, steht mit seinem Schäferstab auf der Wiese und trägt dabei ein weißes Lamm auf den Schultern
Ob auf dem Land oder in der großen Stadt – Menschen sind zufriedener, wenn sie von Gleichgesinnten umgeben sind. © plainpicture/Céleste Manet

Die Leute ticken ja überall ein bisschen anders. Jeder kennt die Klischees: Die Bayern strotzen vor Selbstvertrauen („Mia san mia“), Rheinländer gelten als leutselig (Karneval!), Norddeutsche als distanziert („hanseatisch unterkühlt“), während die Hauptstädter ihren Mitmenschen mit übertriebener Direktheit begegnen („Berliner Schnauze“).

Psychologische Forschungsteams sind dabei, diese Klischees zu überprüfen. Sie nutzen dafür die Möglichkeiten des Internets und ermitteln die „Regionalpersönlichkeit“ von…

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und ermitteln die „Regionalpersönlichkeit“ von Bundesländern, Landkreisen, manchmal sogar von einzelnen Stadtvierteln. Die Regionalpersönlichkeit verrät, warum in manchen Gegenden besonders viele Unternehmen gegründet werden; sie kann vorhersagen, wo bestimmte Produkte sich gut verkaufen, wo man als Einzelperson vermutlich glücklich wird – und sogar, wie man durch die kluge Wahl seines Wohnorts sein Leben um ein paar Jahre verlängert.

Die Forschenden greifen dabei auf Erkenntnisse der Persönlichkeitspsychologie zurück. Nach dem derzeit gängigsten Modell werden Menschen dort anhand von fünf Basiseigenschaften, den Big Five eingestuft, nämlich:

  • wie kreativ und neugierig wir durchs Leben gehen (Offenheit für neue Erfahrungen)

  • wie fleißig und ordentlich wir sind (Gewissenhaftigkeit)

  • wie gerne wir uns mit anderen unterhalten (Extraversion)

  • wie freundlich und mitfühlend wir sind (Verträglichkeit)

  • wie leicht wir uns durch äußere und innere Faktoren stressen lassen (Neurotizismus).

Auf jeder dieser fünf Skalen hat jeder Mensch seinen individuellen Wert und das Muster dieser fünf Werte bildet sein persönliches Profil. Nimmt man nun die Profile einer ganzen Bevölkerungsgruppe, also etwa in Schwaben, Bayern oder Friesland, dann verteilen sich die Eigenschaften etwa wie bei einer Fußballelf: In jedem Team gibt es ein paar Kleine, ein paar Große und viele, die eher mittelgroß sind. Und so finden sich dann in Berchtesgaden, Dresden, Jülich oder Husum Menschen, die etwas gesprächiger oder schweigsamer sind als die meisten – und viele in der Mitte. Aber unterscheidet sich diese Verteilung je nach Region? Anders gefragt: Sieht jede „Fußballelf“ von Gegend zu Gegend ein bisschen anders aus?

Um dies sicher beantworten zu können, muss man die Testwerte sehr vieler Menschen vergleichen. Lange Zeit verteilte man dazu Fragebögen – Papier und Bleistift. Auf diesem Weg die Daten von hunderttausenden oder gar Millionen von Menschen zu erfassen – das war einfach zu teuer.

Die Sache änderte sich jedoch mit dem Siegeszug des Internets. Man konnte nun einfach einen Big-Five-Test ins Netz stellen und auf die Neugier der Nutzer hoffen. Falls Sie sich selbst einmal testen wollen, finden Sie zum Beispiel unter de.outofservice.com/bigfive einen digitalen Fragebogen des Big Five Projects von Jeff Potter und Samuel Gosling, den inzwischen mehr als zehn Millionen Menschen auf der ganzen Welt absolviert haben. Mit derlei Aktionen kam auch die Suche nach der Regionalpersönlichkeit ins Rollen – denn die Forscher fragten bei jedem Test nach der aktuellen Postleitzahl der Nutzer.

Die Diagnostik des sprechenden Huts

Einer der Pioniere bei der Erforschung der Regionalpersönlichkeit ist der Psychologe Jason Rentfrow von der Universität Cambridge. Er berechnete anhand solcher Daten aus dem Netz die Durchschnittspersönlichkeit verschiedener Gegenden in Großbritannien. Seine Persönlichkeitslandkarte offenbart, dass man in Schottland in erster Linie freundlichen Menschen begegnet – und in London überproportional vielen Rüpeln; dass Schottinnen und Schotten ein recht gelassenes Völkchen sind – während man es in Wales eher mit ängstlichen Nervenbündeln zu tun hat; und dass die Offenheit für neue Erfahrungen nirgendwo so groß ist wie in London.

Heute arbeiten auch viele Forschende aus Deutschland auf diesem Gebiet. Zu ihnen gehört Friedrich Götz, der gerade bei Jason Rentfrow seine Doktorarbeit schreibt. Friedrich Götz sitzt trotz seiner jungen Jahre bereits auf einem der wertvollsten Datenschätze der Welt. Die Sache begann mit einem Zufall, genauer: einer E-Mail aus New York. Ein Reporter des Magazins Time hatte sich Anfang 2017 bei Professor Rentfrow gemeldet. Man wolle eine Art Psychoquiz ins Internet stellen und brauche dafür wissenschaftliche Unterstützung. Die Sache müsse unbedingt bis zum 26. Juni fertig sein. Genau 20 Jahre zuvor hatte an diesem Tag nämlich die erfolgreichste Romanreihe der modernen Literatur begonnen: mit der Veröffentlichung von Joanne K. Rowlings Buch Harry Potter und der Stein der Weisen. Jubiläen, so wusste man in der Time-Redaktion, funktionieren immer!

„Aber mein Doktorvater hatte Harry Potter nicht gelesen und so hat er die Anfrage an sein Team weitergeleitet“, erzählt Friedrich Götz. Er selbst sei der Einzige gewesen, der überhaupt auf die Mail reagiert habe. Götz also wusste um den erzählerischen Hintergrund: In dem ersten Band der Harry-Potter-Reihe wird der jugendliche Held in die Zauberschule Hogwarts eingeschult. Das Internat besteht aus vier „Häusern“. In welchem Haus man landet, das entscheiden weder Eltern noch Lehrer – sondern ein magischer Gegenstand: der „sprechende Hut“. In einem Lied verrät der Hut sogar, nach welchen Kriterien er seine Wahl trifft:

Vielleicht seid ihr Gryffindors, sagt euer alter Hut, denn dort regieren, wie man weiß, Tapferkeit und Mut. In Hufflepuff dagegen ist man gerecht und treu, man hilft dem andern, wo man kann, und hat vor Arbeit keine Scheu. Bist du geschwind im Denken, gelehrsam auch und weise, dann machst du dich nach Ravenclaw, so wett ich, auf die Reise. In Slytherin weiß man noch List und Tücke zu verbinden, doch dafür wirst du hier noch echte Freunde finden.

Klischees und Resultate

Für Friedrich Götz war die Sache sofort klar: Dieses Lied beschreibt nichts anderes als einen psychologischen Persönlichkeitstest! Er ackerte sich durch einen Berg wissenschaftlicher Fragebögen – und erstellte einen Test, mit dem man noch heute im Internet herausfinden kann, in welches Haus der sprechende Hut einen selbst wohl gesteckt hätte. Die Sache ging viral. „Und sie wächst noch immer“, sagt Friedrich Götz. Bis zum Sommer 2020 hatten mehr als 1,8 Millionen Menschen dort ihren Aufnahmetest von Hogwarts nachgespielt. Auch hier können die Teilnehmenden per Mausklick zustimmen, ihre Daten der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen. Und auch hier verraten sie zusätzlich noch die Postleitzahl ihres Wohnorts – ein Fundus für künftige Studien zur Regionalpersönlichkeit.

Für Deutschland liegen solche Erkenntnisse bereits vor, nämlich aus dem zuvor erwähnten Big Five Project. Diesen Onlinetest haben hierzulande mehr als 80000 Menschen absolviert. Der deutsche Forscher Martin Obschonka von der australischen Queensland University of Technology hat mit diesen Daten unlängst den Regio­nalcharakter der Deutschen vermessen. Und in der Tat: Obschonka und sein Team konnten zeigen, dass manche der Klischees tatsächlich der Wahrheit entsprechen. Die fünf wichtigsten Ergebnisse der Studie:

1. Offenheit für neue Erfahrungen meint in der Persönlichkeitspsychologie eine neugierige, kunst­interessierte Haltung. Wo findet man diese Eigenschaften, also jene Menschen, die nach den Worten des US-Forschers Richard Florida zu der „kreativen Klasse“ gehören? Natürlich: Man findet sie in den Metropolen, also in Berlin, Hamburg, Köln oder München. In keinem Aspekt der Regionalpersönlichkeit liegen Stadt und Land so weit auseinander.

2. Womöglich überraschend: In Ostdeutschland sind die Menschen tendenziell gewissenhafter als im Westen. Fleiß und Ordnung scheinen dort besonders wichtig zu sein. Auch in Teilen Süddeutschlands zeigen sich erhöhte Werte. Am Klischee von emsigen Schwäbinnen und Schwaben („Schaffe, schaffe, Häusle baue“) ist also wirklich etwas dran. Ansonsten zieht sich schräg durch Deutschland eine Art „Band der Lockerheit“: Von Niederbayern über Franken bis Südwestniedersachsen scheint man die Dinge nicht ganz so eng zu sehen wie im Rest des Landes.

3. Ostdeutsche sind tendenziell introvertierter als Westdeutsche. „Auch die Bewohner der Küstenregionen erscheinen weniger extravertiert, was zum Stereotyp des zurückhaltenden, unterkühlten Norddeutschen passt“, schreibt Martin Obschonka. Ebenfalls auffällig: Besonders in den Großstädten sind die Menschen im Durchschnitt gesprächiger. Berlin, Hamburg, München, Köln, Stuttgart, Düsseldorf, Frankfurt – in all diesen Ballungszentren sollte man damit rechnen, von Fremden ungezwungen angesprochen zu werden.

4. Besonders freundlich sind die Leute zum Beispiel in Baden und Oberbayern. An den Küstenregionen sind die Werte im Faktor Verträglichkeit dagegen eher niedrig, „was zum Stereotyp des rauen, unterkühlten Norddeutschen passt“. Doch auch in Niederbayern, Franken, im Ruhrgebiet und in Teilen von Hessen scheint es tendenziell ruppiger zuzugehen als anderswo.

5. Beim Faktor Neurotizismus gibt es in Deutschland tatsächlich so etwas wie einen Weißwurstäquator, der allerdings nicht exakt einem Breitengrad folgt: Er verläuft etwa auf einer Linie zwischen München und Köln. Südlich davon sind die Menschen im Durchschnitt weniger reizbar, weniger stressanfällig, weniger unzufrieden, was einigermaßen „zum Stereotyp des gemütlichen Süddeutschen zu passen scheint“, wie Martin Obschonka und seine Kollegen schreiben. Allerdings gibt es auch im Norden einige Inseln der emotionalen Stabilität, etwa die Gegenden um Hamburg und südwestlich von Berlin.

Die Unterschiede zwischen Stadt und Land existieren nicht nur in Deutschland. „Dieselben Muster haben wir bisher in allen Ländern gefunden, die wir genauer untersucht haben, etwa in den USA, in Großbritannien oder der Schweiz“, sagt Tobias Ebert von der Universität Mannheim, der wie Götz sein Handwerk bei Jason Rentfrow in Cambridge gelernt hat.

Was fängt man an mit all dem Wissen? Obschonka hat zum Beispiel gezeigt, dass die Wahlparolen zum Brexit oder zur Wahl Donald Trumps im Jahr 2016 in Regionen mit hohen Neurotizismuswerten auf besonders fruchtbaren Boden fielen. Beide Kampagnen spielten mit den Ängsten der Menschen. In einem eher ängstlichen Umfeld ist man für derlei Botschaften offenbar empfänglicher.

Um eher wirtschaftliche Fragen geht es in einer Arbeit von Friedrich Götz und Tobias Ebert. Die beiden nutzten die oben erwähnten Harry-Potter-Daten, um zu klären, warum in manchen Gegenden der USA besonders viele Start-ups gegründet werden und in anderen eher nicht. Wo im Land wohnen eigentlich die Leute, die besonders mutig sind? Also jene Menschen, die gemeinsam mit Harry Potter im Haus Gryffindor zur Schule gegangen wären? Dafür haben Götz und Ebert 390000 Datensätze analysiert. Tatsächlich zeigt die so ermittelte Landkarte des Mutes recht hohe Übereinstimmungen mit der Landkarte der Unternehmensgründungen. In mutigen Landstrichen suchen die Leute also weniger nach einer Festanstellung. Sie wagen ihr eigenes Ding. Etwa im Großraum Boston, in der Bay Area um San Francisco, aber auch in Texas in der Gegend um die Stadt Austin. „Wir sehen allerdings auch, dass in den mutigen Regionen besonders viele Unternehmen scheitern“, sagt Götz. Mut ist eben mit Risiken verbunden.

Der ideale Firmenstandort

Doch die Regionalpersönlichkeit hat noch einen weiteren Einfluss auf den Erfolg junger Start-ups, wie eine andre Studie Eberts zeigt. Er hat für die USA eine Landkarte der „Offenheit für neue Erfahrung“ berechnet. Könnte es sein, dass eine besonders neugierige Bevölkerung auch eher bereit ist, neuartige Produkte auszutesten? In der Tat sieht man an Eberts Daten, dass Firmen wie Uber und Airbnb genau in solchen Gegenden erste Erfolge feierten. Statistisch sagt der Faktor Regionalpersönlichkeit mehr als 20 Prozent des Start-up-Erfolgs vorher.

Die Psychologin Sandra Matz – sie stammt ebenso aus Deutschland und hat ihren Doktor in Cambridge gemacht, heute ist sie Professorin an der Columbia University in New York – erforscht unter anderem, was der Kauf bestimmter Produkte mit unserer Persönlichkeit zu tun hat. Sie hat zum Beispiel nachgewiesen, dass introvertierte Menschen tatsächlich ganz klischeegetreu eher mit Büchern glücklich werden. Man kann sich damit in die Ecke setzen und seine Ruhe haben.

Das brachte Sandra Matz gemeinsam mit Götz und Ebert auf eine Idee: Kann auch die Regionalpersönlichkeit vorhersagen, wo welche Produkte gekauft werden? Das Team analysierte das Verhalten von mehr als 110000 Menschen in Großbritannien. Wofür hatten sie ihr Geld ausgegeben? Für Bücher? Urlaubsreisen? Hatten sie es für wohltätige Zwecke gespendet? Und es zeigte sich: Wir investieren nicht nur in das, was unserem eigenen Charakter entgegenkommt – sondern auch in das, was zur Durchschnittspersönlichkeit unserer Wohngegend passt. Derselbe Persönlichkeitstypus kauft in einer introvertierten Gegend im Schnitt häufiger ein Buch, als er das in einer extravertierten Gegend tun würde. Regionale Gewohnheiten sind gewissermaßen ansteckend. Liegt das an unseren Nachbarn? Oder womöglich: an der Landschaft?

Der Mensch im Gebirge

1827 erscheint Wilhelm Hauffs Märchen Das kalte Herz. Dort heißt es, man solle, wenn man nach Schwaben komme, unbedingt einen Abstecher in den Schwarzwald machen. Nicht nur wegen der schönen Gegend. Sondern auch weil die Bewohner dort „sich von den andern Menschen ringsumher merkwürdig unterscheiden. Sie sind größer als gewöhnliche Menschen, breitschultrig, von starken Gliedern, und es ist, als ob der stärkende Duft, der morgens durch die Tannen strömt, ihnen von Jugend auf einen freieren Atem, ein klareres Auge und einen festeren, wenn auch raueren Mut als den Bewohnern der Stromtäler und Ebenen gegeben hätte.“

Der Psychologe Shigehiro Oishi von der Columbia University hat den Zusammenhang zwischen Bergen und Persönlichkeit systematisch untersucht und dabei ein paar interessante Dinge festgestellt. In seinen Seminaren hatte Oishi bemerkt, dass extravertierten Menschen Steigungen steiler vorkommen als den eher Introvertierten. Eine Steigung von sieben Prozent (nicht so steil) sieht für sie aus, als hätte sie zwanzig Prozent (ziemlich steil). Puh – es lohnt sich kaum, da raufzuklettern! Oishi begann, weitere Fragen zu stellen. Wo verbringen die Leute am liebsten ihren Urlaub? Tatsächlich: Die Extravertierten fahren lieber an die See. Die Introvertierten dagegen suchen Erholung lieber in den Bergen.

Oishi startete ein Experiment. Er gab seinen Studierenden in New York einige Stunden frei und überprüfte, wohin sie sich zurückzogen. Und siehe da: Die Extravertierten setzten sich in belebte Parks und Cafés, also dorthin, wo man einen weiten Blick hatte und viele Menschen treffen konnte. Die Introvertierten dagegen verschanzten sich zwischen den abgelegenen Regalen der örtlichen Bibliothek. Schließlich verglich Oishi die Regionalpersönlichkeit von Menschen, die im Gebirge oder Flachland wohnten. Wieder fand er dasselbe Ergebnis: In den Bergen sind die Leute im Durchschnitt viel introvertierter als an der Küste. Wer seine Ruhe haben will, so folgert der Psychologe, der bringt hohe Gipfel zwischen sich und den Rest der Menschheit.

Umgeben von Gleichgesinnten

Immer wieder haben Studien gezeigt, dass religiöse Menschen im Durchschnitt etwas länger leben als weltlich eingestellte. Dass auch die Regionalpersönlichkeit dabei eine Rolle spielt, hat jetzt Tobias Ebert zusammen mit einigen Kollegen entdeckt. Sie untersuchten dafür tausende von Todesanzeigen und Grabinschriften in den USA. Auf beiden finden sich nämlich nicht nur die Namen und Lebensdaten der Verstorbenen, sondern manchmal auch fromme Symbole. Eberts Daten zeigen: Wer in einer sehr religiösen Gegend gelebt hatte und dazu noch einen Engel oder ein Kreuz auf seinem Grabstein stehen hat, ist im Schnitt auch älter geworden als jemand, der oder die unter einem Stein ohne Bezug zum lieben Gott seine ewige Ruhe fand.

Das ist aber nicht überall so: In weniger religiösen Gegenden bleibt der Effekt aus. Wer glaubt, lebt länger – aber nur dann, wenn man genau das glaubt, was auch die Nachbarn glauben. „Im Extremfall ist der Unterschied in der Lebenserwartung so groß wie der zwischen schlanken Menschen und extrem Übergewichtigen“, sagt Tobias Ebert. Wer an Gott glaubt und dennoch mehr Zeit im Diesseits verbringen möchte, sollte im Zweifel also in eine Gegend ziehen, in der er von Gleichgesinnten umgeben ist.

Am Beispiel von London hat ein anderes Forschungsteam gezeigt, dass Menschen in einem Stadtviertel glücklicher werden, dessen Durchschnittspersönlichkeit besonders gut mit dem eigenen individuellen Charakter harmoniert. Könnte man daraus eine Geschäftsidee machen? Eine Art Matching-App zwischen Mensch und Wohnort? „Wenn man das entsprechend aufzieht…“, überlegt Tobias Ebert. Aber dann winkt er ab. Eine Firma gründen, das ist eher nicht so sein Ding. Denn im Harry-Potter-Test landen sowohl er als auch Friedrich Götz im Hause Ravenclaw. „Das spricht dafür, dass wir an der Uni ganz gut aufgehoben sind“, sagt Friedrich Götz. „Typische Unternehmerpersönlichkeiten kommen eher aus Gryffindor oder Slytherin.“ 

Literatur

Tobias Ebert u.a.: Spending reflects not only who we are but also who we are around: The joint effects of individual and geographic personality on consumption. Journal of Personality and Social Psychology, Online-Vorabveröffentlichung 2020. DOI: 10.1037/pspp0000344

Martin Obschonka u.a.: Von unterkühlten Norddeutschen, gemütlichen Süddeutschen und aufgeschlossenen Großstädtern: Regionale Persönlichkeitsunterschiede in Deutschland. Psychologische Rundschau, 70/3, 2019, 173–194

Jason Rentfrow u.a.: Regional personality differences in Great Britain. Plos One, 10/3, 2015. DOI: 10.1371/journal.pone.0122245

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 1/2021: Sehnsucht nach Verbundenheit