Vom Erhofften – und Gewünschten

Können wir angesichts der vielen Krisen auf der Welt noch hoffen? Zwei Autoren widmen sich der Zuversicht aus unterschiedlichen Perspektiven

Ein Bücherstapel mit den Büchern, die in Ausgabe 7/2025 vorgestellt werden
Das ist der Bücherstapel der Rezensionen der Juliausgabe 2025. © Psychologie Heute

Was bedeutet es, wenn eine Ordnung zusammenbricht? Können wir angesichts einer weltweiten Polykrise immer noch hoffen? Geben Hoffnungen Kraft oder sind sie eine Flucht vor der Realität? Diese Fragen treiben die beiden Autoren Jonas Grethlein und Philipp Blom um.

Von Hoffnung zu reden habe derzeit Konjunktur – da sind sich der Historiker und Schriftsteller Blom und der Altphilologe Grethlein einig. Während Philipp Blom das Hoffnungsthema gesellschaftspolitisch und aufklärerisch anpackt, blickt Jonas Grethlein weit in die Vergangenheit, auch „um unser Verhältnis zur Zukunft zu erhellen“.

Hoffnung in Briefform

Bloms Zielgruppe ist die Jugend. Er schreibt in Briefform an einen imaginierten jungen Mann. Diese Herangehensweise erlaubt eine lose Struktur. Er kann auf Fragen und Stimmungen reagieren, sein Wissen über Aufklärung, Geschichte und Zeitgeschichte mäandrieren lassen.

Jung sein bedeute: „Die Hoffnung fließt in deinen Adern. Deine Geschichten haben eine immense Kraft und Leichtigkeit, wurden noch nicht vom Leben überfallen, verwässert, gerüttelt von all den kleinen Kompromissen…“ Doch dann folgt eine harte Lektion in Sachen Realismus. Wir erlebten, so der Autor, eine dreifache existenzielle Krise, die ineinandergreife: die Erderhitzung, den Zusammenbruch der Artenvielfalt und die Risiken von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz. Die Erzählung von einer freien Welt mit einem globalen freien Markt und einer rechtebasierten Ordnung habe sich als Illusion erwiesen. Die Geschichte der Aufklärung, der Gleichheit, der Freiheit der Wissenschaft sei gleichzeitig die Geschichte der Sklaverei, des Rassismus, der Konzentrationslager und der Zerstörung der Natur.

Was sollen wir hoffen?

Was also hoffen, wenn sich unser Lebensmodell als moralisch verheerend und ökologisch zerstörerisch erwiesen hat? Hoffen heiße auch, sich über die unerträgliche Brüchigkeit des Lebens hinwegzuretten. Die Hoffnung habe oft das Gesicht gewechselt. Aber immer erzähle sie Geschichten. „Eine Gesellschaft braucht Geschichten, Spiel­regeln, Gemeinsamkeiten, sonst ist sie nur ein Haufen Menschen, die zufällig am gleichen Ort leben und sich um seine Ressourcen streiten.“

Hoffnung brauche einen Handlungsraum, in dem man nicht machtlos ist. Dazu seien Strukturen notwendig, in denen Handeln möglich ist. So werde Hoffnung politisch. Alle politische Hoffnung wachse aus Solidarität, durch Zusammenstehen, Widerstand; auch dadurch, dass man den Mund aufmache, einander zuhöre, Haltung zeige, diskutiere, organisiere, demonstriere, Allianzen forme. Aus der so entstehenden Verbundenheit wachse politische Veränderung, entstünden neue Geschichten, Hoffnung auf Transformation. Hoffen wir, dass dieses gute Buch eines begabten Geschichtenerzählers auch von der Zielgruppe angenommen wird.

Hoffnung in der Polykrise

Ebenso wie Philipp Blom erkennt Jonas Grethlein eine Polykrise. Der Professor für klassische Philologie erzählt eine Geschichte der Hoffnung von der Antike bis zur Neuzeit. Dabei interpretiert er literarische Texte, Gedichte, Reden, Pamphlete, Grab-Epigramme oder Minnelieder, die Hoffnung ausdrücken. Das Panorama bleibt auf die westliche Kultur fixiert, was aber nicht heiße, dass nur im Westen gehofft werde.

Bereits in der Antike sah man im Hoffen etwas allgemein Menschliches. Gefragt, was die Menschen am stärksten verbinde, soll der griechische Philosoph Thales (6. Jahrhundert v.Chr.) geantwortet haben: „Die Hoffnung, denn sie ist auch bei denen, die nichts anderes haben.“ Aber auch die Zurückweisung der Hoffnung als illusionär ziehe sich von der Antike bis zur Gegenwart. Den antiken Stoikern war die Hoffnung suspekt. Sie sahen in ihr eine unnötige Erregung, die den Seelenfrieden gefährde.

Für Seneca, den römischen Philosophen (1 bis 65 n.Chr.), war die Hoffnung eine Eigenart der schwankenden Seele. Auch Sigmund Freuds Religionskritik sei eine Zurückweisung der Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Dadurch, dass der Mensch „seine Erwartungen vom Jenseits abzieht und alle frei gewordenen Kräfte auf das irdische Leben konzentriert, wird er wahrscheinlich erreichen können, dass das Leben für alle erträglich wird…“, so Freud.

Was Hoffende von Optimistinnen unterscheidet

Nicht alles Zukünftige könne jedoch Gegenstand der Hoffnung werden. Das Erhoffte müsse möglich sein, so unterscheide es sich vom Gewünschten. Die Ziele der Hoffnung zeichneten sich durch ihre Unverfügbarkeit aus. „Gerade weil wir etwas nicht aus eigener Kraft erreichen können, hoffen wir.“ Mit der Unverfügbarkeit verknüpft sei die Unsicherheit, die die Hoffenden von Optimistinnen und Optimisten unterscheide, die voller Zuversicht in die Welt blicken.

Trotz der existenziellen Krisen sieht der Autor einen Hoffnungsschimmer. Es sei von Bedeutung, dass nicht alle, die keinerlei Grund für Hoffnung sähen, in Verzweiflung stürzten. Es gebe immer wieder Menschen, die noch eine „Grundhoffnung“ im Sinne einer „zuversichtlichen Erwartung“ bewahrten. Diese Grundhoffnung könne Kraft geben, nach Möglichkeiten für Veränderungen in der Gegenwart und Zukunft zu suchen.

„Die Hoffnung stirbt zuletzt“ – so nennt das lakonisch der Volksmund; oder in der christlichen Version: „Hoffnung lässt nicht zuschanden werden“ (im Römerbrief des Apostels Paulus). Ein gedankenreiches, gehaltvolles Buch, auch für Laien mit allgemeiner Bildung gut verständlich.

Philipp Blom: Hoffnung. Über ein kluges Verhältnis zur Welt. Hanser 2024, 184 S., € 22,–

Jonas Grethlein: Hoffnung. Eine Geschichte der Zuversicht von Homer bis zum Klimawandel. C.H. Beck 2024, 351 S., € 28,–

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