Knurren gegen das Trauma

Knurren oder Summen kann den Vagusnerv stimulieren und so innerer Unruhe entgegenwirken. Das kann sogar bei der Traumabewältigung helfen.

Knurren Sie ruhig ein wenig vor sich hin. Es wird Ihrem Wohlbefinden zugutekommen. Davon ist die amerikanische Psychologin Cathy Malchiodi überzeugt. Denn laut der Expertin stimuliert das Knurren einen besonderen Nerv in unserem Körper: den Vagusnerv. Als wichtiger Strang des parasympathischen Nervensystems verbindet er das Gehirn unter anderem mit Herz und Lunge sowie Magen und Darm.

Der Vagusnerv gilt bereits seit mehr als 20 Jahren als ein wichtiger Helfer in der Behandlung unterschiedlicher Erkrankungen. Eine im Nacken angebrachte klei­ne Elektrode, die den Vagusnerv mit Impulsen stimuliert, hilft beispielsweise Patienten mit schwerer Epilep­sie oder bestimmten Formen der Depression.

Malchiodi nutzt die Vagusnervstimulation bei der Traumabewältigung. Sie schult Einsatzkräfte der Katastrophen- und humanitären Hilfe. In ihrem neuen Buch Trauma and Expressive Arts Therapy empfiehlt sie auch nichttraumatisierten Menschen, die Aktivität des Vagusnervs anzuregen. Das sei etwa „in Momenten großer Anspannung und Nervosität“ hilfreich.

Und hier kommen das erwähnte Knurren und andere selbstproduzierte Geräusche ins Spiel. Der Nerv sei mit den Stimmbändern und Muskeln im Rachen und mit dem Innenohr verbunden, so Malchiodi. Indem wir Geräusche von uns geben, aktivieren wir diese Muskeln und stimulieren dadurch den Vagusnerv. Ein solches Geräusch ist das Summen. „Summen Sie Ihr Lieblingslied und experimentieren Sie dabei mit der Lautstärke“, empfiehlt Malchiodi. „Haben Sie einen wohltuenden und beruhigenden Pegel gefunden, behalten Sie ihn bei.“

Wer zu aufgebracht zum Liedersummen ist, dem empfiehlt Malchiodi das Knurren. Sanftes Tierknurren während des Ausatmens könne der inneren Unruhe entgegenwirken. Selbst kräftiges Gurgeln sei eine Möglichkeit, den Vagusnerv anzuregen. Wem dies zu albern ist, für den hat die Psychologin eine Alternative: Atmen Sie ein und zählen Sie dabei bis vier – in langsamem Rhythmus. Halten Sie für einige Momente den Atem an. Beim Ausatmen können Sie mit Tönen wie dem aus der Meditation bekannten „Om“, aber auch schlicht mit den Lauten „O“ und „A“ Schwingungen erzeugen, die die Aktivität des Vagusnervs intensivieren.

Cathy A. Malchiodi: Trauma and expressive arts therapy: Brain, body, and imagination in the healing process. The Guilford Press, New York 2020 (Kapitel 3 und 4)

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 8/2020: Emotional durchlässig
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