Die Psychotherapie lernt fühlen

Lange wurden Gefühle in der Psychotherapie wenig beachtet. Jetzt rücken neue Ansätze unseren Umgang mit Emotionen in den Fokus der Therapie.

Lange Zeit galten Gefühle in der Psychotherapie als unwissenschaftlich – das hat sich geändert. © laflor/Getty Images

Sie müssen lernen, Ihre Gefühle zu beherrschen, sonst wird das noch Ihr Untergang sein“, sagt Mr. Spock, Erster Offizier auf dem Raumschiff Enterprise. „Gefühl ist alles, Name ist Schall und Rauch“, proklamiert hingegen Goethes Faust. Auch die Psychotherapie ringt seit ihrem Bestehen darum, wie wichtig die Integration von Gefühlen in die therapeutische Arbeit ist. Braucht man Gefühle für eine heilsame Entwicklung, oder sind sie nur Beiwerk und versperren den Blick auf vernünftige Entscheidungen? Diese Frage…

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Diese Frage scheint inzwischen durch zahlreiche Studien beantwortet zu sein. Alle zeigen, dass die emotionale Ebene lange vollkommen unterschätzt wurde. Faust war der Wahrheit also deutlich näher als Mr. Spock.

Die Psychotherapie reagierte prompt: Fast alle modernen Therapieverfahren wie etwa die Schematherapie, die ACT-Therapien (acceptance and commitment, Akzeptanz und Selbstverpflichtung) oder andere achtsamkeitsbasierte Therapiemethoden betonen die Wichtigkeit von Gefühlen. Sie entwickeln Methoden, um mit Klienten nicht nur über Gefühle zu sprechen, sondern sie auch bei deren Wahrnehmen und Ausdrücken zu unterstützen. Dabei hatten die Gefühle lange in weiten Teilen der Therapieszene keinen guten Ruf, sie galten als unwissenschaftlich und subjektiv. In der wohl am weitesten verbreiteten Therapiemethode, der kognitiven Verhaltenstherapie, setzt man vor allem auf die Beeinflussung der Gedanken. Doch zahlreiche Studien zeigen heute, dass die damit einhergehenden Veränderungen recht oberflächlich bleiben, wenn die Gefühle nicht einbezogen werden. Mittlerweile herrscht Konsens, dass tiefgreifende Veränderungen nur dann gelingen, wenn Gefühle auch während des therapeutischen Prozesses aktiviert sind.

Die Erkenntnisse der neuen Therapieansätze sind jedoch nicht nur für Psychotherapeuten und ihre Klienten interessant. Sie vermitteln auch jenseits psychischer Krisen ein neues Verständnis von Gefühlen, das vor allem auf den Erkenntnissen neurobiologischer Studien basiert. So räumen sie mit der sehr verbreiteten Vorstellung auf, dass wir in der Lage wären, unsere Gefühle vollständig zu „beherrschen“. Untersuchungen zeigen, dass die Einflüsse des emotionalen Systems auf das kognitive System viel stärker sind als umgekehrt. Mit anderen Worten: Unsere Gefühle beeinflussen viel mehr unsere Gedanken, als dass wir durch unsere Gedanken Einfluss auf unsere Gefühle nehmen könnten. Das gilt vor allem bei sehr starken Emotionen wie Wut, Ärger, Trauer, die wir weder durch unseren Willen noch durch kognitive Prozesse kontrollieren können. Trotzdem versuchen wir immer wieder, unsere Gefühle wegzudrücken: Die Schwiegermutter soll nicht merken, wie sehr wir uns über sie ärgern, und auch die Enttäuschung wegen der geplatzten Verabredung würden wir am liebsten gar nicht spüren und auch nicht zeigen. Fachleute sprechen von „Emotionssuppression“, Gefühlsunterdrückung.

Wie wenig sie bewirkt, zeigt eine interessante Studie, in der Versuchspersonen Filme anschauen sollten, die Ärger hervorrufen. Die eine Gruppe sollte ihren Ärger unterdrücken, die andere durfte ihm freie Bahn lassen. Anschließend sollten die Teilnehmer im Nebenzimmer gegen einen vermeintlichen Gegner im Computerspiel antreten. Dabei hatten sie die Möglichkeit, den Kontrahenten mit lautem Lärm zu beschallen. Wer vorher seinen Ärger unterdrückt hatte, der drehte nun die Geräusche im Nachbarraum besonders ohrenbetäubend auf. Das Wegdrücken des Ärgers hatte gerade nicht bewirkt, dass er auch tatsächlich abgeklungen wäre, ganz im Gegenteil. Wer hingegen seinen Ärger zeigen durfte, der hatte später ein geringeres Bedürfnis, seinen vermeintlichen Gegenspieler zu nerven.

Eindrucksvoll ließ sich dieser Zusammenhang auch bei Angststörungen nachweisen: Wenn Menschen mit starken Ängsten im Experiment den Auftrag erhielten, aufkommende Angstgefühle zu unterdrücken, hatten sie hinterher nicht weniger, sondern mehr Ängste als Probanden, die einfach den Auftrag erhalten hatten, ihre Angstgefühle zu beobachten. Ebenso ist mehrfach belegt, dass das Wegdrücken von Gefühlen den Blutdruck erhöht und die Gedächtnisleistungen einschränken kann. Lange kannte man solche Zusammenhänge nur von unseren Gedanken: Wer sich anstrengt, auf keinen Fall an einen weißen Bären zu denken, wird von diesem Tier gedanklich förmlich verfolgt. Mittlerweile wurde nachgewiesen, dass dieser white bear effect auch für unsere Gefühle gilt.

Wissenschaftler aus der Schweiz fanden heraus, dass nicht nur das Wegdrücken, sondern auch das Nichtbeachten von Gefühlen dieselbe Wirkung hat. 30 Freiwillige sollten sich entweder ihre Gefühle vergegenwärtigen („Wie fühle ich mich?“) oder über sich nachdenken („Wer bin ich?“). Während der Aufgabe wurde die Hirnaktivität der Versuchspersonen mittels funktioneller Magnetresonanztomografie erfasst. Das erstaunliche Ergebnis: Nicht bei der Wie-fühle-ich-mich-Gruppe, sondern bei den Wer-bin-ich-Probanden wurde die Amygdala stark aktiviert, also jener Hirnkern, der bei Gefühlen eine Schlüsselrolle spielt. Wie ist dieses paradox erscheinende Ergebnis zu erklären? Möglicherweise so: Sobald bei uns Gefühle aktiviert, aber nicht wahrgenommen werden (schließlich sollte die eine Gruppe ja über sich nachdenken und war somit anderweitig beschäftigt), bleiben die Gefühlsbereiche des Gehirns dauerhaft aktiv. Wenn wir jedoch die Gefühle bewusst erleben, haben diese ihre Aufgabe erfüllt und können wieder herunterreguliert werden.

Wenn ich mich aufrege und darauf achte, wie sich das anfühlt, rege ich mich auch schon wieder ab. Forscher vergleichen unsere Gefühle mit einem Wecker, der aufhört zu klingeln, sobald man ihn wahrgenommen hat und ihn abstellt. Genauso ist es mit unseren Gefühlen, die sich erst dann wieder beruhigen können, wenn sie registriert wurden. Wenn ich aber den Wecker ignoriere, dann klingelt er unentwegt, und er wird für mich immer lauter und unerträglicher. Genauso kann es mit den Gefühlen geschehen, die sich verstärken, wenn wir ihnen keine Aufmerksamkeit schenken.

Das Ergebnis dieser Studie ist insofern nicht überraschend, als unsere Gefühle unter anderem eine Signalfunktion haben: Sie machen uns auf Risiken und Gefahren aufmerksam. Erst wenn das Gefühl wahrgenommen und die Gefahr erkannt wurde, haben sie ihren Job erledigt. „Man muss zuerst bei seinen Gefühlen ankommen, bevor man sie verändern kann“, sagt der Marburger Psychologieprofessor und Emotionsforscher Matthias Berking. „Wenn wir ein Gefühl zulassen, es akzeptieren, es uns erlauben und dem Gefühl erst einmal Raum geben, dann hat das Gehirn die Chance, die Information, die in dem Gefühl liegt, zu integrieren, und dann hat dieses Gefühl seine Signalfunktion erfüllt und kann gehemmt werden.“ Es ist also sinnvoll, alle Gefühle zunächst einmal bewusst wahrzunehmen – und zwar besonders dann, wenn man sich wünscht, das betreffende Gefühl möge sich in Zukunft rarmachen.

Daher setzen die emotionsfokussierten Therapieansätze allesamt zunächst auf die Wahrnehmung der Gefühle. Der Slogan lautet: Gefühlsexposition statt Emotionssuppression. Gefördert werden soll die sogenannte Affekttoleranz oder Erlebnisbereitschaft, also die Fähigkeit, sich auch gegenüber unangenehmen Empfindungen nicht zu verschließen. Dieser Ansatz hat weitreichende Konsequenzen für die Psychotherapie. So waren Therapeuten früher überwiegend der Ansicht, der Klient solle am Ende der Therapiestunde mit einem „guten Gefühl“ rausgehen. Doch das erscheint heute gar nicht mehr sinnvoll, wie Claas-Hinrich Lammers, ein Vertreter emotionsbezogener Ansätze vom Klinikum Nord in Hamburg, erläutert: „Solange der Patient ausreichend stabil ist, ist ein über die Therapiestunde hinausgehendes Erleben der problematischen Emotionen anzustreben!“ Unangenehme Gefühle sollen also nicht am Ende der Stunde weggedrückt werden, sondern der Klient soll lernen, dass er sie aushalten kann, und zwar nicht nur in der Therapiestunde mit Unterstützung des Therapeuten, sondern auch danach für sich allein.

Doch nicht immer sollte in der Therapie das Stimulieren von Gefühlen im Vordergrund stehen. Bei instabilen Patienten, so Lammers, gehe es weniger darum, Gefühle zu fördern, sondern diese zu regulieren. Typisches Beispiel: die Borderlinestörung. Menschen mit dieser Erkrankung erleben besonders schnell heftige Gefühlswallungen, die zudem länger anhalten als bei Gesunden. Die Probleme sind programmiert: Das eine Gefühl ist noch nicht abgeklungen, schon betritt das nächste die Bühne. Unangenehme Gefühle bauen sich über den Tag hinweg dermaßen auf, dass sich nicht mehr gut mit ihnen umgehen lässt. Selbstverletzungen oder gar Suizidversuche sind die Folge. Die Betroffenen müssen zunächst lernen, dass sie ihren Gefühlen nicht hilflos ausgeliefert sind.

Die Bereitschaft, sich allen Empfindungen zuzuwenden, braucht ein entschlossenes Training. Dabei geht es auch darum, jene Strategien zu erkennen, mit denen wir unangenehmen Empfindungen ausweichen: etwa durch nächtelangen Fernsehkonsum oder nicht endendes Computerspielen. Solche Strategien dürften den meisten Menschen vertraut sein. Doch viele andere sind selbst den Psychotherapeuten erst durch die neuen emotionsfokussierten Ansätze so richtig klargeworden. So werden Gefühle oft durch andere Gefühle verborgen. In der Fachsprache ist von primären und sekundären Gefühlen die Rede. Primäre Gefühle sind die unmittelbare und spontane emotionale Reaktion auf ein Ereignis, sekundäre entstehen durch Wegdrücken oder Bewerten des eigentlichen Gefühls. So ist Wut in vielen Fällen ein sekundäres Gefühl, hinter dem sich Empfindungen wie Traurigkeit, Ohnmacht oder Angst verbergen können. Diese sollen aber von außen nicht bemerkt werden – und man selbst möchte sie am liebsten auch nicht spüren.

Lange Zeit war in manchen Therapierichtungen die Haltung sehr verbreitet, alle Gefühle auszudrücken („Wut tut gut!“). Doch dies kann ein Irrweg sein: Erst wenn das eigentliche Gefühl gefühlt wird, ergibt der Ausdruck Sinn. Sogar angenehme primäre Gefühle können verborgen werden. Ein typisches Beispiel: Jemand wird von einer anderen Person für sein Verhalten gelobt. Die primären Emotionen des Gelobten sind Stolz und Freude. Doch als sekundäre Emotion entsteht Scham über das Kompliment. Überraschend wenige Menschen können ein Lob annehmen und problemlos sagen: „Danke für das Kompliment, das freut mich sehr!“

Matthias Berking hat ein Modell zum konstruktiven Umgang mit Gefühlen erarbeitet, das in dem von ihm entwickelten Training emotionaler Kompetenzen vermittelt wird. Neben dem bewussten Wahrnehmen eines Gefühls ist das Benennen wichtig („Diese Unruhe im Bauch ist Angst“) sowie das Analysieren der Ursachen („Ich habe Angst, einen Fehler gemacht zu haben“). Zentral sei dann die „emotionale Selbstunterstützung“. Dazu gehört einerseits die Fähigkeit, die eigenen Gefühle zu regulieren, sie also durch gezielte Verhaltensweisen zum Abklingen zu bringen. Wer etwa traurig ist, könnte mit jemandem über sein Gefühl sprechen, er könnte in einem Tagebucheintrag über sein Gefühl schreiben oder einen längeren Spaziergang machen. Die zweite zentrale Fähigkeit sieht Berking in der oben beschriebenen Akzeptanz. Sie verschaffe Freiheit gegenüber den eigenen Gefühlen: „Je besser die Akzeptanz- und Toleranzkompetenzen sind, desto weniger ist man darauf angewiesen, mit langfristig schädlichen Mitteln negative Gefühle zu vermeiden.“

Wenn beides vorhanden ist, Regulationsfähigkeit und Akzeptanz, dann entwickelt sich eine Konfrontationsbereitschaft. Wir gehen dann nicht mehr den Situationen aus dem Weg, die ein unangenehmes Gefühl bewirken könnten, sondern wir stellen uns der Situation. Die Akzeptanz- und Toleranzkompetenzen lassen sich auf verschiedene Weise fördern. Wenn Menschen beispielsweise mehr über ihre Gefühle wissen, verlieren sie die Angst vor ihnen. Daher ist es wichtig, Fehlannahmen über Gefühle zu durchschauen (siehe Seite 78). Die Toleranzkompetenzen nehmen zu, wenn Menschen ihre Gefühle auch gut regulieren können. Wer von sich weiß: „Im Notfall kann ich etwas tun, damit das Gefühl nicht immer schlimmer wird“, hat es leichter als jemand, der sich seinem Gefühl vollkommen ausgeliefert fühlt.

Ganz zentral scheint die Erfahrung zu sein, dass sich unangenehme Gefühle aushalten lassen und von allein wieder abklingen. So ist etwa Menschen mit starken Ängsten vor allem damit geholfen, dass sie die Welle der Angst fühlen lernen. Menschen, die dachten: „Ich halte das nicht länger aus, ich dreh gleich durch“, machen die Erfahrung, dass die Angst einfach wieder verschwindet, wenn sie nicht vor ihr davonlaufen. So wird Betroffenen nicht beigebracht, wie sie ihre Angst loswerden, sondern wie sie sich ihr stellen. Daher lautet die Quintessenz der emotionsbezogenen Therapieansätze denn auch: „Nicht frei von Gefühlen, sondern frei mit Gefühlen.“




Typische Emotionsmythen

„Emotionen sind eigentlich überflüssig“

Gegenargument:Ohne Emotionen können wir nicht überleben.

„Entweder hat man sehr starke Emotionen oder gar keine“

Gegenargument:Die meisten Emotionen sind von mittlerer oder geringer Intensität; man kann lernen, diese Emotionen wahrzunehmen.

„Störende Emotionen sollte man vermeiden oder unterdrücken“

Gegenargument:Vermeidungsstrategien bewirken genau das Gegenteil: eine anhaltende Aktivierung der Emotion. Gerade dadurch kommen positive Emotionen nicht zum Zuge.

„Man sollte Emotionen besser nicht zeigen“

Gegenargument:Emotionen sind ein wichtiges Kommunikationsmittel, wenn sie angemessen in Ausdruck und Verhalten sichtbar werden.

Das andere Extrem: „Was man fühlt, ist immer angemessen“

Gegenargument:Es gibt Emotionen, die in der Vergangenheit einmal ihre Berechtigung hatten, in der Gegenwart aber ins Leere laufen und daher hinderlich sind. Beispiel: Neid, in der Kindheit gegenüber den Geschwistern zu kurz gekommen zu sein.

„Intensive Emotionen halten unverändert an, wenn sie einmal aktiviert wurden“

Gegenargument:Auch starke Emotionen sind von kurzer Dauer.

„Man muss unangenehme Emotionen immer bekämpfen“

Gegenargument:Häufig schafft das Bekämpfen von unangenehmen Emotionen neue, größere Probleme.

„Ärger und Wut muss man rauslassen und ausleben, dann wird man diese Emotionen los“

Gegenargument:Diese Auffassung ist nachweislich falsch, da hierdurch diese Emotionen eher zunehmen.

Quelle: Claas-Hinrich Lammers: Emotionsbezogene Psychotherapie. Schattauer, Stuttgart 2011

Bewusst den eigenen Ärger fühlen

Am Beispiel des Ärgers lässt sich gut zeigen, wie bewusstes Fühlen genau ablaufen kann. Wir nehmen wahr, wie sich Ärger langsam aufbaut oder plötzlich in uns entfacht wird. Meistens spielen Gedanken eine große Rolle, wenn Ärger entsteht. Wir meinen vielleicht, jemand habe uns schlecht behandelt oder sich uns gegenüber unverschämt verhalten. Wir denken darüber nach, wie wir unseren Ärger ausdrücken könnten, wünschen dieser Person Schlechtes oder überlegen sogar, wie wir ihr schaden könnten. Wir schwelgen in Rachefantasien.

Die große Herausforderung besteht nun darin, die Gedanken als Gedanken hinzunehmen und sie nicht für Tatsachen zu halten. Ärger ist mit vielen Körperempfindungen verbunden, wir nehmen vielleicht Kraft und Lebendigkeit wahr, aber auch Anspannung, Druck oder Unruhe. Und auch diese Empfindungen werden nur beobachtet, sie dürfen existieren, wir schenken ihnen aber nicht allzu viel Aufmerksamkeit. Der rote Faden, an dem wir uns immer orientieren, ist das Gefühl selbst. Irgendwann hat die Ärgerwelle ihren Höhepunkt überschritten und ebbt langsam ab. Den Übergang können wir achtsam begleiten und dadurch besonders deutlich spüren, dass Ärger tatsächlich in einer Welle verläuft.

Wenn der Ärger dann weiter abklingt, können wir uns selbst wohlwollend begegnen und erforschen, welche Empfindungen hinter dem Ärger verborgen liegen. Meistens sind es Kränkung und Angst, Hoffnungslosigkeit, Scham oder Schuld.

Ärger ist für das bewusste Fühlen eine ganz besondere Herausforderung, da es sich um ein aktives Gefühl handelt, das nach einer Handlung verlangt. Wenn man wirklich verärgert ist, möchte man den anderen anschreien oder ihn gar beleidigen. Das nicht zu tun und stattdessen still bei dem Gefühl zu bleiben, gehört mit zum Schwierigsten, was die Achtsamkeitspraxis zu bieten hat.

Vielleicht erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie richtig verärgert waren? Liegt sie schon etwas länger zurück oder passierte sie womöglich gerade gestern? Rufen Sie sich ins Bewusstsein, wie Sie in dieser Situation mit Ihrem Ärger umgegangen sind und welche Folgen das hatte. Nun stellen Sie sich die Frage, was sich in dieser Situation verändert hätte, wenn Sie auf die oben beschriebene Weise mit Ihrem Ärger umgegangen wären.

Quelle: Andreas Knuf: Ruhe, ihr Quälgeister. Wie wir den Kampf gegen unsere Gefühle beenden können. Arkana, München 2013

Andreas Knuf ist Diplompsychologe und Psychotherapeut mit eigener Praxis in Konstanz am Bodensee. Nach seinem Bestseller Ruhe da oben! erschien im Herbst 2013 im Münchner Arkana-Verlag sein jüngstes Buch Ruhe, ihr Quälgeister. Wie wir den Kampf gegen unsere Gefühle beenden können.

Literatur

  • Leslie Greenberg: Emotionsfokussierte Therapie. Ernst Reinhard, München 2011

  • Claas-Hinrich Lammers: Emotionsbezogene Psychotherapie. Schattauer, Stuttgart 2011

  • Matthias Berking: Training emotionaler Kompetenzen. Springer, Heidelberg 2010

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 12/2014: Das reicht mir!