Was Tiere in unseren Träumen bedeuten

Sind sie ein tierisches Abbild unserer Persönlichkeit oder verschecken sie ein sexuelles Motiv? Was Hunde, Katzen und Co. in unseren Träumen bedeuten

Ein großer brauner Hund liegt schlafend auf dem Sofa, den Kopf auf einem gestreiften Kissen und träumt
Pflegen, Streicheln, Füttern – und Angriff: Tiere sind ein gängiges Motiv im menschlichen Traum. © bigtunaonline/Getty Images

Tiere als Inhalte von Träumen bieten in der Psychologie seit jeher einen Anlass zu mannigfaltigen Spekulationen. So glaubte Carl Gustav Jung, dass sie die jeweiligen Charaktermerkmale der träumenden Person abbilden. Sigmund Freud vermutete hinter ihnen sexuelle Motive. Andere Theorien postulieren, dass Tierfiguren in Träumen auf beängstigende oder gar unerträgliche Im­pulse hinweisen.

Michael Schredl, Psychologe und Leiter des Schlaflabors am Mannheimer Zentral­institut für Seelische Gesundheit, hat sich…

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l, Psychologe und Leiter des Schlaflabors am Mannheimer Zentral­institut für Seelische Gesundheit, hat sich wissenschaftlich ausgiebig mit dem Thema beschäftigt – und seine Analyse fällt deutlich nüchterner aus: „Unsere Studienergebnisse unterstützen eindeutig die Kontinuitätshypothese des Träumens.“ Diese Hypothese besagt, dass etwas mit umso größerer Wahrscheinlichkeit in unser Traumleben tritt, je öfter es uns auch im Alltag begeg­net ist. Wenn also jemand mit einem Tier zusammenlebt oder zusammengelebt hat, wird er auch mit größerer Wahrscheinlichkeit davon träumen.

Aber auch die bloße Beschäftigung mit Tieren reicht schon aus, dass sie öfter in Träumen auftauchen. Wer für Fledermäuse oder Löwen schwärmt, wird öfter von ihnen träumen, obwohl er ihnen im Alltag eher selten begegnet. Was aber auch impliziert, dass Ängste vor bestimmten Tieren deren Auftreten im Traum begünstigen. Wer unter einer Phobie gegenüber Spinnen oder Schlangen leidet, nimmt diese auch oft mit in den Schlaf. „Wer von einem Hund bedroht wurde, kann noch viele Jahre später negative Hundeträume haben“, so Schredl.

Hunde, Katzen und prähistorische Kreaturen

Der Mannheimer Schlafforscher hat mit seinem englischen Kollegen Mark Blagrove über 2700 Traumberichte von englischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ausgewertet, und in rund 18 Prozent von ihnen kamen ein oder mehrere Tiere vor. Besonders oft träumten Kinder von Tieren. Insgesamt tauchten 98 Tierarten in den Träumen auf, mit Hund, Katze und Pferd auf den Spitzenplätzen. Hunde und Pferde fanden sich häufiger in den Träumen von Frauen, während sich prähistorische und erfundene Kreaturen nur in Männerträumen einfanden.

Beim überwiegenden Anteil der Tierträume ging es um Pflege und Fütterung, und das war – ganz gängigen Geschlechterrollen entsprechend – insbesondere bei Frauen der Fall. In über 35 Prozent waren die Träume negativ geprägt: Manche wurden von einem Tier angegriffen, andere – vor allem Männer – empfanden den Hund oder die Katze bloß als nervtötend.

In rund 30 Prozent der Träume waren die Tiere bizarr verfremdet, manchmal konnten sie sogar sprechen. Was laut Schredl bestätigt, dass unsere nächtliche Erlebniswelt dann doch mehr ist als ein bloßes Abbild der Realität. Solche Träume könnten auf metaphorische Weise widerspiegeln, was den Menschen, der da träumt, emotional bewegt.

Haben Sie sich schon einmal gefragt, was in Ihrem Haustier vorgeht, wenn es schläft? Dann lesen Sie auch gerne den Artikel Wenn Tiere träumen aus derselben Ausgabe.

Quellen

Isabelle Arnulf u.a.: Michel Jouvet: an explorer of dreams and a great storyteller. Sleep Medicine, 49, 2018, 4–9

Mehdi Behroozi u.a.: Event-related functional MRI of awake behaving pigeons at 7T. Nature Communications, 11, 2020

Paul R. Manger, Jerome M. Siegel: Do all mammals dream? Journal of Comparative Neurology, 528/17, 3198–3204

H Freyja Ólafsdóttir u.a.: Hippocampal place cells construct reward related sequences through unexplored space. eLife 4: e06063, 2015

David Peña-Guzmán: When Animals Dream. The Hidden World of Animal Consciousness. Princeton University Press, 2022

Aditi Pophale u.a.: Wake-like skin patterning and neural activity during octopus sleep. Nature, 619, 2023, 129-134

Daniela Rößler u.a.: Regularly occurring bouts of retinal movements suggest an REM sleep-like state in jumping spiders. Proc Natl Acad Sci U S A., 119/33, 2022

Michael Schredl: Animal dreams in a long dream series. Intern J Dream Research, 6/1, 2013

Michael Schredl u.a.: Animals in Dreams of Children, Adolescents, and Adults: The UK Library Study. Cognition and Personality, 41/1, 2021, 87–104

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 6/2024: Im Erzählen finde ich mich selbst