„Oh, Shit. Da haben sich mal wieder zwei gefunden. Für immer? Für lange? Passen sie denn überhaupt zusammen? Egal. In diesem Moment ist den beiden das alles total egal. So etwas müssen sie nicht denken. Nicht jetzt. Auch die beknackten Tröten – völlig ausgeblendet, völlig egal.
Ich gucke hin und gucke weg und gucke wieder hin. Solche Momente kommen ja doch immer seltener vor, je weiter das Leben fortschreitet. Also ganz am Anfang sind sie ebenfalls selten – oder anders. Ja, eigentlich nur anders, Kinder haben ja auch nur eine kleine Schwelle zu überwinden, um in ihre eigene Fantasiewelt zu gelangen, abgeschottet von der Vernunftwelt. Trotzdem komisch, so in der Öffentlichkeit zu knutschen, denke ich mir. Was wäre denn, wenn ich jetzt auch so dastünde? Vielleicht mit dem da drüben. Nein, der ist zu alt. Oder mit dem mit der Funktionsjacke. Ob er auch wieder rausfährt aufs Land? Oder das ältere Paar da drüben, warum knutschen die nicht so?
Die beiden auf dem Bild sind ganz einfach recht angetrunken, sage ich mir. Sie waren irgendwo, wo sie auch diese albernen Tröten oder Hüte mitbekommen haben. Da brauche ich gar nicht so hingucken.“
Was könnte Ihre Bildbeschreibung mit Ihnen persönlich zu tun haben?
„Es könnte sein, dass ich gerade 40 geworden bin und eigentlich selbst große Lust hätte, in der Öffentlichkeit zu knutschen und mich danebenzubenehmen. Oder zumindest irgendwie abzuhauen in meine Traumwelt, aber dafür ist einfach zu viel zu tun. Seit der Pandemie ist das offene Knutschen ja sowieso seltener geworden. Ob es je wieder zurückkommt?“
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Lola Randl geboren 1980, ist Regisseurin und Schriftstellerin. Sie lebt in der Uckermark und hat im vergangenen Herbst ihren zweiten Roman Die Krone der Schöpfung veröffentlicht