Sie haben die Beziehungszufriedenheit in längeren und in neuen Partnerschaften nach Trennungen untersucht. Was haben Sie herausgefunden?
Nun, wir haben Daten von insgesamt 2284 Teilnehmenden der Longitudinal Study of Generations analysiert. Die Personen wurden über Jahre hinweg regelmäßig zu ihrem Beziehungsstatus und ihrer Zufriedenheit befragt. Es zeigte sich: In den allermeisten Beziehungen sind Menschen am Anfang sehr zufrieden, aber das geht nach und nach etwas zurück. In einer anderen Studie konnten wir beispielsweise zeigen, dass Personen nach zehn Beziehungsjahren am Tiefpunkt ihrer Beziehungszufriedenheit sind, nämlich bei etwa 77 Prozent der maximal möglichen Zufriedenheit. Anschließend steigt sie wieder. Beziehungszufriedenheit ist aber immer subjektiv definiert. Es gibt dafür keinen objektiven Standard.
Sie haben festgestellt: Wenn Beziehungspartnerinnen und -partner unter 65 Prozent ihrer maximal möglichen Zufriedenheit liegen, kommt es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Trennung.
Ja, während ein Tiefpunkt von 77 Prozent normativ ist, scheint bei 65 Prozent ein kritischer Schwellenwert zu liegen. Ob eine Beziehung zehn oder zwanzig Jahre bestand, ist nicht entscheidend. Wer schon nach zehn Jahren bei 65 Prozent angelangt ist, hat nur eine größere „Fallhöhe“, die Zufriedenheit ist schneller und steiler gefallen. Durchgängig zeigte sich: In einer neuen Beziehung sind Menschen zu Beginn viel zufriedener als in der Schlussphase der vorangegangenen Partnerschaft. Doch über die Jahre verlaufen auch die neuen Beziehungen nicht grundsätzlich besser.
Gab es weitere Besonderheiten?
Personen mit Kindern waren im Durchschnitt signifikant unzufriedener als die ohne Nachwuchs. Dies war noch ausgeprägter in den Partnerschaften, die schließlich aufgelöst wurden. Außerdem war die Zufriedenheit bei Beginn von neuen Beziehungen etwas geringer, wenn sie sehr bald nach einer Trennung angefangen hatten.
Gibt es Menschen, die schon von ihrer Persönlichkeit her in einer Partnerschaft schlechter aufgestellt sind?
Ja, Menschen mit ausgeprägter emotionaler Instabilität, also hohem Neurotizismus, neigen zu negativen Gedanken und zum Grübeln – mit der Folge, dass auch das Verhalten ihrer Partnerinnen und Partner oft negativer interpretiert wird.
Ein zweiter Persönlichkeitsfaktor ist das Selbstwertgefühl. Ein niedriges Selbstwertgefühl eines Partners kann eine Beziehung belasten. Wenn eine von beiden sagt: „Du bist mir wichtig“, wird die weniger selbstbewusste Person es nicht glauben. Diese Menschen müssen mehr arbeiten, um sich in einer Beziehung wohlzufühlen.
Weiterhin spielt natürlich ein unsicherer Bindungsstil eine Rolle. Auch der ist nicht in Stein gemeißelt. Und eine ungünstige Beziehung kann auch bei eigentlich sicherem Bindungsstil dazu führen, dass Menschen im Lauf der Zeit unsicherer werden. Unsicherheit kann evoziert werden – etwa durch unzuverlässiges Verhalten, das dann auf die Persönlichkeit der oder des anderen zurückwirkt.
Janina Larissa Bühler ist Juniorprofessorin für Psychologie an der Universität Mainz und arbeitet als Paartherapeutin. Sie leitet die Emmy-Noether-Forschungsgruppe zu Persönlichkeits-Beziehungs-Transaktionen an der Universität Mainz und ist Autorin des Sachbuchs Mehr Ich. Mehr Du. Mehr Wir, erschienen bei Beltz.
Quelle
Janina Larissa Bühler, Ulrich Orth: How relationship satisfaction changes within and across romantic relationships: Evidence from a large longitudinal study. Journal of Personality and Social Psychology, 2024. DOI: 10.1037/pspp0000492