Persönlichkeitstypen

Welcher Persönlichkeitstyp bin ich? Der Myers-Briggs-Test bietet eine Antwort, ist aber unwissenschaftlich. Es gibt ein System, das sich besser eignet.

Die Illustration zeigt bunte Silhouetten, in deren Köpfen Blumen, Zahlen, Diagramme oder Puzzleteile zu sehen sind.
Einige Menschen sind sehr kreativ, andere eher analytisch. Manche Menschen sind chaotisch, während andere strukturiert sind. Lassen sich solche unterschiedlichen Charaktere unter Persönlichkeitstypen zusammenfassen? © Chris Madden | Getty Images

Bedeutung von Persönlichkeitstypen – was sagen sie aus?

Menschen sind verschieden. Während der eine ruhig und reserviert auftritt, ist der andere durchsetzungsstark und gesellig, ein dritter vielleicht erfinderisch und weltoffen. All das, was uns ausmacht, nennen Psychologinnen und Psychologen Persönlichkeit. Genauer gesagt befasst sich die Persönlichkeitspsychologie mit den ganz normalen Unterschieden zwischen Menschen innerhalb einer Kultur.

Erleben und Verhalten, das kulturell bedingt oder Ausdruck einer psychischen Erkrankung ist, zählen nicht zu ihrem Gegenstandsbereich. In der Wissenschaft versucht man, die Persönlichkeit eines Menschen möglichst genau zu erfassen, um daraus zum Beispiel Vorhersagen darüber zu treffen, wie sich die Person in bestimmten Situationen verhalten könnte, welche Vorlieben sie hegt oder ob sie anfällig für eine bestimmte psychische Erkrankung ist.

Als man begann, charakterliche Unterschiede zu beschreiben, teilte man die Menschen in Typen ein. Bereits im zweiten Jahrhundert nach Christus ordnete der griechische Arzt Galenos von Pergamon die Menschen vier Temperamenten zu, deren Ursprung er im jeweils vorherrschenden „Leibessaft“ sah.

  1. Der Sanguiniker, bei dem das Blut dominiere, galt als heißblütig und heiter.

  2. Die Phlegmatikerin, geprägt vom Schleim, sei ruhig und schwerfällig.

  3. Der Choleriker, bei ihm spiele die gelbe Galle eine besondere Rolle, galt als aufbrausend.

  4. Der Melancholiker, bei dem die schwarze Galle vorherrsche, sei schwermütig.

Anfang des 20. Jahrhunderts brachte der deutsche Psychiater Ernst Kretschmer eine weitere Typenlehre ins Spiel, die Körper und Charakter miteinander in Verbindung brachte. Kretschmer unterschied den

  • leptosomen Typ (mager und empfindsam),

  • den athletischen Typ (muskulös und heiter) und

  • den pyknischen Typ (rundlich und gesellig).

Etwa zur gleichen Zeit entwarf der deutsche Philosoph Eduard Spranger eine Typologie, die nicht im Körperlichen, sondern in der geistigen Welt ansetzte. Nach den Kulturbereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst, Politik, Gemeinschaftsleben und Religion ordnete er Menschen dem ökonomischen, theoretischen, ästhetischen, politischen, sozialen oder religiösen Typus zu.

Diese Typenlehren sind heute nur noch aus wissenschaftshistorischer Sicht interessant – als geeignete Methode, menschliche Wesensunterschiede zu beschreiben, haben sie sich nicht erwiesen. Dass die Erforschung der Persönlichkeit so begann, ist allerdings kein Zufall: „Menschen denken in Typen“, sagt Marcus Roth. „Persönlichkeitstypologien kommen daher der Alltagsvorstellung entgegen. Sie sind zudem überschaubar und rücken statt einer bestimmten Eigenschaft die Person in den Mittelpunkt, was gerade für die praktische Anwendung oder für Interessierte, die etwas über sich erfahren wollen, reizvoll ist.“ Roth ist an der Universität Duisburg-Essen Professor für differentielle Psychologie, die Disziplin, die sich mit Unterschieden zwischen Menschen befasst.

Warum Persönlichkeitstypen unserem Charakter nicht gerecht werden

Doch während wir dazu tendieren, Dinge gedanklich in Schubladen zu sortieren , ist die Wirklichkeit komplexer. Das Schubladendenken wird dem Spektrum menschlicher Charakterzüge nicht gerecht, wie die Persönlichkeitsforschung zeigt.

„Persönlichkeitstypen sind empirisch nicht haltbar. Wenn wir große Gruppen von Menschen untersuchen, lassen diese sich nicht einfach wenigen Kategorien zuordnen“, erklärt Marcus Roth. Das sagt auch Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück, der sich mit dem Einsatz von Persönlichkeitstests in Bewerbungsverfahren beschäftigt: „Das zentrale Problem besteht darin, dass Persönlichkeitstypen die tatsächliche Vielfalt der menschlichen Persönlichkeit auf das Gröbste vereinfachen. Millionen von Menschen werden einem gemeinsamen Typus zugeordnet, obwohl sie sich de facto sehr stark voneinander unterscheiden. Das eigentlich sehr differenzierte Persönlichkeitsprofil jedes Einzelnen bleibt dabei auf der Strecke.“ Gleichzeitig entstehe der Eindruck, Menschen aus verschiedenen Gruppen würden sich sehr deutlich voneinander unterscheiden. „Wie bei einem Stereotyp – alle Frauen sind so und alle Männer ganz anders.“

Tatsächlich unterscheiden sich Menschen des gleichen Persönlichkeitstyps oft sogar stärker voneinander als Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Typen: Die behaupteten Kategorien halten einer empirischen Überprüfung nicht stand und bilden bei näherer Betrachtung gar keine sinnvolle Ordnung. Noch dazu basieren viele auch heute noch beliebte Typentests auf unhaltbaren Theorien – oder sind sogar frei erfunden.

Persönlichkeitstypen Definition

Der Begriff Persönlichkeit beschreibt die charakterlichen Eigenarten eines Menschen – also wie er die Welt wahrnimmt und sich darin verhält. Von Persönlichkeitstypologie ist dann die Rede, wenn Menschen in Gruppen eingeteilt werden, deren Mitglieder sich untereinander in ihrem Wesen ähneln und von den anderen unterscheiden. Eine Einteilung der Menschen in Persönlichkeitstypen hat sich jedoch nicht als sinnvoll erwiesen. Besser als mit Persönlichkeitstypen lassen sich Menschen durch individuelle Persönlichkeitsprofile charakterisieren.

Big Five Persönlichkeitstypen

Die sogenannten Big Five bilden das wissenschaftlich am besten belegte Persönlichkeitsmodell. Es beschreibt dabei fünf Kernmerkmale des menschlichen Charakters:

  1. Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen

  2. Gewissenhaftigkeit

  3. Extraversion (versus Introversion)

  4. Verträglichkeit

  5. Neurotizismus (versus emotionale Stabilität)

Diese fünf übergeordneten Merkmale setzen sich jeweils wiederum aus sechs spezifischeren Merkmalen zusammen. So gilt zum Beispiel als extravertiert, wer herzlich, gesellig, durchsetzungsfähig, aktiv, abenteuerlustig und fröhlich ist.

Anders als bei vielen Typenlehren werden bei einem Big Five-Merkmal nicht nur zwei Ausprägungen angenommen („verträglich“ oder „unverträglich“). Stattdessen geht man von einem kontinuierlichen Spektrum aus. Das heißt, jedes der fünf Big Five-Merkmale kann bei einem Menschen von gering über mittelmäßig bis stark ausgeprägt sein – theoretisch gibt es unendlich viele Abstufungen dazwischen. In einem verbreiteten Fragebogen zur Messung der Big Five, dem NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI), hat man bei Aussagen wie „Ich halte meine Sachen ordentlich und sauber“ immer die Wahl zwischen fünf Antwortoptionen – von starker Zustimmung bis starker Ablehnung.

Aus der Kombination der aus den Antworten ermittelten Ausprägungen der fünf übergeordneten Merkmale ergibt sich ein individuelles Persönlichkeitsprofil. Persönlichkeitsprofile zeichnen im Gegensatz zu groben Persönlichkeitstypen ein facettenreiches Bild eines Menschen. Die gängige Version des Neo-FFI hat 60 Fragen, die man auf einer Skala mit fünf Abstufungen beantwortet.

Um die Anzahl der einzigartigen Kombinationen zu ermitteln, die damit möglich sind, muss man 5 hoch 60 rechnen. Das Ergebnis lautet 867 361 738 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 – das sind mehr als 867 Sextilliarden. Gängige Big Five-Tests sind also in der Lage, so feine Unterschiede zu messen, dass theoretisch jeder Mensch auf der Erde ein individuelles Profil erhalten könnte, das mit keinem anderen identisch ist. Weil sie jeweils die genaue Ausprägung auf gleich mehreren Persönlichkeitsmerkmalen angeben, lassen sich Persönlichkeitsprofile zudem gut miteinander vergleichen.

Die Big Five beruhen auf der Arbeit der US-amerikanischen Psychologen Gordon Allport und Henry Odbert. Die beiden wollten in den 1930er Jahren die entscheidenden Facetten der menschlichen Persönlichkeit ermitteln. Dafür warfen sie einen Blick in die Sprache. Sie gingen davon aus, dass sich real existierende Wesensmerkmale in den Wörtern, mit denen wir uns selbst und andere beschreiben, niederschlagen müssten.

Im ersten Schritt durchkämmten die Forscher deshalb Webster's New International Dictionary, ein umfassendes Wörterbuch der englischen Sprache, nach entsprechenden Adjektiven, Partizipien und Nomen. Heraus kam eine Liste von 17953 Worten, die sie im nächsten Schritt um jene reduzierten, die sich eher auf das Aussehen oder den aktuellen Gemütszustand einer Person bezogen, etwa „mager“ oder „begeistert“. Ebenfalls aussortiert wurden veraltete Begriffe und solche, die hauptsächlich eine Wertung enthielten, etwa „exzellent“.

Übrig blieben 4.505 Wörter, die überdauernde Eigenschaften des Charakters beschrieben, von „arrogant“ bis „zaghaft“. Diese und ähnlich entstandene Wortlisten wurden in den darauffolgenden Jahren immer weiter sortiert und verdichtet. Mit einer statistischen Methode namens Faktorenanalyse bestimmten Forschende aus den Wortsammlungen eine überschaubare Anzahl von Persönlichkeitsmerkmalen, die hinter diesen mehreren tausend Wörtern lagen. Sie ermittelten, welche Eigenschaftswörter auf Personen einer Stichprobe zutrafen. Traten bestimmte Merkmale sehr oft gemeinsam auf, wurden sie zu einem übergeordneten Persönlichkeitsmerkmal zusammengefasst – etwa „zuverlässig“, „gründlich“ und „ordentlich“ zum Merkmal Gewissenhaftigkeit. So entstand am Ende ein Destillat aus fünf essenziellen Persönlichkeitsmerkmalen: die Big Five.

Die gleichen fünf Grunddimensionen fanden sich in verschiedenen Sprachen, nicht nur im Englischen. Deutsche Forschende etwa kamen bei einer Analyse anhand des Wörterbuchs „Wahrig“ zu einem ganz ähnlichen Ergebnis. Das spricht dafür, dass es sich bei den Big Five kulturübergreifend um wichtige Dimensionen des Charakters handelt, die gut geeignet sind, einen Menschen zu beschreiben.

Weil die Idee, die Vielzahl menschlicher Charaktere zu Gruppen zusammenzufassen, so reizvoll ist, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um die Jahrtausendwende versucht, Big Five-Profile in Typen zu fassen. Sie prüften also, ob sich bestimmte Persönlichkeitsprofile in der Bevölkerung häufiger finden als andere, zum Beispiel eine spezifische Kombination aus Extraversion und Offenheit für Erfahrungen. „Das ist zwar gelungen, bei dieser groben Einteilung ging aber so viel individuelle Information verloren, dass man mit den ermittelten Typen praktisch nichts anfangen konnte“, erklärt Marcus Roth, der selbst dazu geforscht hat. „Die Vielfalt der Persönlichkeit lässt sich offenbar nicht auf eine einfache Formel herunterbrechen.“

1. Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen

Zur Offenheit für neue Erfahrungen gehören Abenteuerlust, Emotionalität, Fantasie, Freiheitsliebe sowie Aufgeschlossenheit gegenüber Ideen und Kunst. Wer offen für neue Erfahrungen ist, bereist gerne fremde Länder oder setzt sich gerne mit philosophischen Gedanken auseinander. Menschen, die offen für neue Erfahrungen sind, sind oft überdurchschnittlich kreativ und im Schnitt ein wenig intelligenter als andere. Das liegt wahrscheinlich vor allem daran, dass sie durch ihre Neugier viel Wissen anhäufen, das sie dann auf neue Zusammenhänge anwenden können.

Der Gegenpart, eine Person mit wenig Offenheit für neue Erfahrungen, setzt hingegen eher auf Sicherheit und Gewohntes, bestellt zum Beispiel im Restaurant oft das gleiche Gericht, wenn es sich einmal bewährt hat.

2. Gewissenhaftigkeit

Sehr gewissenhafte Menschen lieben Ordnung, sind pflichtbewusst und leistungsbereit. Sie sind diszipliniert, reagieren besonnen und haben Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Ein hohes Maß an Gewissenhaftigkeit ist in unserer Gesellschaft oft von Vorteil, wenn es etwa um den Erfolg in Schule oder Beruf geht.

Andererseits neigen sehr gewissenhafte Menschen aber auch dazu, sich über ihre Grenzen hinweg zu verausgaben. Aber auch äußere Umstände beeinflussen die Gewissenhaftigkeit eines Menschen. So steigt bei vielen mit dem Eintritt ins Berufsleben die Gewissenhaftigkeit an – Fleiß und Genauigkeit werden im Arbeitsalltag verlangt und belohnt, sodass entsprechendes Verhalten langfristig zunimmt. Im Rentenalter, wenn die Gewissenhaftigkeit nicht mehr so gefordert ist, nimmt sie oft ab.

3. Extraversion (versus Introversion)

Sehr extravertierte Menschen sind gesellig, herzlich und aktiv. Sie wollen etwas erleben, sind oft gut gelaunt und können sich gegen andere behaupten. In ihrer Freizeit gehen sie gerne auf Partys und lernen neue Leute kennen. Das Gegenstück dazu bilden sehr introvertierte Menschen. Sie brauchen viel Zeit für sich, meiden große Gruppen und nutzen das Wochenende am liebsten, um sich alleine oder im Kreise weniger enger Bezugspersonen zu erholen.

4. Verträglichkeit

Verträgliche Menschen werden als angenehm im Umgang wahrgenommen. Sie sind ehrlich, bescheiden, vertrauensvoll und mitfühlend. Sie teilen gerne, sind zu Kompromissen bereit und können sich gut in andere einfühlen. Im Gegensatz dazu sind wenig verträgliche Menschen eher misstrauisch und auf den eigenen Vorteil bedacht, sie machen sich kaum Gedanken darum, was andere von ihnen denken könnten, widersprechen aber auch bereitwilliger, wenn es nötig ist. Verträgliche sind in solchen Situationen eher bemüht, den Frieden zu wahren.

5. Neurotizismus (versus emotionale Stabilität)

Menschen mit ausgeprägtem Neurotizismus gelten als emotional labil. Sie neigen zu Ängstlichkeit und Depressivität, fühlen sich unsicher und schnell gestresst. Manchmal zeigt sich die innere Verletzlichkeit in einem Hang zur Wut oder impulsivem Verhalten. Ein ausgeprägter Neurotizismus ist zudem auch häufig mit Problemen in der Partnerschaft verbunden, da entsprechende Charaktere schnell gekränkt sind, anderen schlechte Absichten unterstellen und nicht gut in der Lage sind, Konflikte fair und besonnen auszutragen. Personen mit einem sehr geringen Maß an Neurotizismus lassen sich hingegen nur schwer aus der Ruhe bringen. Sie erleben Traurigkeit, Angst, Nervosität oder Schuldgefühle seltener als der Durchschnitt.

Die Big Five Persönlichkeitstypen bei der Berufswahl

Zwar kann das Berufsleben den Charakter mit der Zeit formen, um herauszufinden, wie gut ein Beruf oder eine konkrete Stelle zu einem Menschen passt, ist die Persönlichkeit aber nicht der beste Indikator. „Ob jemand eher introvertiert oder extravertiert, offen oder weniger offen für Erfahrungen ist, sagt kaum etwas darüber aus, wie gut er seinen Job machen wird“, erklärt Marcus Roth. „Berufe sind vielfältig und auch bei einer konkreten Stelle gibt es oft Spielraum, sodass Menschen mit unterschiedlichen Wesenszügen sich wohlfühlen und Erfolg haben können.“

„Man findet zwar statistische Zusammenhänge zwischen den Big Five und der beruflichen Leistung, diese sind jedoch sehr gering“, sagt auch Uwe Kanning. Entscheidender als die Persönlichkeit ist, wie gut man etwas kann und wie sehr man sich dafür interessiert. Für einige Berufe ist eine besonders hohe mathematische Intelligenz gefragt, etwa als Physikerin oder Programmierer komplizierter Algorithmen. In anderen Berufen kommt es vor allem auf soziale Kompetenzen an, etwa in der Sozialarbeit oder Sonderpädagogik. Praktisches Geschick braucht es zum Beispiel in technischen oder handwerklichen Berufen.

Ein individuelles Interessenprofil lässt sich mit dem wissenschaftlich anerkannten Allgemeinen-Interessen-Struktur-Test (AIST) ermitteln. Hier bekommt man eine ausführliche Rückmeldung, welche Tätigkeiten zu einem passen könnten, mitsamt einer Auflistung konkreter Berufe.

Ein weiterer wissenschaftlich anerkannter Test ist das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP), das trotz des Namens weniger die Persönlichkeit im engeren Sinne erfasst als andere stabile Eigenschaften wie Teamorientierung, Belastbarkeit, Flexibilität, Leistungs- und Führungsmotivation. Wer diesen Test absolviert, wird keinem Typen zugeordnet, sondern erhält ein differenziertes, individuelles Profil, mit dem sich Berufserfolg und Arbeitszufriedenheit recht zuverlässig vorhersagen lassen. Über das Berufe-Navi des Bundesministeriums für Bildung und Forschung findet man ähnliche seriöse und kostenlose Talent- und Interessentests.

Persönlichkeitstypen nach C. G. Jung

Carl Gustav Jung, ein Schweizer Psychiater und der Begründer der analytischen Psychologie, einer prominenten Art der Psychoanalyse, erkannte bei seiner Arbeit mit Patientinnen und Patienten, dass sich manche in ihrem Wesen ähnelten. Er ging davon aus, dass diesen Gruppen eine ähnliche Behandlung helfen würde und entwarf eine eigene Persönlichkeitstypologie. 1921 veröffentlichte er sie in seinem Werk „Psychologische Typen“. Darin unterschied Jung zwei „Bewusstseinseinstellungen“: Extraversion und Introversion.

Der extravertierte Typ wende sich stärker der Außenwelt zu, der introvertierte orientiere sich eher an der eigenen Innenwelt. Zudem herrsche in jeder Person eine von vier „Bewusstseinsfunktionen“ vor: Denken, Fühlen, Empfindung oder Intuition. Aus den Kombinationen der Bewusstseinseinsfunktionen mit einer der beiden Bewusstseinseinstellungen ergaben sich acht Typen. Der extravertierte Denktyp zum Beispiel sei sachlich und intellektuell, der intuitive Intuitionstyp verschlossen, aber visionär.

Persönlichkeitstypen nach Myers-Briggs

Inspiriert von den psychologischen Typen nach C. G. Jung entwickelten die US-amerikanische Krimiautorin Isabel Myers und ihre Mutter Katharine Cook Briggs zwischen 1923 und 1943 den Myers-Briggs-Typenindikator, kurz MBTI. Dieser enthält 16 Persönlichkeitstypen, die allerdings einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten. Der Myers-Briggs Test verfehlt die wissenschaftlichen Standards, die ein psychologischer Test erfüllen muss, die sogenannten Gütekriterien.

Das zentrale Gütekriterium ist die Validität: Ist diese erfüllt, misst der Test tatsächlich das, was er zu messen behauptet. Ein zweites maßgebliches Gütekriterium psychologischer Tests ist die Reliabilität: Ist ein Test reliabel, misst er präzise. Der MBTI erfüllt beide Kriterien nur unzureichend.

Zum einen gibt es berechtigte Zweifel daran, dass der MBTI das misst, was er zu messen vorgibt. Untersuchungen ergaben, dass die Persönlichkeitsmerkmale, die der MBTI heranzieht („Indikatoren“), nicht geeignet sind, das Spektrum menschlicher Wesenszüge zu beschreiben: Die Ergebnisse des Myers-Briggs-Tests sind im Grunde nichtssagend. Damit verletzt der MBTI das Gütekriterium der Validität.

Auch die Reliabilität des MBTIist dürftig. Würde der MBTI-Test die Persönlichkeit eines Menschen zuverlässig erfassen, müsste eine Person bei jedem Durchlauf das gleiche Ergebnis erhalten. Dann wäre der Test reliabel. Studien zufolge ist das nicht der Fall. Bei Wiederholungen des Tests nach mehreren Monaten kommen viele Menschen zu einem neuen Ergebnis. Waren sie etwa beim ersten Mal laut MBTI der Typ „INTP“, kam beim nächsten Versuch „INFJ“ heraus. Die Beschreibungen der verschiedenen Typen ähneln sich so stark und sind so allgemein gehalten, dass viele sich gleich in mehreren Typen wiederfinden. Ein guter Test sollte jedoch zu einem eindeutigen Ergebnis kommen, das überdauert.

Dass sich trotzdem viele Menschen auf Anhieb mit ihrem Typ laut MBTI identifizieren, liegt wahrscheinlich am „Barnum-Effekt“: unserer Neigung, allgemeingültige Aussagen als perfekt auf uns zugeschnitten zu empfinden. Der Barnum-Effekt kommt auch in der Astrologie zum Tragen, wenn einen der Persönlichkeitstyp laut Sternzeichen scheinbar treffsicher beschreibt. Die Charakterbeschreibungen sind dabei stets so universell und unkonkret, dass sie auf fast jeden zutreffen: Sind Sie auch gerne unter Leuten, brauchen aber hin und wieder Zeit für sich? Haben Sie Ihre Ziele im Blick, stehen sich aber manchmal selbst im Weg?

Obwohl er unseriös ist, wird der Myers-Briggs-Typenindikator teils immer noch im Personalwesen eingesetzt. Der Persönlichkeitstyp soll Prognosen darüber erlauben, wer für welchen Beruf geeignet ist. Doch auch das gilt inzwischen als widerlegt, erklärt Marcus Roth: „In Unternehmen werden leider häufig Tests eingesetzt, die nicht valide sind. Unter Psychologen gelten Typentests wie der MBTI jedoch klar als unseriös.“

Die vier Dimensionen der Persönlichkeit

Der Myers-Briggs-Typenindikator teilt die Persönlichkeit in vier Dimensionen auf:

  • „Motivation und Antrieb“

  • „Aufmerksamkeit“

  • „Entscheidung“

  • „Lebensstil“

Hierfür sieht der MBTI jeweils nur zwei mögliche Ausprägungen, genannt „Präferenzen“ vor. Hier eine Übersicht:

Indikator 1: Motivation & Antrieb

Präferenzen: Extraversion (E) & Introversion (I)

Laut dem Myers-Briggs-Typenindikator besteht der erste Grundpfeiler der Persönlichkeit darin, ob sich eine Person mehr der Außenwelt zuwendet, was Myers und Briggs „Extraversion“ nannten oder ob sich eine Person mehr auf ihr Innenleben konzentriert, was hier „Introversion“ genannt wird. Während Extrovertierte sich gerne mit Dingen und Menschen befassten, bevorzugten Introvertierte die Auseinandersetzung mit abstrakten Ideen.

Indikator 2: Aufmerksamkeit

Präferenzen: Intuition (N) & Sensorik (S)

Der MBTI geht von zwei grundlegenden Arten der Aufmerksamkeit aus: Intuition und Sensorik. Angeblich bevorzugen manche von Kindesbeinen an eine intuitive Wahrnehmung. Solche intuitionsgeneigten Menschen nutzten ihre Fähigkeit zur freien Interpretation und seien häufig kreativ. Sensorisch Orientierte verließen sich stattdessen lieber auf ihre unmittelbaren Sinneseindrücke und seien stärker im Hier und Jetzt verankert.

Indikator 3: Entscheidung

Präferenzen: Denken (T) & Fühlen (F)

Wie jemand Entscheidungen trifft, sei ebenfalls wichtig zur Bestimmung des Persönlichkeitstyps. Der MBTI teilt Menschen dahingehend in Denkende und Fühlende ein. Personen, die sich lieber auf das Denken verlassen, gingen eher rational an die Dinge heran. Wer bevorzugt fühlt, lasse sich vermehrt von persönlichen Wertvorstellungen und der Rücksichtnahme auf andere leiten, wenn es darum geht, einen Entschluss zu fassen.

Indikator 4: Lebensstil

Präferenzen: Wahrnehmung (P) & Beurteilung / Entscheidung (J)

Zuletzt gebe es noch zwei grundlegende Haltungen, mit denen Menschen durchs Leben gehen. Der MBTI unterscheidet jene, die erst einmal wahrnehmen und lange Eindrücke sammeln, bis sie sich ein Bild machen von jenen, die schnell zu einem Urteil kommen und von diesem dann auch kaum noch abrücken.

Die 16 Myers-Briggs-Persönlichkeitstypen (MBTI)

Durch die Kombination der individuellen Ausprägungen der vier Persönlichkeitsdimensionen, die der Myers-Briggs-Typenindikator postuliert, ergeben sich 16 Persönlichkeitstypen.

ISTJ

Der Persönlichkeitstyp „ISTJ“ ist laut MBTI ein introvertierter Pflichtmensch, der sich eher auf reine Sinneseindrücke verlässt, statt sich seiner Intuition hinzugeben, bei Entscheidungen das Denken dem Fühlen vorzieht und sich schnell auf eine Sichtweise festlegt. Diese Menschen seien zugleich Verfechter des logischen Denkens und entschiedene Macher, die sich zum Beispiel als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt eigneten.

INFJ

Der Persönlichkeitstyp „INFJ“ ist laut MBTI an Ideen interessiert, setzt auf Intuition, lässt sich in seinen Entscheidungen von Gefühlen leiten, ist aber zugleich äußerst meinungsstark. Aufgrund seines Idealismus und seiner Bereitschaft, für andere einzustehen, wird dieser Typus auch als Advokat-Persönlichkeit bezeichnet.

ENFP

Menschen des Persönlichkeitstyps „ENFP“ seien extravertiert, intuitiv, gefühlsgeleitet und offen für Eindrücke, bevor sie sich eine Meinung bilden. Betreffende werden als enthusiastisch und versiert im Umgang mit Menschen beschrieben. Laut MBTI brillieren sie zum Beispiel als mitreißende Lehrkräfte oder überzeugende Verkaufstalente.

Die restlichen Myers-Briggs-Persönlichkeitstypen

  • ISFJ

  • INFJ

  • INTJ

  • ISTP

  • ISFP

  • INFP

  • INTP

  • ESTP

  • ESFP

  • ENTP

  • ESTJ

  • ESFJ

  • ENFJ

  • ENTJ

DISG-Modell

Das DISG-Modell geht davon aus, dass sich Menschen in vier Grundtypen der Persönlichkeit und einige Mischformen daraus einteilen lassen. Diese Typenlehre geht auf den US-Psychologen William Moulton Marston zurück, der 1928 in seinem Buch „Emotions of Normal People“ eine eigene Theorie des menschlichen Verhaltens veröffentlichte. Marston ging davon aus, dass sich Menschen gut dadurch beschreiben lassen, ob sie sich eher aktiv oder passiv verhalten und ob sie die Welt als gut oder als feindselig wahrnehmen. Aus den Kombinationen dieser Grundorientierungen schloss er auf vier Persönlichkeitstypen.

Der Psychologe John Geier entwickelte Marstons Modell ab den 1960er Jahren weiter, gab den vier Typen ihre heutigen Namen und entwarf darauf aufbauend einen Persönlichkeitstest. Im Deutschen heißen die Typen Dominanz, Initiative, Stetigkeit und Gewissenhaftigkeit. Wie der MBTI ist auch das DISG-Modell nicht durch Studien abgesichert. Obwohl DISG-Tests als pseudowissenschaftlich gelten, werden sie auch heute noch häufig in Unternehmen eingesetzt, zum Beispiel unter dem Namen „Persolog“ oder „Insights MDI“.

Zudem sind DISG-Seminare weitverbreitet, in denen Mitarbeitende angeblich mehr über sich und ihre Kolleginnen und Kollegen erfahren sollen. Weil es keine überzeugenden Belege für die Aussagekraft von Tests gibt, die auf dem DISG-Modell fußen, wird das von Fachleuten kritisiert: „Solche Persönlichkeitstypentests sind veraltet und sollten heute weder in der Personalauswahl noch in der Personalentwicklung Verwendung finden“, sagt Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie, der sich an der Hochschule Osnabrück mit unseriösen Methoden im Personalwesen auseinandersetzt.

Dominanter Typ

Dieser vom DISG-Modell postulierte dominante Persönlichkeitstyp gilt als durchsetzungsstark und direkt. Er strebe nach Macht, scheue sich nicht vor Konflikten und sei häufig in Führungspositionen zu finden.

Initiativer Typ

Der initiative Persönlichkeitstyp ist laut DISG-Modell vielseitig interessiert und begeisterungsfähig. Er habe eine ausgeprägte emotionale Seite und handle oft impulsiv.

Stetiger Typ

Der stetige Persönlichkeitstyp verfügt gemäß dem DISG-Modell über Geduld und Durchhaltevermögen. Lange an einer Sache dranzubleiben, falle ihm leicht, Konfrontation gehe er eher aus dem Weg, denn er sehne sich nach Stabilität und Harmonie.

Gewissenhafter Typ

Der gewissenhafte Persönlichkeitstyp ist laut dem DISG-Modell perfektionistisch veranlagt. Er sei stets bestens vorbereitet und verhalte sich im Miteinander meist sachlich und distanziert.

Drei weitere Fragen und Antworten zu Persönlichkeitstypen

1. Welcher ist der seltenste Persönlichkeitstyp

Jede Persönlichkeit ist einzigartig. Der Charakter eines Menschen ist so individuell, dass sich einzelne Charaktere gar nicht sinnvoll zu Typen zusammenfassen lassen. Fragebögen, die die fünf Kernmerkmale der Persönlichkeit (Big Five) messen, werden der Bandbreite der Persönlichkeit besser gerecht. Schon mit einer stark vereinfachten Kurzversion lassen sich theoretisch über neun Millionen Persönlichkeitsprofile unterscheiden. Detailliertere Big Five-Fragebögen erlauben mehr individuelle Merkmalskombinationen, als es Menschen auf der Erde gibt.

2. Welcher ist der häufigste Persönlichkeitstyp?

Die fünf wissenschaftlich ermittelten Kernmerkmale der Persönlichkeit sind in etwa normalverteilt. Das bedeutet, dass die meisten Menschen eine mittlere Ausprägung aufweisen, also mittelmäßig offen für Erfahrungen, gewissenhaft und verträglich sind, bis zu einem gewissen Punkt emotional stabil und weder besonders introvertiert noch besonders extravertiert sind. Extreme Ausprägungen sind weitaus seltener, etwa Menschen, die in allen Lebenslagen gewissenhaft sind, beinahe immun gegen Stress oder maximal gesellig.

3. Welche Persönlichkeitstypen passen zusammen?

Ob die Chemie zwischen zwei Menschen stimmt, hängt überraschend wenig von deren Persönlichkeiten ab. Manchmal gilt „gleich und gleich gesellt sich gern“, teils ziehen sich aber auch Gegensätze an. Genauso wie es sich zwei introvertierte Menschen gut gemeinsam auf dem Sofa gemütlich machen können, kann ein geselliger Partner oder eine gesellige Partnerin für eine ruhige Person die passende Ergänzung sein.

Welche Charaktereigenschaften aufeinandertreffen, sagt wenig darüber aus, wie glücklich die Beziehung verlaufen wird. Das zeigte etwa eine 2019 veröffentlichte Studie von der Michigan State University, für die mehr als 2500 US-amerikanische Paare untersucht wurden.

Die gleiche Studie offenbarte jedoch, dass ein Persönlichkeitsmerkmal sehr wohl eine Rolle spielt: Ein geringer Neurotizismus, also eine hohe emotionale Stabilität, trägt auf beiden Seiten zu harmonischer Zweisamkeit bei. Hoch neurotische Menschen haben nämlich Schwierigkeiten, konstruktiv mit Problemen umzugehen und leiden eher unter Selbstzweifeln, sodass Konflikte leichter eskalieren. Hier geht es aber nicht darum, wie gut zwei Charaktere zusammenpassen. Auf beiden Seiten gilt: Je weniger neurotisch, desto besser.

Wichtiger als die Passung der Persönlichkeit sind für das Beziehungsglück ähnliche Werte, Haltungen und Lebensziele. Eine finnische Untersuchung an 312 Paaren, die gerade ein Kind erwarteten, zeigte, dass diese sich sehr stark in ihren politischen Einstellungen ähnelten. Zudem hatten sie einen ähnlichen Sinn für Tradition, waren ähnlich stark darauf bedacht, sich an Regeln zu halten, gute Bedingungen für alle Menschen und Lebewesen zu schaffen und legten ähnlich viel Wert darauf, das Leben zu genießen. Die Ähnlichkeit trat unabhängig davon auf, wie lange die Paare schon zusammen waren.

Das spricht dafür, dass man sich dem Partner oder der Partnerin nicht bloß mit der Zeit angleicht. Eher scheint es so zu sein, dass sich Menschen, die sich in wichtigen Fragen einig sind, voneinander angezogen fühlen.

Quellen

Beatrice Rammstedt u. a.: Eine kurze Skala zur Messung der fünf Dimensionen der Persönlichkeit: big-five-inventory-10 (BFI-10). Methoden, Daten, Analysen (mda), 7/2, 2013, 233–249

Carl G. Jung: Psychologische Typen. Good Press, Glasgow 2022

Gordon W. Allport, Henry S. Odbert: Trait-names: A psycho-lexical study. Psychological monographs, 47/1, 1936

Hao Zhao, Scott E. Seibert:The big five personality dimensions and entrepreneurial status: a meta-analytical review. Journal of applied psychology, 91/2, 2006, 259

Isabel B. Myers, Peter B. Myers: Gifts differing: Understanding personality type. Nicholas Brealey, London 2010

Janina Diekmann, Cornelius J. König: Personality testing in personnel selection: Love it? Leave it? Understand it!. Employee Recruitment, Selection, and Assessment, 2015, 117–135

Marcus Roth, Gernot von Collani: A head-to-head comparison of big-five types and traits in the prediction of social attitudes: Further evidence for a five-cluster typology. Journal of Individual Differences, 28/3, 2007,138

Sointu Leikas u. a.: Relationship satisfaction and similarity of personality traits, personal values, and attitudes. Personality and Individual Differences, 123, 2018,191–198

Tobias Altmann u. a.: I guess you’re just not my type: Personality types and similarity between types as predictors of satisfaction in intimate couples. Journal of Individual Differences, 34/2, 2013

William J. Chopik, Richard E. Lucas: Actor, partner, and similarity effects of personality on global and experienced well-being. Journal of Research in Personality, 78, 2019, 249–261

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