Katharina erzählt:
„Als Jugendliche war ich oft verzweifelt. Eines Abends riss ich aus. Als ich alkoholisiert wieder nach Hause kam, schrie mich mein Vater an. ,Ich will nicht mehr, ich bringe mich um!‘, schrie ich zurück. Er reagierte heftig.
Am nächsten Tag sagte meine Mutter, es tue meinem Vater leid. Er habe sich so verhalten, weil mein lang verstorbener Opa Suizid begangen habe. Ich solle nicht fragen. Dieses Wissen erklärte mir vieles, aber das ,Warum?‘ blieb unbeantwortet.
Ein Album, ein Brief und die Ansage beides niemandem zu zeigen
Erst 2019, als meine Oma mütterlicherseits starb, fasste ich Mut. Ich fühlte: Ich muss nach Opa fragen, so lange es noch geht. Mein Vater gab mir ein Album und einen Brief, mit der Ansage, beides niemandem außerhalb der Familie zu zeigen.
Der Inhalt machte mich fassungslos: Fotos von einem Erschießungskommando und toten Soldaten, hämische Kommentare. Die Begeisterung meines Opas für den Nationalsozialismus tat mir weh.
Der Drang, Antworten zu finden, ist nicht zu stoppen
Seitdem habe ich immer wieder versucht, mit meiner Familie zu sprechen, stieß jedoch auf Schweigen, Relativierungen sowie den Vorwurf, eine ,Nestbeschmutzerin‘ zu sein. Mein Drang, Antworten zu finden, ist inzwischen jedoch nicht mehr zu stoppen. Ich suche in Archiven nach ihm und frage Fachleute. Halt gegeben hat mir, meine Recherchen in Theaterproduktionen zu verarbeiten, und ein Seminar in der Gedenkstätte Neuengamme mit anderen Betroffenen.
Ich hoffe, dass mehr Menschen ihre familiäre Vergangenheit aufarbeiten und dies Rechtspopulismus und -extremismus entgegenwirkt. Und natürlich hoffe ich, irgendwann mit meinen Eltern reden zu können – auch wenn beides illusorisch ist.“
Katharina ist Theaterschaffende. Aus Rücksicht auf die Eltern nennt sie keinen Nachnamen
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