Keine Angst, sich Hilfe zu holen

„Wenn du was sagst, wirst du die Familie kaputtmachen“, bekam Thomas Maier zu hören. Wie er sich traute, sich von der Gewalt der Familie zu befreien

Ein Mann sitzt entspannt im Schneidersitz auf einer Holzbrücke am Wasser und ist froh, dass er sich als Jugendlicher an seinen Vertrauenslehrer an seinerSchule gewandt hatte und sich dadurch von seinem gewalttätigen Stiefvater befreit hat
Aus Angst vor Konsequenzen für seine Geschwister blieb er lange im gewalttätigen familiären Umfeld. © Amelie Niederbuchner für Psychologie Heute

Thomas Maier erzählt:

„Als Kind hatte ich immer Angst vor meinem Stiefvater. Es machte ihm Spaß, mich einzuschüchtern und zu erniedrigen. ,Schwuli, hol mir ein Bier‘, rief er, wenn er mit Bekannten grillte. Ich funktionierte. Ich hatte Angst vor seinen Schlägen. Auch gegenüber meiner Mutter war er gewalttätig, besonders wenn er betrunken war. Mein Halt war in dieser Zeit meine Oma, bei der ich manchmal übernachten durfte.

Mit 12, 13 sagte ich meiner Mutter oft, dass ich es nicht mehr aushielte. ,Ich sag was in der Schule!‘ Aber ihre Antwort war immer: ,Du wirst die ­Familie kaputtmachen. Wegen dir werden deine Geschwister ins Heim kommen.‘ Hunderte Male malte ich mir aus abzuhauen – aber sicher würden sie mich finden und zurückbringen.

Dann brach die Verzweiflung aus ihm heraus

Mein Leben war wie ein Ballon voller Probleme. Eines Tages, da war ich 14, war er so voll, dass er einfach ­platzte – trotz meiner Angst: Als mich die ­Mutter einer Schulfreundin morgens begrüßte, brach meine Verzweiflung aus mir heraus. Die Mutter war überfordert, riet mir aber, mit unserem ­Vertrauenslehrer zu sprechen.

Ich hatte wahnsinnig Schiss vor den Folgen und gleichzeitig Hoffnung, dass sich etwas ändert. Durch die ermutigenden Worte der Mutter traute ich mich, den Lehrer in der Pause anzusprechen. Er rief sofort bei dem Hort an, in den ich nachmittags gerne ging. Dort konnte ich bleiben. Der Leiter setzte beim Jugendamt durch, dass ich noch am selben Abend in eine Wohngruppe ziehen konnte. Ich musste nie mehr nach Hause.

Allen Betroffenen möchte ich deshalb zurufen: Habt Mut, euch zu äußern! Es gibt ein besseres Leben!“

Thomas Maier ist verbeamteter Verwaltungswirt. Er ist froh, das geschafft zu haben.

Newsletter
Aus der Redaktion

Mit Infos zu unseren Schwer­punkt­themen und inhaltlichen Highlights.

Ihre Daten nutzen wir, wie es in der Datenschutzerklärung erläutert ist

Bei der Newsletter-Registrierung ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es später noch einmal.
Sie wurden erfolgreich für den Newsletter registriert.
Artikel zum Thema
Hämmern, Rattern, Schreien: Die einen blenden Geräusche mühelos aus, die anderen machen sie wahnsinnig. Bei Andreas Maier war es mal so, mal so.
Viele Podcasts, Filme und Texte sind inzwischen mit Triggerwarnungen gekennzeichnet. Aber ist das wirklich hilfreich? Oder sogar schädlich?
Zwei Bücher beschäftigen sich mit dem Schicksal der „Verschickungskinder“ , die ab den 1950 Jahren verstört aus „Erholungsheimen“ zurückkehrten.
Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 10/2025: Heil bleiben im Beruf
Anzeige
Psychologie Heute Compact 81: Sinnerfüllt leben