Mit einem Schritt geht es ins Dunkle, das Tageslicht ist nur noch ein helles Quadrat in der Ferne. Autolärm klingt dumpf durch die Wände. Die Schritte hallen nach. Es zieht, ist feucht und kühl. Am Boden liegen Blätter und Abfall. Es riecht nach Urin. Botschaften zieren die schmutzigen Wände: RAF forever. Sigi, ich liebe dich. I was here.
Unterführungen sind typische urbane Orte mit ebensolchen Merkmalen. Es gibt sie zwar auch in ländlichen Räumen, besonders häufig finden sie sich aber in (Groß-)Städten, wo sie helfen sollen, Barrieren wie vielbefahrene Straßen zu über- oder genau genommen zu unterwinden.
In Anlehnung an den französischen Ethnologen und Anthropologen Marc Augé lassen sich Unterführungen als Nicht-Orte betrachten, also Orte ohne Identität, die nur für den Durchgang bestimmt sind. Die Menschen, die sie nutzen, sind typischerweise in Bewegung. In der Regel gibt es dort kein Mobiliar, keine Bänke oder andere Sitzgelegenheiten. Wer die Unterführung als Rückzugsort nutzt, ist gezwungen, auf dem Boden oder der Straße zu sitzen oder zu liegen.
Manchmal sind wir auf Unterführungen angewiesen, um von A nach B zu kommen; manchmal haben wir die Wahl und können – unter Inkaufnahme eines Umwegs oder vielleicht einer längeren Standzeit an einer Ampel – darauf verzichten. Für viele Menschen hängt diese Entscheidung auch von der Tageszeit und den Lichtverhältnissen ab, denn: Unterführungen gelten als düster, schmuddelig, gefährlich.
Mythos und Wirklichkeit
Kriminologische Befragungen in der Bevölkerung zeigen regelmäßig, dass vor allem Frauen Unterführungen als typische „Angst-Räume“ wahrnehmen. Für viele Menschen stellen sie daher selbst eine Barriere dar, deren Nutzung sie insbesondere im Dunkeln vermeiden.…
Den kompletten Artikel können Sie bei uns kaufen oder freischalten.