Häufiges Umziehen: Heute hier, morgen dort

Ein Umzug ist anstrengend und kostet viel Kraft – birgt aber auch viel Schönes. Zwei Menschen erzählen, wie es ist, wenn man ständig umziehen muss.

Eine junge Frau trägt einen Umzugskarton die Stufen eines Treppenhauses hoch
Ein Umzug bedeutet einen Neuanfang, aber auch Trauer über das, was wir hinter uns lassen. © Westend61/Getty Images

Patrica Zernik, Bundeswehrsoldatin, wechselt alle drei Monate den Standort:

Beim Militär gibt es ein Sprichwort: Nichts ist so beständig wie die Lageänderung. Das trifft es auf den Punkt. Ich muss mich schnell an neue Situationen anpassen und Entscheidungen treffen, ansonsten könnten im Ernstfall Menschen sterben. Als Soldatin kann ich Veränderungen sehr rational betrachten, das macht es leicht. Schwieriger wird es im privaten Bereich – dann also, wenn Emotionen eine Rolle spielen: Will ich mich zum Beispiel…

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es im privaten Bereich – dann also, wenn Emotionen eine Rolle spielen: Will ich mich zum Beispiel auf eine neue Beziehung einlassen, obwohl ich beim letzten Mal enttäuscht wurde?

In den letzten drei Jahren habe ich durchschnittlich alle drei Monate meinen Standort gewechselt. Meine Wohnung in Dortmund behalte ich. Meine Bundeswehrstuben waren nüchtern eingerichtet, daran änderte ich auch nichts. Es gibt ein paar Wegbegleiter, die ich überallhin mitnehme, zum Beispiel meinen Lautsprecher. Alles Persönliche, Deko und so weiter, bleibt in Dortmund. So habe ich immer eine Homebase, zu der ich zurückkehren kann – das gibt mir Halt.

Trotzdem brauche ich jedes Mal Zeit, um mich an die neue Situation zu gewöhnen. Am Anfang ist es nie leicht. Oft bin ich niedergeschlagen und sehne mich nach meinem alten Rhythmus. In solchen Phasen erlaube ich mir auch, die Veränderung erst mal scheiße zu finden. Und dann? Dann versuche ich, meinen Fokus auf die positiven Aspekte zu richten und zu den Routinen zurückzukehren, die mir guttun. Zum Beispiel das Boxen.

Sich auf Veränderungen einzulassen bedeutet vor allem: Arbeit an sich selbst. Aber es wird mit jedem Mal leichter. Es ist wie ein Training. Ich bin neugierig, mein Interesse an Unbekanntem ist mein stärkster Antrieb. Meine Neugierde lässt mich Dinge sagen wie: Ach komm, ich mach das jetzt einfach. Bis jetzt hat es sich immer gelohnt.

Chris Moyer, Berater für transnationale Familien, zog schon als Kind von Land zu Land:

Meine Eltern haben als evangelikale Missionare gearbeitet, wie auch schon meine Großeltern. Ich bin deshalb als sogenanntes „transnationales Kind“ – auf Englisch third culture kid – aufgewachsen. Zur Welt gekommen bin ich in den Vereinigten Staaten, mit fünf Jahren bin ich mit meiner Familie nach Frankreich gezogen, später nach Deutschland, dann ging es wieder zurück in die USA. Es kann wunderbar sein, in verschiedenen Ländern zu leben. Aber man verliert auch viel.

Als Teenager habe ich ein paar richtig schlechte Bewältigungsstrategien entwickelt. Nachdem ich immer wieder umgezogen war, habe ich so sehr um meine verlorenen Freundschaften getrauert, dass ich meine Gefühle wohl unbewusst einfach ausgeschaltet habe. Keine Tränen mehr, aber auch keine Freude.

Erst viel später habe ich begriffen, wie wichtig und wertvoll Trauer ist. Es ist ein gesunder Prozess. Immer chaotisch, niemals linear. Als Berater helfe ich transnationalen Kindern und Eltern dabei, all die Trauer zu- und rauszulassen. Die Trauer um all das, was man zurücklassen musste, immer und immer wieder – in dem Bewusstsein, dass es nicht dasselbe sein wird, wenn man eines Tages zurückkehrt. Dass man selbst nicht mehr dieselbe Person sein wird.

Veränderung ist hart. Man muss sowohl das Gute als auch das Schwierige bewusst annehmen. Wenn man davor davonläuft, verpasst man etliche Erfahrungen. Und ein großes Potenzial für persönliches Wachstum. Der ständige Lebenswandel hatte einen großen Einfluss auf mich und meine Persönlichkeit. Ich habe das Gefühl, dass ich eine breitere Sicht auf die Welt entwickelt habe und offener für Fremdes bin. Ich kann mir nur schwer vorstellen, was für ein Mensch ich ohne diese Erfahrungen wäre.

Hier können Sie mehr über Lebensveränderungen lesen:

Zum Weiterlesen

Carl Naughton: AQ. Warum Anpassungsfähigkeit die wichtigste Zukunftskompetenz ist. Gabal, Offenbach 2022

Agnes Justen-Horsten: On the Move. Ein psychologischer Wegbegleiter für das Leben und Arbeiten im Ausland. Psychosozial, Gießen 2022

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 4/2023: Schüchtern glücklich sein